Arktis: Profitieren Wale von der Eisschmelze?
In diesem Jahr wird es wohl keinen neuen Negativrekord beim arktischen Meereis geben: Noch bedeckt es durchschnittlich mehr Fläche als im bisherigen Spitzenreiterjahr 2012, als ein historischer Tiefststand seit Aufzeichnungsbeginn verzeichnet wurde. Doch während sich Klimaforscher über den seit Langem anhaltenden Schwund – gemittelt seit Ende der 1970er Jahre ein Verlust von zehn Prozent pro Jahrzehnt – und seine Folgen für das Weltklima sorgen, scheint eine Gruppe an Lebewesen davon zu profitieren. Zumindest in der Tschuktschen-See zwischen Sibirien und Alaska tummeln sich zunehmend Buckel-, Finn- und Zwergwale, so Sue Moore von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) in Seattle. In den letzten 30 Jahren mehrten sich demnach die Beobachtungen dieser drei Bartenwalarten stetig, während sie anfänglich kaum in der Region registriert worden waren. Sie gesellen sich damit zu den Grau- und Grönlandwalen, die hier traditionell den Sommer verbringen.
Parallel dazu ging die spätsommerliche Eisfläche in diesem Bereich des arktischen Meers um die Hälfte zurück, und das verbliebene Eis schrumpfte im Volumen um 75 Prozent. Zudem bleibt die Region fünf bis sechs Wochen länger offen, so dass sich die Wale dort aufhalten können. Die Eisschmelze habe die Lebensbedingungen für die Meeressäuger deutlich verbessert, so Moore: Die Räume wurden nicht nur zugänglich, gleichzeitig kann Sonnenlicht auch tiefer ins Wasser vordringen, was das Algenwachstum begünstigt. Davon ernährt sich wiederum das Zooplankton, und dieses fressen die Wale bevorzugt. Angetrieben wird der Biomassezuwachs zudem durch die verbesserte Nährstoffversorgung: Stürme können das freie Wasser aufwühlen und durchmischen, so dass das Plankton besser mit vorher unzugänglichen Nährelementen versorgt wird. Der reichhaltig gedeckte Tisch trage womöglich auch dazu bei, dass sich der durchschnittliche Gesundheitszustand der lokalen Grönlandwalpopulation in den letzten 25 Jahren deutlich verbessert habe, folgert die Biologin. Die Art gehört immer noch zu den stärker bedrohten Großwalen.
Unklar bleibt jedoch, welchen Anteil an den steigenden Walzahlen das schwindende Eis ausmacht und was auf Jagdverbote zurückgeht: Bis in die 1970er Jahre gehörte die UdSSR zu den größten Walfängern der Erde; ihre Flotte erlegte hunderttausende Wale, was die Bestände entsprechend dezimierte. Die USA jagten dagegen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in industriellem Maßstab – nur noch einigen indigenen Völkern war es gestattet, die Meeressäuger für den Eigenbedarf zu töten.
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