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Messtechnik: Quantenblick auf Biowärme

Fieber messen ist nicht so einfach, wenn es um die Temperatur von Organen und Geweben geht, die nicht an der Oberfläche liegen. In solchen Fällen kann die Überlagerung von Quantenzuständen benachbarter Moleküle helfen.
Manche mögen's heiß, andere nicht. Nach diesem einfachen Grundsatz handelt beispielsweise die Krebsmedizin, wenn sie gezielt Tumoren erhitzt und damit entartete Zellen abtötet oder spezielle Träger von Medikamenten veranlasst, ihre wirkende Ladung abzugeben. Eine erfolgreiche und schonende Therapie, die umso besser funktioniert, je genauer der behandelnde Arzt bestimmen kann, wo das Gewebe heiß wird und welche Temperatur es erreicht hat. Ohne dafür eine Sonde einzusetzen, versteht sich. Die Messung muss nichtinvasiv erfolgen, also von außen und durch all jene Zellschichten hindurch, die für die Behandlung keine Rolle spielen. Sozusagen Fieber messen mit Hindernissen – sehr schwierigen Hindernissen.

Magnetbild von Hitzetherapie | Ein Tumor (hellerer Bereich rechts oberhalb der Bildmitte) hat den Wadenmuskel befallen und wird mit Hitze behandelt. Dieser Querschnitt entstand mit konventioneller Messung der magnetischen Resonanz. Die Temperatur ist farblich kodiert dargestellt – je heller, umso wärmer ist das Gewebe. In diesem Fall liegt die Temperatur des Tumors um 6 Grad Celsius über dem Normalwert.
Bekannt für einen schonenden Blick in den Körper sind seit vielen Jahren starke Magnetfelder beziehungsweise deren schwache Veränderungen durch die Moleküle der Zellen. Im Prinzip liefern sie auch Informationen über die Temperatur in der Tiefe, in der Praxis gestalten sich die Messungen und die Auswertung der Daten allerdings recht schwierig, denn gerade weil die Effekte so empfindlich sind, werden sie auch leicht von Störeffekten verzerrt. Schon kleine Bewegungen oder lokal aufgehitzte Bereiche verformen das durchdringende Magnetfeld. Und manche Gewebe, wie etwa Fette, sperren sich überhaupt gegen die magnetische Durchleuchtung. Genaue Werte erhält man so nicht.

Die Methode muss folglich robuster und universeller werden. Ein Ziel, dem Forscher um Warren S. Warren von der Duke University nun einen großen Schritt näher gekommen sind. Das Team setzt bei seinem Verfahren, das es mit der Abkürzung HOT (für Homogenized with Off-resonance Transfer) versehen hat, auf die quantenphysikalischen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Molekülsorten. Angestoßen von Pulsen in der passenden Frequenz klappen Wassermoleküle ihre magnetischen Spins nach oben, während gleichzeitig benachbarte Fettmoleküle ihre Spins nach unten ausrichten. Insgesamt betrachtet ändert sich der Spinzustand dadurch also nicht, was einen Großteil der Störungen eliminiert. Da aber nicht beide Molekülsorten auf die gleiche Anregungsfrequenz ansprechen und der Unterschied von der Temperatur abhängt, gibt es zwei magnetische Echos, aus denen sich die absolute Temperatur errechnen lässt.

Etwa zwei Minuten hat so eine Messung in den Probeexperimenten der Wissenschaftler gedauert. Genug für sehr zuverlässige, aber ein wenig ungenaue Resultate. So waren die Temperaturen, die sie an einem Modell aus Fett und Wasser ermittelten, nur auf ein halbes bis zwei Grad Celsius genau. Dafür erkannte HOT immerhin, dass der Körper durchgängig gleich warm war. Die konventionellen magnetischen Temperaturmessungen wollten hingegen einen starken Gradienten ausgemacht haben, den es jedoch in Wirklichkeit nicht gab.

Auch einen Einsatz am lebenden Objekt hat HOT bereits durchlaufen. Dazu verfolgte des Team die Entwicklung der Körpertemperatur einer fettleibigen Maus, die in einem temperierten Wasserbad schwamm. Tatsächlich stimmten die Werte gut mit den rektal gewonnenen Daten überein. Ein Experiment, das nah an der klinischen Realität angesiedelt ist, denn fettleibige Mäuse gelten als ein gutes Tiermodell für Brustgewebe.

Mit den HOT-Messungen könnte demnach bald ein blinder Fleck in unserem diagnostischen Blick in den Körper gefüllt sein. Und nicht nur dort. Auch in der chemischen Katalyse und Verfahrenstechnik wird man sich bestimmt über zuverlässige Angaben zur Verteilung von Wärmeenergie in den Ansätzen freuen. Denn auch dort stößt man mit bei den Kolben und Reaktoren mit einem herkömmlichen Thermometer schnell an praktische Grenzen.
  • Quellen
Warren, W. S. et al.: Accurate Temperature Imaging Based on Intermolecular Coherences in Magnetic Resonance. In: Science 322, S. 421–424, 2008.

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