Solarbetriebene Proteinproduktion: Mit Bakterien schonend die Welt ernähren
Mit Proteinen, die aus Einzellern wie etwa Bakterien gewonnen werden, ließe sich die Ernährung der Welt künftig umweltfreundlicher und ressourcenschonender gestalten als mit Pflanzen. Eine solarbetriebene Bakterienfarm mit einem Hektar Fläche liefert ausreichend Proteine, um theoretisch 520 Menschen ein Jahr lang zu ernähren, ergab die Berechnung eines Teams um Dorian Leger von der Universität Göttingen. Ein Hektar Sojabohnen produziert dagegen nur Proteine für 40 Menschen.
Für ihren Beitrag im Fachmagazin »PNAS« haben Leger und Team betrachtet, welchen Energie- und Platzbedarf eine Bakterienzucht hat, die mit Sonnenenergie und Molekülen aus der Umgebung das Futter für ihre Mikroben herstellt. Dabei könnte es sich beispielsweise um fotovoltaisch erzeugten Wasserstoff oder Methanol handeln. Darüber hinaus versuchten sie, sämtliche Energieflüsse im System zu erfassen, die zusätzlich anfallen, unter anderem für das Durchmischen der Flüssigkeiten oder das Aufbereiten und Trocknen des Endprodukts, aber auch für Düngemittel.
Dabei zeigte sich ein bedeutender Vorteil gegenüber klassischer Landwirtschaft, selbst wenn sie die effizientesten Feldfrüchte zum Vergleich antreten ließen – wie Sojabohnen oder Zuckerrüben. Sogar in Regionen mit nur geringer Sonneneinstrahlung lassen sich Systeme konstruieren, die pro Flächeneinheit mehr Kalorien oder Proteine erzeugen als der Ackerbau. Seine eigentlichen Stärken spielt das Verfahren den Daten nach allerdings in stärker sonnenbeschienenen Gegenden aus.
Die Mikroorganismen könnten auch als Tierfutter eingesetzt werden. Weil sie dafür im Ganzen verarbeitet würden, steigt sogar noch die Ausbeute. Derzeit verbraucht gerade der Anbau des Futters für die Tierzucht große Mengen an Ackerland und Ressourcen. Auch Fischmehl ließe sich durch »Mikrobenmehl« ersetzen.
Tatsächlich werden bereits heute in kleinerem Maßstab Nahrungs- und Futtermittel aus Mikroorganismen gewonnen. Was für den menschlichen Konsum gedacht ist, kommt in den Supermarkt als Superfood (Spirulina-Algen) oder Fleischersatz (Quorn). Häufig stamme die dafür eingesetzte Energie aber aus nicht erneuerbaren Quellen oder aus der Landwirtschaft in Form von Zucker, schreibt das Team. Solche Systeme schneiden darum schlechter ab als jene, die primär auf Fotovoltaik basieren.
Umweltfreundlicher, aber noch zu teuer
In ihrem Paper stellt die Arbeitsgruppe noch weitere positive Seiten des Verfahrens heraus. Der Wasserverbrauch etwa sei um mehrere Größenordnungen geringer als beim klassischen Anbau auf dem Acker. Zudem lässt sich die eingesetzte Menge an Dünger, allen voran Stickstoff, so einstellen, dass kein Überschuss ins Abwasser gerät. Damit ließe sich das Problem einer Überdüngung vermeiden. Und nicht zuletzt könnte eine solche Anlage in Gegenden stehen, die für Landwirtschaft nicht geeignet sind, sprich: in Wüsten oder Städten. Im Gegenzug ließen sich einstige Monokulturen wieder zu hochwertigeren Ökosystemen renaturieren.
Um einen wirklich substanziellen Beitrag zur Ernährung der Menschheit zu liefern, müssten allerdings immer noch unrealistisch große Landflächen unter Solarmodulen verschwinden – zusätzlich zu jenen Flächen, die ohnehin bereits für Fotovoltaik gebraucht werden, um die Wirtschaft auf CO2-freie Energie umzustellen. Selbst mit effizienten Mikroorganismen werden die weltweite Fleischproduktion und der entsprechende Bedarf an Tierfutter sinken müssen.
Ein weiterer Nachteil des Verfahrens liegt auf der Hand: Solange es nur sehr wenige oder keine nachgefragten Möglichkeiten gibt, den Proteinextrakt in der Küche zu verwenden, wird ein solches Produkt nur wenige Abnehmer finden. Dem Einsatz als Tiernahrung steht der Preis entgegen. Leger und Team kalkulieren, dass er – noch ohne Anschaffungskosten – pro Kilogramm Protein vier- bis fünfmal höher liegt als bei Sojaprotein und doppelt so hoch wie bei Fischmehl. Allerdings ist der Vergleich nicht wirklich fair: So günstig können diese beiden umwelt- und klimaschädlichen Proteinquellen nur deshalb sein, weil die Folgekosten ihrer Produktion nicht von den Erzeugern, sondern von der Allgemeinheit getragen werden.
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