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Pterosaurier: Ultraleicht nach dem Fahrrad-Prinzip

Die Halswirbel der Pterosaurier waren fast völlig hohl. Gleichwohl hielten sie den gewaltigen Hebelkräften ihrer langen Hälse stand – dank zarter Speichen.
Pterosaurier

Die riesigen Pterosaurier des Erdmittelalters besaßen außergewöhnlich leichte Knochen. Ihre Halswirbel waren fast komplett hohl, dank knöcherner Streben aber dennoch belastbar. Dieser luftige und zugleich widerstandsfähige Aufbau erlaubte es den Flugsauriern, sich einen extrem langen Hals zu leisten, berichten Forscher um David Martill von der University of Portsmouth im Fachjournal »iScience«.

Flugsaurier (Pterosaurier) brachten die größten fliegenden Tiere hervor, die je gelebt haben. Die gewaltigsten Exemplare hatten Flügelspannweiten bis zu zwölf Meter und erreichten die Abmessungen eines Kleinflugzeugs. Auf dem Boden stehend waren sie so hoch wie heutige Giraffen; einen Menschen hätten sie um mehr als drei Meter überragt. Ihre Körpermasse lässt sich nur schätzen, die größten brachten vermutlich um die 250 Kilogramm auf die Waage. Trotzdem konnten sie fliegen.

Pterosaurier mit Beute | Künstlerische Darstellung eines Flugsauriers (Alanqa saharica), der ein Beutetier geschnappt hat.

Besonders markant an den Tieren war ihr Hals, der zweieinhalb Meter messen konnte und damit länger war als der von Giraffen. Obendrauf saß ein riesiger Schädel mit gewaltigem Schnabel; zusammen mit dem Hals machte er oft drei Viertel der gesamten Körperlänge aus. Forscher fragen sich schon seit Langem, wie dieser Körperbau biomechanisch möglich war – schließlich muss er enormen Hebelkräften ausgesetzt gewesen sein, zumal wenn die Tiere jagten oder durch die Lüfte glitten. Und wie blieben Pterosaurier trotz ihrer gigantischen Ausmaße relativ leicht und flugfähig?

Das Team um Martill hat jetzt einen fossilen Flugsaurier-Halswirbel untersucht, der aus dem marokkanisch-algerischen Grenzgebiet stammt – gefunden in alten Flusssedimenten, die zahlreiche Überreste solcher Tiere bergen. Das Fossil gehört wahrscheinlich zu einem Pterosaurier der Gattung Alanqa und ist so gut erhalten, dass die Forscher seine innere Struktur millimetergenau mit Computertomografie aufklären konnten. Dabei zeigte sich ein ungewöhnlicher Aufbau. Der Halswirbel war röhrenförmig gestreckt, hatte rund sechs Zentimeter Durchmesser und eine millimeterdünne Wand. Mitten durch ihn hindurch verlief eine zweite schmalwandige Knochenröhre, die das Rückenmark enthielt. Zarte Knochenbälkchen, kaum dicker als ein Millimeter und wie Fahrradspeichen angeordnet, verbanden die beiden Röhren miteinander.

Halswirbel eines Flugsauriers | Grafischer Querschnitt durch den Halswirbel eines Flugsauriers, basierend auf computertomografischen Untersuchungen. Mitten durch den Wirbel verläuft eine dünne knöchernde Röhre, die das Rückenmark enthielt. Feine Knochenbälkchen, die wie Fahrradspeichen angeordnet sind, verbinden die beiden.

Mit Computermodellen berechneten die Forscher, die tragfähig das Ganze war. Das Ergebnis: Schon wenige Knochenbälkchen – 50 pro Wirbelkörper – machten die Struktur um 90 Prozent widerstandsfähiger gegenüber Knickbelastungen. Weitere Bälkchen hinzuzufügen, brachte kaum Stabilitätsgewinn. Obwohl der Knochen also fast völlig hohl war, erreichte er dank seiner inneren Verstrebungen eine hohe Belastbarkeit. »Es scheint, dass diese Struktur […] viele biomechanische Probleme ausräumte und die Tiere dazu befähigte, massige Köpfe – größer als 1,5 Meter – auf Hälsen zu tragen, die länger als die der heutigen Giraffen waren, und trotzdem aktiv fliegen zu können«, sagt Martill.

Ein Häppchen von 13 Kilogramm

Die Berechnungen sagen auch etwas darüber aus, wie schwer Beutetiere maximal sein durften, damit der Flugsaurier sie packen und hochheben konnte, ohne sich dabei den Hals zu brechen. Laut den Gleichungen durfte ihre Masse etwa 13 Kilogramm nicht überschreiten. Allerdings ist dieser Wert sehr unsicher, da er lediglich die Belastbarkeit des Knochens berücksichtigt, und selbst das nur unter zahlreichen Vereinfachungen. Über die Eigenschaften des unterstützenden Muskel- und Bindegewebes weiß man nichts, da sie nicht erhalten sind.

Solange sich Pterosaurier am Boden aufhielten, bewegten sie sich vierbeinig und nutzten ihre zusammengefalteten Flügel zum Laufen und Springen. Einige Forscher vermuten, dass sie wie heutige Storchenvögel durch die Landschaft stakten und diversen Beutetieren nachstellten, zu denen kleinere Säuger und Reptilien gehörten und vielleicht auch junge Dinosaurier. Um sich in die Lüfte zu erheben, stießen sie sich wohl erst mit den Hinter- und dann mit den Vordergliedmaßen ab, wie mathematische Modelle zeigen. Die Sehnen und Knochen ihrer Vorderextremitäten funktionierten dabei anscheinend wie ein Katapult, das sie trotz ihrer großen Masse in die Höhe schleuderte.

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