Experimentelle Archäologie: Probeschuss mit Feuerstein
Steinzeitmenschen waren nicht die keulenschwingenden Schädelzertrümmerer, für die man sie einst hielt - zum Leidwesen der Archäologen. Denn diese müssen sich nun damit abmühen, die verfeinerten Mordmethoden von damals zu analysieren: Welche Spuren etwa hinterlässt eine Pfeilspitze aus Feuerstein? Da hilft nur der Praxistest.
Als vor nunmehr gut fünfzehn Jahren aus dem schwindenden Eis des Hauslabjochs die berühmte Mumie von Ötzi zu Tage trat, schien eine Frage Öffentlichkeit und Forscher gleichermaßen zu faszinieren: Woran starb der Gletschermann? Er sei verhungert, mutmaßten einige, an Erschöpfung und Krankheit gestorben, fanden andere, oder schlicht und ergreifend erfroren. Erst als Forscher 2001 bei Röntgenaufnahmen bemerkten, dass eine Pfeilspitze in seinem Rücken steckt, kam Licht in diese Angelegenheit. Als ziemlich wahrscheinlich gilt nun, dass es die Folgen dieser Verletzung waren, die den Gletschermann das Leben kosteten.
Nun gehört es eigentlich zur Routine archäologischer Ausgrabungen, Verletzungen an den Knochen auf ihre Herkunft zu untersuchen. Charakteristische Schnittwunden in Knochen dokumentieren zum Beispiel, wo Feuersteinmesser zum Einsatz kamen, und bisweilen auch, welchen makaber anmutenden Umgang unsere Vorfahren mit ihren Verstorbenen pflegten: Die Belege reichen hier vom Häuten und Köpfen der Toten zu kultischen Zwecken bis hin zum gelegentlichen Kannibalismus. Auch Knochen toter Tiere dienen Wissenschaftlern als Informationsquelle über das steinzeitliche Jagd- und Kochverhalten.
Mit seinen Kolleginnen Megan Brickley und Stephany Leach machte er deshalb die Probe aufs Exempel: Wie genau sieht eigentlich eine Pfeilwunde aus, und woran erkennt man die Spur einer Feuersteinspitze im Knochen? Mit einer möglichst authentischen Jagdausrüstung aus Pfeilen und einem Langbogen aus Eibe – beides hatte ihnen ein Experte in der keineswegs trivialen Herstellung solcher Geräte angefertigt – schossen sie deshalb auf Schweine- und Ochsenknochen. Gerade deren Schulterblätter taugen nämlich als guter Ersatz für menschliche Schädelknochen, raten Gerichtsmediziner. Und für den Fall, dass sich die Schießkünste der Wissenschaftler als zu bescheiden herausstellen sollten, arrangierten sie ein zweites Experiment mit einer mechanischen Schussvorrichtung im Labor.
Im Jahr 2003 schließlich untersuchte der Anthropologe Martin Smith von der Universität Birmingham Schnittwunden an Knochenfunden aus dem Hügelgrab von West Tump im englischen Gloucestershire. Eigentümliche Spuren an einem der Schädel ließen ihn ebenfalls an eine Pfeilwunde denken: Irgendetwas musste den Schädel durchdrungen haben. Aber hier fand sich keine passende Spitze – weder in unmittelbarer Nähe, noch im Knochen selbst.
Nun gehört es eigentlich zur Routine archäologischer Ausgrabungen, Verletzungen an den Knochen auf ihre Herkunft zu untersuchen. Charakteristische Schnittwunden in Knochen dokumentieren zum Beispiel, wo Feuersteinmesser zum Einsatz kamen, und bisweilen auch, welchen makaber anmutenden Umgang unsere Vorfahren mit ihren Verstorbenen pflegten: Die Belege reichen hier vom Häuten und Köpfen der Toten zu kultischen Zwecken bis hin zum gelegentlichen Kannibalismus. Auch Knochen toter Tiere dienen Wissenschaftlern als Informationsquelle über das steinzeitliche Jagd- und Kochverhalten.
Bei Pfeilwunden liegt der Fall allerdings anders, fand Smith. Beinahe immer musste – wie bei Ötzi – ein bestimmtes Projektil mit der Wunde in Verbindung gebracht werden, damit Archäologen dies in den Fundberichten auswiesen. Auch eine umfassende Literatursuche brachte ihn nicht weiter: Brauchbare medizinische Abhandlungen bezogen sich entweder auf moderne Schusswaffen oder stammten noch aus dem 19. Jahrhundert – aus der Zeit der amerikanischen Indianerkriege.
Mit seinen Kolleginnen Megan Brickley und Stephany Leach machte er deshalb die Probe aufs Exempel: Wie genau sieht eigentlich eine Pfeilwunde aus, und woran erkennt man die Spur einer Feuersteinspitze im Knochen? Mit einer möglichst authentischen Jagdausrüstung aus Pfeilen und einem Langbogen aus Eibe – beides hatte ihnen ein Experte in der keineswegs trivialen Herstellung solcher Geräte angefertigt – schossen sie deshalb auf Schweine- und Ochsenknochen. Gerade deren Schulterblätter taugen nämlich als guter Ersatz für menschliche Schädelknochen, raten Gerichtsmediziner. Und für den Fall, dass sich die Schießkünste der Wissenschaftler als zu bescheiden herausstellen sollten, arrangierten sie ein zweites Experiment mit einer mechanischen Schussvorrichtung im Labor.
Zwei wesentliche Merkmale gibt es, fanden die Forscher, an denen man eine Pfeilwunde erkennt: In so gut wie allen Fällen lassen die Steinspitzen, auch wenn sie herausgefallen waren, mikroskopisch kleine Splitter zurück. Und zweitens wölbt das eingedrungene Projektil die Knochen an der Austrittsstelle, zum Beispiel im Schädelinnern, nach außen. Es entsteht eine meist abgesplitterte, schräge Wundkante. Exakt dies war es, was Smith Jahre zuvor beim Schädel von West Tump beobachtet hatte.
Rutschte der Pfeil im Experiment an den Knochen ab, traten Spuren auf, die im Raster- Elektronenmikroskop den bekannten Ritzungen mit Feuersteinmessern zum Verwechseln ähnlich sahen. Möglich sei es daher, meint Smith, dass in der Vergangenheit Funde fehlinterpretiert wurden. An den seltsamen Totenpraktiken unserer Vorfahren zweifelt er dennoch nicht: Gegenüber Schnitten beim planmäßigen Häuten und Ausweiden heben sich Schusswunden durch ihre eher zufällige Lage ab.
Übrigens ist Smith beileibe nicht der erste, der sich mit nachgebauten Pfeilen und Bogen auf die Jagd nach Erkenntnissen machte. Vor allem auf deren – wie sich herausstellte recht hohe – Effektivität und Praxistauglichkeit hatten es frühere Experimentatoren meist abgesehen und schreckten auch vor ungewöhnlichen Maßnahmen nicht zurück: Aus einem offenkundigen Mangel an lebenden Mammuts schoss in den 1980er Jahren der Anthropologe George Frison seine Steinspitzenpfeile kurzerhand auf im Sterben liegende Elefanten ab.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.