Quantenfluktuationen: Teilchen entstehen blitzschnell aus dem Nichts
Wenn man ein Vakuum mit starken elektrischen Feldern durchzieht, entstehen Teilchen. Das passiert aber nicht sofort, sondern dauert ein wenig. Nun haben Matthias Diez und Reinhard Alkofer von der Universität Graz sowie Christian Kohlfürst vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf berechnet, wie schnell die Teilchen aus dem Nichts hervorgehen. Damit klären sie eine offene Frage aus der theoretischen Physik.
Im leeren Raum schwirren ständig »virtuelle« Paare von Elektronen und ihren Antiteilchen, den Positronen, umher. Der Begriff virtuell bedeutet: Normalerweise vernichten sich beide sofort wieder, bevor sie zu realen Partikeln werden. Eigentlich existieren diese Teilchen deswegen nur mathematisch auf kleinsten zeitlichen und räumlichen Skalen in Form von Quantenfluktuationen. Ein starkes elektrisches Feld könnte aus den mathematischen Objekten allerdings Wirklichkeit werden lassen. Denn Elektronen und Positronen sind geladen, und die virtuellen Paare richten sich in einem Feld wie winzige Dipole aus. Ist das Feld intensiv genug, würde es dieses Gespann regelrecht auseinanderreißen, bevor sich Elektron und Positron wieder vernichten können. Das Phänomen heißt Schwinger-Effekt, nach dem späteren Nobelpreisträger Julian Schwinger, dem 1951 eine theoretische Beschreibung gelang.
Dazu muss das elektrische Feld allerdings enorm intensiv sein. Deswegen ist es in Experimenten bis heute noch nicht gelungen, virtuelle Teilchen in reale Schwinger-Paare zu verwandeln. Doch mit Hochleistungslasern tasten sich Forschungsgruppen auf der ganzen Welt allmählich an die nötigen Energiedichten heran. Damit wollen sie die Vorhersagen der Quantenelektrodynamik überprüfen, die als fundamentale Theorie derartige Prozesse beschreibt. Zwar geht es dabei um enorme Energien, aber die Paarproduktion in elektrischen Feldern spielt in vielen Bereichen der Physik eine wichtige Rolle, von Vorgängen in Festkörpern über die extremen Bedingungen im Umfeld Schwarzer Löcher und anderer astrophysikalischer Objekte bis hin zur Plasmaphysik, die bei der Entwicklung von Fusionskraftwerken zentral ist.
Doch für Anwendungen braucht es robuste Vorhersagen, und beim Schwinger-Effekt war ein Detail bislang offen: Wie schnell entstehen die Teilchen überhaupt? Bei dieser grundsätzlichen Frage, so schreiben Diez, Alkofer und Kohlfürst in ihrer Veröffentlichung, ginge es einerseits darum, wie wir Zeit auf der Quantenskala überhaupt interpretieren, andererseits könnte sich das konkret »auf alle Forschungsbereiche auswirken, bei denen es um die Geburt von Quasiteilchen geht«.
Für ihre theoretische Berechnung entwickelten die drei Physiker ein vereinfachtes Modell in weniger Dimensionen, bei dem es ihnen leichter fiel, den Moment der Trennung der beiden Ladungen zu identifizieren. Zusätzlich zu den virtuellen und den realen Teilchen in den üblichen theoretischen Beschreibungen führten sie hilfsweise eine dritte Art von Teilchen ein: Präteilchen (pre-particles), deren Schicksal es gewissermaßen ist, zu echten Teilchen zu werden. Das half dabei, unbedeutende Signale auszusortieren, die durch andere Quantenfluktuationen oder durch Fluktuationen des elektrischen Felds selbst entstehen. Die Präteilchen werden im starken Feld rasch beschleunigt und schlagen sich bald als eindeutiges Signal nieder – als reales Teilchen.
Auf die Weise errechneten Diez, Alkofer und Kohlfürst eine Zeitskala, auf der sich Elektron und Positron materialisieren. Wegen der extrem starken elektrischen Felder ist die Zeit entsprechend winzig und liegt im Bereich von Billionsteln einer milliardstel Sekunde. Das klingt so, als wäre das praktisch unbedeutend klein, doch es ist vor allem: eine konkrete Vorhersage. Nun muss sich zeigen, ob sie sich bei Experimenten mit Hochleistungslasern irgendwann im Labor bestätigen lässt.
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