Zahlentheorie: Wie man Primzahlen fängt
Seit Jahrtausenden faszinieren Primzahlen die Menschheit. Gerade ihre unvorhersehbare und scheinbar zufällige Verteilung beschäftigt Mathematikerinnen und Mathematiker bis heute. In einer noch nicht begutachteten Arbeit haben die Mathematiker Kevin Ford (University of Illinois in Urbana-Champaign) und der Fields-Medaillen-Gewinner James Maynard (University of Oxford) eine neuartige Methode entwickelt, die bei der Suche nach den geheimnisvollen Werten helfen kann – und gleichzeitig die Grenzen des Möglichen aufzeigt.
Primzahlen sind nur durch eins und sich selbst teilbar. Sie gelten als Atome der Mathematik: Alle Zahlen lassen sich eindeutig als Produkt aus Primzahlen darstellen, wie 12 = 2 · 2 · 3. Je größer die Zahl, desto schwieriger wird es jedoch herauszufinden, ob es sich dabei um eine Primzahl handelt. Wie bestimmt man zum Beispiel, wie viele Primzahlen es zwischen 1 und 1000 gibt?
Darüber haben schon Menschen im antiken Griechenland nachgedacht. Eine Methode, die obige Frage zu beantwortet, bietet das so genannte Sieb des Eratosthenes. Bei diesem sortiert man systematisch Vielfache jeder Primzahl aus, so dass nur die Primzahlen selbst durch das Sieb fallen. Die eliminierten Vielfachen werden als Typ-I-Informationen bezeichnet, mit denen sich abschätzen lässt, wie viele Primzahlen in einem bestimmten Bereich des Zahlenstrahls liegen.
Doch die Information ist begrenzt. »Manchmal hat man gute Typ-I-Informationen und findet trotzdem keine Primzahlen«, erklärt Ford. Zusammen mit Maynard hat er eine neue Methode vorgestellt, mit der sich die Anzahl an Primzahlen, die in einem Bereich des Zahlenstrahls existieren, genau abschätzen lässt. Dafür kombinierten die Mathematiker zwei Strukturen miteinander: die aussortierten Zahlen (Vielfache von 2, von 3 und so weiter, also Typ-I-Informationen) sowie Zahlen, die mehrfach gestrichen werden, zum Beispiel die 6, da sie ein Vielfaches von 2 und 3 ist (so genannte Typ-II-Information).
Indem Mathematikerinnen und Mathematiker die einzelnen Informationsarten passend gewichten, können sie herausfinden, wie viele Primzahlen es in einem bestimmten Zahlenbereich gibt. Bei der sorgfältigen Einstellung dieser beiden Regeln entdeckten Maynard und Ford jedoch, dass es auch Grenzen gibt: An diesen lässt sich die Genauigkeit der Zählung nicht mehr verbessern.
»Es ist von grundlegender Bedeutung, herauszufinden, was man nicht erreichen kann«Peter Sarnak, Mathematiker
Die zwei Forscher vergleichen die Genauigkeit dieser Schätzungen mit der Maschenweite eines Siebs: Ist sie zu klein, sortiert man jede Zahl aus; ist sie hingegen zu groß, schlüpfen auch Primzahlen durch. »Die Arbeit beantwortet präzise und direkt, was eine ›ausreichend gute‹ Information ist, um Primzahlen zu erkennen«, sagt die Mathematikerin Kaisa Matomäki, die an der finnischen Universität Turku die Verteilung von Primzahlen untersucht. Die grundsätzlichen Grenzen eines Siebs zu verstehen, sei entscheidend für die Entwicklung einer vollständigen Primzahl-Theorie, erklärt der Mathematiker Peter Sarnak von der Princeton University: »Es ist von grundlegender Bedeutung, herauszufinden, was man nicht erreichen kann.«
Kevin Ford hofft, dass die neue Methode Fachleuten helfen wird, offene Probleme im Bereich der Zahlentheorie anzugehen. »Primzahlen sind auf sehr, sehr mysteriöse Weise verteilt, also versuchen wir, unser Verständnis ein wenig zu erweitern.«
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