Psilocybin: Zauberpilze knüpfen neue Hirnnetzwerke
Psilocybin, der halluzinogen wirkende Stoff in »Zauberpilzen«, wird seit einiger Zeit unter ärztlicher Kontrolle als Therapie erprobt: Studien zufolge kann die Substanz womöglich Depressionen, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen und anderen psychiatrischen Erkrankungen lindern. Die Ursache dafür ist allerdings nicht genau verstanden. Eine neue Untersuchung deutet nun darauf hin, dass Psilocybin die Verbindungen zwischen Hirnbereichen verändert und die Funktion der neuronalen Netzwerke dabei neu ausrichtet. So könnte die Droge Menschen mit Depressionen helfen, bei denen andere Methoden bisher nicht anschlugen.
Für die aktuelle Studie, die im Fachblatt »Nature Medicine« erschienen ist, untersuchten die Forschenden um den britischen Psychologen und Neurowissenschaftler Robin Carhart-Harris von der University of California in San Francisco bei 59 Probanden, ob sich das Gehirn strukturell verändert, wenn Psilocybin zur Behandlung eingesetzt wird. Zur Auswertung verglichen sie Hirnscans von mit der Rauschdroge behandelten Patienten mit Aufnahmen von solchen, die stattdessen das Antidepressivum Escitalopram bekommen hatten.
Demnach erhöhte sich nur im Gehirn der mit Psilocybin therapierten Menschen die funktionale Konnektivität der neuronalen Netzwerke – wobei die Zunahme mit der Linderung der Symptome der Depression korrelierte, schreiben die Forscher. Bei den Teilnehmern der Kontrollgruppe waren keine solchen Gehirnveränderungen zu erkennen. Schon zuvor hatten klinische Studien belegt, dass der Wirkstoff aus den Pilzen schneller und nachhaltiger Depressionssymptome mindert.
Ebenso war bereits vermutet worden, dass die funktionelle Konnektivität – also die Art und Weise, wie die Hirnareale zusammenarbeiten – im Zuge einer Depression stark zurückgefahren wird. Psychedelika wie Psilocybin scheinen dem entgegenzuwirken, indem sie mehr und andere Verknüpfungen zwischen Hirnnetzwerken fördern. Womöglich erlaubt das Patienten neue Sicht- und Empfindungsweisen und einen frischen Umgang mit ihrer Situation, was der Heilung dienen kann.
»Die erhöhte funktionelle Verbindung könnte einer beschriebenen subjektiven erhöhten Flexibilität und emotionalen Entspannung entsprechen«, erklärte der klinische Pharmakologe Matthias Liechti, der nicht an der Studie beteiligt war, dem Science Media Center. Bemerkenswert sei zudem, dass »die akute subjektive angenehme Wirkung von Psilocybin sehr gut mit dem therapeutischen Effekt korreliert«. Unklar ist allerdings weiterhin, welche Rolle die beobachteten Hirnveränderungen bei der Wirkung genau spielen: Studien zufolge können auch andere Substanzen, die keine Psychedelika sind, ganz ähnliche Umbaumaßnahmen im Gehirn auslösen.
Die Neuropsychologin Katrin Preller von der Universität Zürich ergänzt, dass dringend noch größere Phase-III-Studien durchgeführt werden müssen, bevor Psychedelika zur Therapie von Depressionen zugelassen werden können. Ohne ärztliche oder psychologische Kontrolle werden »magic mushrooms« schon seit Langem konsumiert – etwa von indigenen Ethnien in Südamerika oder von interessierten Experten im Selbstversuch –, um Rauschzustände herbeizuführen. Vor allem psychisch labile Menschen sollten allerdings in keinem Fall selbst mit der Substanz experimentieren.
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