Psychosen: Mit Achtsamkeit gegen den Wahn
Achtsamkeitsübungen haben in den vergangenen Jahrzehnten eine steile Karriere in der Psychotherapie hingelegt – insbesondere bei der Bewältigung von Stress, Ängsten oder Depression. Allerdings beschränkt sich ihr Einsatzgebiet nicht darauf. Auch Menschen, die an einer psychotischen Störung wie einer Schizophrenie leiden, profitieren von den fernöstlich inspirierten Meditationstechniken. So lautet das Fazit einer neuen Übersichtsarbeit.
Die Psychologin Lyn Ellett von der University of Southampton fasste zehn Studien aus den Jahren 2013 bis 2023 zusammen, die jeweils bereits Metaanalysen waren, also Zusammenfassungen von zuvor publizierten Untersuchungen. In allen wurde der Einsatz von Achtsamkeit in der Behandlung psychotischer Patienten untersucht und der Effekt auf Wahnvorstellungen und andere psychotische Symptome gemessen.
In der Achtsamkeitsmeditation lernt man unter anderem, seine eigenen Gedanken und Gefühle zu beobachten und wahrzunehmen, diese aber nicht zu bewerten oder darauf zu reagieren. Die Dauer der Interventionen variierte in den Originalstudien zwischen 4 und 26 Sitzungen. In der Regel wurden die Übungen in einer Gruppe angeleitet, manchmal jedoch auch individuell. Achtsamkeit stand zwar im Mittelpunkt, wurde aber selten als alleinige Behandlung eingesetzt, sondern mit Bausteinen etwa aus der kognitiven Verhaltens- oder Schematherapie kombiniert.
Die vermeintlich sanfte Therapieform reduzierte in den allermeisten betrachteten Metaanalysen den Schweregrad psychotischer Symptome. Gegen die so genannten Negativsymptome half Achtsamkeit ebenfalls, darunter ein Mangel an Freude und anderen starken Gefühlen, ein verminderter Antrieb sowie Störungen des Denkens und der Motorik.
Damit sie gegen Wahnvorstellungen & Co eingesetzt werden können, müssen auf Achtsamkeit basierende Behandlungen allerdings in einigen Punkten angepasst werden, schreibt Ellett. So wird für Psychosepatienten eine kürzere Dauer der Übungen empfohlen, typischerweise zehn Minuten. Häufiger als üblich erfolgende Anweisungen dienen dazu, lange Phasen der Stille zu vermeiden. So sollen die Betroffenen davon abgehalten werden, in Grübeleien über psychotische Erlebnisse zu verfallen. Außerdem sollte man darauf hinweisen, dass psychotische Ideen und Erfahrungen als genauso normal zu betrachten sind wie andere – und darauf ebenso wenig reagiert werden darf. Dadurch können diese weniger bedrohlich und belastend wirken.
Allerdings sind noch Fragen offen, etwa wie effektiv zu Hause in Eigenregie durchgeführte Achtsamkeitsübungen bei Psychose sind. Zudem müsse noch weiter untersucht werden, wie häufig solche Interventionen bei Psychosebetroffenen Schaden anrichten oder kontraproduktiv sein können, so Ellett.
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