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Raumfahrt: Das Rennen zum Mond ist eröffnet

Die Mondoberfläche ist übersät von den Trümmern gescheiterter Missionen. Aber eine ganze Reihe privater Unternehmen will nicht aufgeben und plant, den Mond noch in diesem Jahr zu erreichen.
Illustration einer privaten japanischen Raumfähre auf dem Weg zum Mond
Das japanische Unternehmen ispace hat es nicht geschafft, das Rennen zum Mond für sich zu entscheiden. Während des Landeanflugs am 25. April 2023 riss der Funkkontakt zu »Hakuto-R« ab. Seitdem ist der Verbleib der Landefähre ungewiss. (Illustration)

Es hätte eine Premiere werden sollen: Fünf Monate lang war das private Raumschiff »Hakuto-R« unterwegs zum Mond – doch beim Landeversuch am 25. April 2023 brach der Funkkontakt ab. Seitdem ist der genaue Verbleib ungewiss. Ist es noch intakt? Oder zerschellte es auf der Mondoberfläche? Das in Tokio ansässige, japanische Unternehmen ispace hatte den Lander im Dezember mit einer Falcon-9-Rakete des US-amerikanischen Anbieters SpaceX ins All geschossen. Als erstes Privatunternehmen wollte ispace erfolgreich auf der Mondoberfläche landen. Mit an Bord war auch ein kleiner Rover der Vereinigten Arabischen Emirate.

Zwar ist die Premiere nicht gelungen, doch der missglückte Versuch markiert den Beginn einer neuen Ära in der Erforschung des Mondes. Noch in diesem Jahr sollen eine ganze Reihe kommerzieller Missionen zum nächsten Nachbarn der Erde starten im Rahmen von Projekten verschiedener Unternehmen und Länder. »Viele Leute sehen das optimistisch als den Beginn einer weiteren Expansion in den Weltraum«, sagt Stephen Indyk, Direktor für Raumfahrtsysteme bei Honeybee Robotics, der einem kommerziellen Beratungsgremium des NASA-Ausschusses für Mondforschung vorsitzt.

Einer der Forscher, die sich derzeit im Rahmen der neuen Offensive auf die Erforschung des Mondes vorbereiten, ist Gustavo Medina Tanco. Der Astrophysiker arbeitet an der Universidad Nacional Autónoma de México in Mexiko-Stadt. Er hat fünf autonome Rover – von denen jeder nur etwas größer ist als seine Handfläche – in einem Raumfahrzeug in Pittsburgh untergebracht, das in den kommenden Wochen zu einem Startplatz in Florida und dann zum Mond fliegen soll. Die COLMENA (Bienenstock) genannte Mission wird die erste aus Lateinamerika sein.

»Die Zukunft liegt auf dem Mond: Man kann ihn als einen neuen Wirtschaftszweig betrachten«Gustavo Medina Tanco, Astrophysiker

Eines Tages könnte ein Schwarm dieser Minirover über die Mondoberfläche wandern und Wasser und Mineralien für Weltraumforscher sammeln, so Medina Tanco. »Dort liegt die Zukunft«, sagt er. »Man kann den Mond als einen neuen Wirtschaftszweig betrachten.«

COLMENA wird wahrscheinlich noch in diesem Jahr an Bord eines der ersten Flüge des NASA-Programms »Commercial Lunar Payload Services« (CLPS) starten, das von Raumfahrtunternehmen Fahrten zum Mond kauft. Die Idee: Die Industrie kann entsprechende Projekte günstiger durchführen. Im nächsten Jahrzehnt könnten ein Dutzend oder mehr CLPS-Missionen starten, die wissenschaftliche und andere Nutzlasten in verschiedene Mondregionen bringen. So können Länder wie Mexiko, die selbst keine entsprechenden Startkapazitäten haben, den Mond zum ersten Mal erreichen.

Der Mond ist voller Trümmer missglückter Missionen

Doch bei diesem Wettrennen der privaten Unternehmen ins All kann noch viel schiefgehen. Nur die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion und China haben bisher erfolgreich Raumfahrzeuge auf den Mond gebracht und betrieben. Die Mondoberfläche ist übersät mit Trümmern von Missionen, die es nicht geschafft haben, darunter ein privates israelisches Raumschiff namens Beresheet, das 2019 abgestürzt ist. Und nun vermutlich auch die Trümmer des Landers von ispace.

Thomas Zurbuchen hat das kommerzielle Mondprogramm als damaliger wissenschaftliche Leiter der NASA ins Leben gerufen – aber er gibt sich skeptisch: »Ich bin mir nicht sicher, ob diese Dinger landen und funktionieren können«, sagt er. »Das müssen sie erst noch beweisen.«

Die vielen Mondlandefähren sind die Überbleibsel eines privat finanzierten Wettbewerbs, dem Google Lunar X Prize, der von 2007 bis 2018 lief. Das erste Unternehmen, dem es gelänge, ein Raumfahrzeug erfolgreich auf dem Mond zu landen und betreiben, sollte mit 20 Millionen US-Dollar belohnt werden. Niemand hat diesen Preis gewonnen, aber er war der Startschuss für eine junge Raumfahrtindustrie und ein neues Rennen zum Mond.

Zu den Wettbewerbern gehört auch ispace, dessen Raumfahrzeug mit dem Namen »Hakuto-R« (auf Deutsch: »Weißer Hase«) am 11. Dezember 2022 startete und am 21. März 2023 die Mondumlaufbahn erreichte. »Hakuto-R« sollte im Atlas-Krater auf der erdzugewandten Seite des Mondes landen. Japan und die Vereinigten Arabischen Emirate hatten gehofft, damit die vierte und fünfte Nation zu sein, deren Raumfahrtagenturen Fahrzeuge auf dem Mond betrieben. Das vorrangige Ziel von ispace war es aber, Möglichkeiten zur Gewinnung von Wasser aus dem Mondboden zu erforschen.

Zeitpläne waren zu optimistisch

Das CLPS-Programm der NASA startete 2018, als die Agentur ihr Programm zur Erforschung des Mondes durch Menschen intensivierte. Zurbuchen suchte damals nach einer Möglichkeit, mehr für die Wissenschaft herauszuholen. Seine Idee war es, Anreize für die Industrie zu schaffen, Roboter-Mondlandegeräte zu bauen, während sich die NASA darauf konzentrieren sollte, wieder Menschen auf die Mondoberfläche zu bringen. Der Plan war, Unternehmen dafür zu bezahlen, Wissenschafts- und Erkundungsprojekte auf dem Mond durchzuführen, ähnlich wie die Behörde Astronauten und Fracht mit privaten Unternehmen zur Internationalen Raumstation schickt. Die NASA begann mit der Vergabe von Aufträgen im Rahmen des 2,6-Milliarden-Dollar-Programms CLPS.

Doch CLPS kam langsamer in Gang als erwartet. Als die NASA das Programm 2018 ankündigte, ging sie optimistisch davon aus, dass die ersten Mondnutzlasten im folgenden Jahr fliegen könnten. Viele Unternehmen hatten jedoch Schwierigkeiten, die versprochene Hardware zu entwickeln; einige haben ihr Geschäft aufgegeben. »Ich war enttäuscht, dass es nicht schneller ging«, sagt Zurbuchen.

Aber die Unternehmen selbst glauben weiterhin daran. Die ersten Missionen im CLPS-Programm sind die von Astrobotic in Pittsburgh und Intuitive Machines in Houston. Das Raumschiff von Astrobotic, das die mexikanischen Miniroboter geladen hat, wartet gerade auf einen Platz an Bord der Vulcan-Rakete der United Launch Alliance (ULA) in Centennial, Colorado. Die Vulcan sollte eigentlich im Mai 2023 starten, doch bei Tests im März traten Probleme auf. ULA hat noch keinen neuen Starttermin bekannt gegeben. Das Mondlandegerät von Intuitive Machines wird mit einer SpaceX-Rakete von Hawthorne, Kalifornien aus starten – voraussichtlich schon im Juni.

Chancen für die Wissenschaft

Beide Raketen tragen sowohl wissenschaftliche Experimente als auch nichtwissenschaftliche Nutzlasten. Die Astrobotic-Mission ist unter anderem mit mehreren von der NASA gebauten Spektrometern zur Untersuchung der chemischen Zusammensetzung der Mondoberfläche ausgestattet. Künftige CLPS-Flüge werden einen Bohrer zur Erkundung des Untergrunds zum Mond transportieren und einen Rover zur Kartierung von Eisvorkommen in der Nähe des Mondsüdpols.

»Jede Landung auf dem Mond bietet eine neue Gelegenheit für die Wissenschaft«, so Mahesh Anand, Planetenforscher an der Open University im britischen Milton Keynes. »Wir sollten unsere Augen und Ohren weit geöffnet halten«, sagt er.

Einige Wissenschaftler zeigten sich allerdings nicht besonders glücklich darüber, dass die NASA und nicht sie selbst die Landeplätze für die CLPS-Flüge auswählten. Die NASA reagierte darauf. Künftig dürfen die Forscher mitbestimmen, an welchen Orten auf der Mondoberfläche die Raumschiffe aufsetzen sollen. Entsprechend änderte die NASA den Landeplatz für den ersten Astrobotic-Flug von einem aus Sicherheitsgründen gewählten, leicht erreichbaren Ort zu einem alten Lavastrom in der Nähe der geologisch interessanten Erhebung namens Gruithuisen. Und der Landeplatz für die erste Mission von Intuitive Machines wurde in die Nähe des Mondsüdpols verlegt, wohin die NASA künftige bemannte Missionen schicken will.

Auf dem Mond wird es internationaler

Die Gelegenheit, maßgeschneiderte Infrastruktur an ausgewählten Orten auf dem Mond zu bauen, ermögliche mehr Wissenschaft, sagt Kerri Donaldson Hanna, eine Planetenforscherin an der University of Central Florida in Orlando. Sie leitet eine zweite CLPS-Mission zu den Gruithuisen-Hügeln, bei der ein Rover die Chemie der dortigen Gesteine und Böden weiter analysieren soll. »Mit diesen passgenauen Instrumentensätzen können wir sehr spezifische Fragen angehen«, sagt sie.

Bisher stammen die wissenschaftlichen Nutzlasten des CLPS-Programms hauptsächlich von der NASA und von US-amerikanischen Einrichtungen. Abgesehen von der mexikanischen Ladung muss das Programm noch sein Versprechen erfüllen, den Mond für viele Nationen mit aufstrebenden Raumfahrtprogrammen zugänglich zu machen. Es existieren einige internationale Kooperationen: Beispielsweise gibt es einen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln gebauten Strahlungsdetektor, der sich an Bord des ersten Astrobotic-Flugs befinden wird. Nach dem Gerät an Bord des chinesischen Landegeräts Chang'e-4 wird dies erst der zweite Strahlungsdetektor auf dem Mond sein. Er wird wichtige Daten darüber liefern, was Forscher künftig auf der Mondoberfläche erwarten könnte, sagt der leitende Forscher Thomas Berger, ein Strahlungsphysiker am DLR.

»Für uns Koreaner wäre es ein echter Meilenstein, die Möglichkeit zu bekommen, die Mondoberfläche zu erreichen«Chae Kyung Sim, Astronomin

Eine zukünftige Landefähre von Intuitive Machines soll zwei kleine südkoreanische Teleskope zur Erkennung hochenergetischer Teilchen transportieren, gebaut vom Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI) in Daejeon. »Für uns Koreaner wäre es ein echter Meilenstein, die Möglichkeit zu bekommen, die Mondoberfläche zu erreichen«, sagt Chae Kyung Sim, Astronomin am KASI. Zwar umkreise bereits eine südkoreanische Raumsonde namens Danuri den Mond. Zugang zur Oberfläche aber bedeute, dass Wissenschaftler Messdaten noch mal überprüfen können, sagt sie.

So wird es langsam internationaler auf dem Mond. Indien plant, noch im Jahr 2023 eine Mondlandefähre loszuschicken. Und der wachsende Einfluss privater Unternehmen könnte weiteren Nationen und Einrichtungen den Zugang zum Mond ermöglichen. Im März 2023 gründete der Luft- und Raumfahrtriese Lockheed Martin in Denver, Colorado, ein Unternehmen namens Crescent Space, das wie die Europäische Weltraumorganisation ESA ein Kommunikations- und Navigationssatellitennetz um den Mond herum aufbauen will, welches als Infrastruktur für die kommenden Missionen dienen soll.

Joe Landon, Geschäftsführer von Crescent Space, sagt, sein Team habe mehr als 100 Missionen gezählt, die in den nächsten zehn Jahren zum Mond führen sollen. Unter anderem ausgelöst durch den erfolgreichen ersten Flug des NASA-Programms Artemis zur Erforschung des Mondes im vergangenen November, sagt er, »sehen wir, wie sich dieser Markt entwickelt«. Wie »Hakuto-R« und »Beresheet« könnten einige dieser aufkeimenden Bemühungen scheitern, aber das kommerzielle Interesse am Mond wird weiter wachsen. Zusätzlich zu den künftigen CLPS-Flügen plant ispace bereits seinen nächsten Versuch, der 2024 starten soll. Und das israelische Unternehmen SpaceIL plant, es im Jahr 2025 nochmals zu probieren – mit »Beresheet 2«.

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