Physiologie: Porenluftschnappen
Auf dem Weg vom Wasser- zum Landtier war einiges an anatomischer Umbauarbeit gefordert - aus Flossen wurden Beine und Lungen ersetzten Kiemen. Manch Einzelgänger der Evolution beschritt indes Wege nach seiner Art und verzichtet noch heute auf vermeintlich unverzichtbare Grundausstattungen des Landlebens.
Barbourula kalimantanensis teilt womöglich bald das Schicksal allzu vieler Tiere und Pflanzen unserer Erde: Kaum kennt man den Frosch, schon ist er wieder ausgestorben. Kennen ist ohnehin zu viel gesagt: Bis vor Kurzem kannten selbst enthusiastische Froschforscher gerade einmal ein paar in Schnaps eingelegte Ganzkörperpräparate der Art. Die allerdings waren durch Zeit und Lagerung so schwarz geworden waren, dass Amphibienfreunde sich fragten, wie wohl lebende Tiere gefärbt sind. Darüber hinaus existierten in der Fachliteratur der letzten Jahrzehnte auch noch zwei eher anekdotische Sichtungsberichte: 1978 und 1995 waren einzelne Vertreter der Spezies im Primär-Regenwald Indonesiens erspäht worden. Genauer untersucht hat sie niemand.
Das ändern nun David Bickford von der Staatlichen Universität Singapurs und seine Kollegen – und produzierten dabei prompt Erkenntnisse, die sie zu echten Begeisterungsstürmen verleiteten: "Ich war erst skeptisch – bis es uns alle am Ende umgehauen hat, als es sich als wahr herausgestellt hat!". Es gibt, so die Forscher zusammenfassend, auch heute noch Dinge in den Naturwissenschaften zu entdecken, die nie ein anderer Forscher zuvor gesehen hat.
Sie können auch anders
Seinen Sauerstoff bezieht er ebenso ausschließlich über die Haut wie die wenigen anderen bekannten landlebenden Wirbeltiere, die auch auf eine Lunge verzichten können. Fast siebzig Prozent aller Salamanderarten gehören dazu, außerdem noch der Ausreißer Atretochoana eiselti, die einzige bislang entdeckte lungenlose Blindwühle.
Alle diese Amphibien sind unbedingt darauf angewiesen, die Hautoberfläche ständig feucht zu halten und kommen daher auch nur in schattigen Regionen vor, in denen es häufig regnet. Der lungenlose Frosch hält es ähnlich, nur extremer: Er lebt meist gleich gänzlich unter Wasser, in recht kalten, schnell fließenden Bachläufen des Regenwaldes. Nur hier konnten seine Ahnen es sich leisten, die Lunge für überflüssig zu erklären – aus mindesten vier Gründen, die Bickfords Team aufzählt.
Gute Gründe für ein Defizit
Hilfreich ist bestimmt die auffällige Form der Froschspezies: Bei relativ geringer Größe sind sie recht flach, was ihnen ein optimiertes Verhältnis von mit Sauerstoff zu versorgendem Körpervolumen zu sauerstoffaufnehmender Oberfläche verschafft. Der vierte Punkt könnte ebenso wichtig sein: Eine luftgefüllte Lunge hat für Tiere auch deutliche Nachteile. Mit ihrem Auftrieb verhindert sie ein schnelles Abtauchen in Augenblicken der Gefahr, gleichzeitig müssen die Tiere sich aber stetig festklammern, um nicht als auf dem Wasser treibende Schwimmblase mitgerissen zu werden. Wenn es sich eine Frosch-Modellreihe leisten konnte, auf die Lunge zu verzichten, so fassen Bickford und Co zusammen, dann B. kalimantanensis und seine Vorfahren.
Viele eigene Nachkommengenerationen wird der ungewöhnliche Regenwaldbewohner übrigens wohl nicht mehr produzieren können, bemerken die Froschforscher am Ende noch pessimistisch: Der Lebensraum der Amphibien schrumpft unaufhörlich unter dem zerstörerischen Zugriff des Menschen auf die Natur Borneos. Dort, wo vor Jahrzehnten die ersten Exemplare des Frosches gefunden worden waren, hatte Bickfords Team nur noch die Spuren illegaler Schürfversuche nach Gold entdeckt; die einst kalten, rauschenden Bäche waren längst zu warmen, flachen und verschmutzten Rinnsalen geworden. Die Restpopulation von B. kalimantanensis tummelt sich an einem nicht allen publik gemachten Ort tiefer in Wald. Bleibt nur die Hoffnung, dass dort in Zukunft nicht Goldschürfer, sondern höchstens Ambhibienfreunde mit Erfolg suchen.
Das ändern nun David Bickford von der Staatlichen Universität Singapurs und seine Kollegen – und produzierten dabei prompt Erkenntnisse, die sie zu echten Begeisterungsstürmen verleiteten: "Ich war erst skeptisch – bis es uns alle am Ende umgehauen hat, als es sich als wahr herausgestellt hat!". Es gibt, so die Forscher zusammenfassend, auch heute noch Dinge in den Naturwissenschaften zu entdecken, die nie ein anderer Forscher zuvor gesehen hat.
Was war geschehen? Bickford und Co hatten das Glück, das in den letzen 30 Jahren anderen Expeditionen oft gefehlt hatte: Sie entdeckten an zwei Stellen des indonesischen Urwalds insgesamt neun Exemplare von Barbourula – genug, um zunächst eines der Tiere der Wissenschaft zu opfern und seine Anatomie unter dem Skalpell zu untersuchen. Und dann noch eines. Und noch eines, zur Sicherheit. Am Ende fielen die obigen Zitate, denn: Kein einziges Tier hatte eine Lunge oder auch nur Reste einer zum Luftholen gedachten Öffnung im Mundraum. Damit ist die Art der erste und einzige Frosch, der auf das übliche Atmungsorgan der landlebenden Wirbeltiere verzichtet.
Sie können auch anders
Seinen Sauerstoff bezieht er ebenso ausschließlich über die Haut wie die wenigen anderen bekannten landlebenden Wirbeltiere, die auch auf eine Lunge verzichten können. Fast siebzig Prozent aller Salamanderarten gehören dazu, außerdem noch der Ausreißer Atretochoana eiselti, die einzige bislang entdeckte lungenlose Blindwühle.
Alle diese Amphibien sind unbedingt darauf angewiesen, die Hautoberfläche ständig feucht zu halten und kommen daher auch nur in schattigen Regionen vor, in denen es häufig regnet. Der lungenlose Frosch hält es ähnlich, nur extremer: Er lebt meist gleich gänzlich unter Wasser, in recht kalten, schnell fließenden Bachläufen des Regenwaldes. Nur hier konnten seine Ahnen es sich leisten, die Lunge für überflüssig zu erklären – aus mindesten vier Gründen, die Bickfords Team aufzählt.
"Ich war erst skeptisch – aber es stimmte!"
(David Bickford)
Zum ersten ist Sauerstoff für die Tiere gerade in schnell sprudelnden Gewässern in größeren Mengen verfügbar als in tiefen ruhigen Teichen – während, die ebenso wichtige Kehrseite der Medaille, auch das per Haut ausgeatmete Kohlendioxid schnell aus der Umgebung der Froschhaut abtransportiert wird. Kalte Bäche sind aber auch deshalb vorteilhaft für lungenlose Experimente, weil die Frösche hier wegen der temperaturbedingt reduzierten Stoffwechselraten ohnehin weniger Sauerstoff benötigen. (David Bickford)
Gute Gründe für ein Defizit
Hilfreich ist bestimmt die auffällige Form der Froschspezies: Bei relativ geringer Größe sind sie recht flach, was ihnen ein optimiertes Verhältnis von mit Sauerstoff zu versorgendem Körpervolumen zu sauerstoffaufnehmender Oberfläche verschafft. Der vierte Punkt könnte ebenso wichtig sein: Eine luftgefüllte Lunge hat für Tiere auch deutliche Nachteile. Mit ihrem Auftrieb verhindert sie ein schnelles Abtauchen in Augenblicken der Gefahr, gleichzeitig müssen die Tiere sich aber stetig festklammern, um nicht als auf dem Wasser treibende Schwimmblase mitgerissen zu werden. Wenn es sich eine Frosch-Modellreihe leisten konnte, auf die Lunge zu verzichten, so fassen Bickford und Co zusammen, dann B. kalimantanensis und seine Vorfahren.
Viele eigene Nachkommengenerationen wird der ungewöhnliche Regenwaldbewohner übrigens wohl nicht mehr produzieren können, bemerken die Froschforscher am Ende noch pessimistisch: Der Lebensraum der Amphibien schrumpft unaufhörlich unter dem zerstörerischen Zugriff des Menschen auf die Natur Borneos. Dort, wo vor Jahrzehnten die ersten Exemplare des Frosches gefunden worden waren, hatte Bickfords Team nur noch die Spuren illegaler Schürfversuche nach Gold entdeckt; die einst kalten, rauschenden Bäche waren längst zu warmen, flachen und verschmutzten Rinnsalen geworden. Die Restpopulation von B. kalimantanensis tummelt sich an einem nicht allen publik gemachten Ort tiefer in Wald. Bleibt nur die Hoffnung, dass dort in Zukunft nicht Goldschürfer, sondern höchstens Ambhibienfreunde mit Erfolg suchen.
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