Biophysik: Quantenphysik hält Einzug in die Biochemie
Enzyme sind die schuftenden Arbeiter in der chemischen Wunderwelt lebender Zellen - sie machen Reaktionen möglich, die sonst so gut wie gar nicht ablaufen würden. Dazu bedienen sie sich offenbar quantenphysikalischer Effekte, die vor kurzem kaum jemand in der Biologie erwartet hätte.
Wer Leben schaffen will, muss zaubern können. Wo Tausende oder gar Millionen verschiedenster chemischer Substanzen auf engsten Raum zusammengepfercht sind, gibt es ohne strengste Kontrolle allenfalls ein kurzes "Puff!" – und die Zellbiologie ist am Ende, bevor sie begonnen hat. Also hat die Natur reihenweise Sicherheitsmaßnahmen eingeführt: Besonders gefährliche oder gefährdete Vorgänge hat sie in eigene Räumlichkeiten eingesperrt, die auf wohlklingende Zungenbrechernamen wie Mitochondrien, Peroxisomen und Nukleus hören. Und was sich annähernd frei im Gewühle des Zellkörpers bewegen darf, ist oft chemisch so gehemmt, dass es freiwillig bei gar keiner Umsetzung mitmacht.
Damit in der Zelle dennoch die lebenswichtigen Prozesse ablaufen – und das auch noch im richtigen Maße –, gibt es die Enzyme. Diese fleißigen Arbeiter zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus, mit denen sie ideal ihrer heiklen Aufgabe nachkommen: Sie sind so gebaut, dass nur genau passende Substanzen in ihre kritischen Zonen gelangen, wo die chemischen Umsetzungen stattfinden. Als Katalysatoren machen sie Reaktionen möglich, die ansonsten ungleich langsamer ablaufen würden, wenn überhaupt. Und sollte im Laufe der Stoffumwandlung eine weitere Substanz benötigt werden oder ein Abfallstoff zu entsorgen sein, kümmert sich das Enzym auch gleich um diese logistischen Angelegenheiten.
In akribischer Kleinarbeit haben Biochemiker die meisten dieser Arbeitsschritte verfolgt, analysiert und verstanden. Bis auf das eigentliche Geheimnis: Wie schaffen Enzyme es, die Reaktionsgeschwindigkeit heraufzusetzen? Mitunter um das Millionenfache!
Der Antwort ist die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten mit verbesserten Methoden ein gutes Stück näher gekommen. Strukturauflösende Verfahren lieferten die Position jedes einzelnen Atoms während verschiedener Phasen der Reaktion. Moleküldynamische Berechnungen lassen die Teilchen in verschiedenen Energiezuständen vibrieren. Und physikochemische Modelle simulieren die anziehenden und abstoßenden Kräfte im Herzen der Enzyme. Was dabei herauskam und nun von der Arbeitsgruppe um David Leys vom Manchester Interdisciplinary Biocentre an einem konkreten Beispiel belegt wurde, dürfte zukünftige Auflagen von Lehrbüchern der Biochemie und Zellbiologie um ein interessantes Kapitel erweitern: Enzyme betreiben angewandte Quantenphysik!
Die Momentaufnahmen der Reaktion, die Leys und seine Kollegen beobachtet haben, zeigen, wie das Enzym aromatische Amindehydrogenase ein Proton von der Substanz Tryptamin, die sie umwandeln will, übernimmt. Doch nach klassischer Vorstellung müsste diese Übernahme unmöglich sein, denn die Energiebarriere für den Schritt ist einfach zu hoch. Erst wenn man einen quantenphysikalischen Effekt zulässt, wird das Unmögliche möglich – das Proton muss durch die Barriere tunneln.
Dahinter steckt die Vorstellung, dass Protonen bei genauer Betrachtung keine richtigen Teilchen sind, sondern zu einem guten Teil auch den Charakter einer Welle haben. Eine Welle ist jedoch nicht im gleichen Maße auf einen bestimmten Ort fixiert wie ein Teilchen – sie erstreckt sich mit geringer werdenden Intensitäten auch auf Bereiche, in welche ein Teilchen nicht gelangen könnte. Ähnlich wie Schallwellen durch eine Mauer dringen können, was ein Tennisball nicht schafft, vermag die Teilchenwelle sich auf der anderen Seite der Energiebarriere im Enzym aufzuhalten. Und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verlagert sie plötzlich ihr Zentrum an diese Stelle – das Teilchen ist auf einmal dort, wo es ohne Tunneleffekt gar nicht sein könnte. Das Proton ist quantenphysikalisch getunnelt.
Wie groß die Wahrscheinlichkeit für diesen Wechsel ist, hängt vom Abstand zwischen Start- und Zielpunkt sowie der Höhe der Barriere ab. Für die Distanz haben die Forscher etwa 0,06 Milliardstel Meter errechnet – weniger als ein mittlerer Atomdurchmesser. Dennoch waren kleinräumige Bewegungen des Enzyms und seines Substrats nötig, um alle beteiligten Gruppen kurzzeitig in eine günstige Position zu bringen. Für Millisekunden war die Barriere niedrig genug, um dem Tunneleffekt eine gute Chance zu verschaffen. Womit gezeigt wäre, dass kleine zufällige Bewegungen der Moleküle ausreichend sein können, damit die Quantenphysik wirken kann.
So wachsen bei der Erforschung der Zelle die drei klassischen Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik, die einst geteilt wurden, um den Überblick in der Vielfalt natürlicher Phänomene zu behalten, wieder zu einer engen Zweckgemeinschaft zusammen. Für die Weite des Horizonts junger Biologen, die sich nun ernsthaft mit den Absonderlichkeiten der Quantenwelt auseinandersetzen müssen, und junger Physiker, denen zukünftig das scheinbare Chaos biologischer Systeme als interessantes Forschungsfeld lacht, ist diese Entwicklung sicherlich zu begrüßen. Die Natur jedenfalls hat niemals zwischen getrennten Disziplinen unterschieden.
Damit in der Zelle dennoch die lebenswichtigen Prozesse ablaufen – und das auch noch im richtigen Maße –, gibt es die Enzyme. Diese fleißigen Arbeiter zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus, mit denen sie ideal ihrer heiklen Aufgabe nachkommen: Sie sind so gebaut, dass nur genau passende Substanzen in ihre kritischen Zonen gelangen, wo die chemischen Umsetzungen stattfinden. Als Katalysatoren machen sie Reaktionen möglich, die ansonsten ungleich langsamer ablaufen würden, wenn überhaupt. Und sollte im Laufe der Stoffumwandlung eine weitere Substanz benötigt werden oder ein Abfallstoff zu entsorgen sein, kümmert sich das Enzym auch gleich um diese logistischen Angelegenheiten.
In akribischer Kleinarbeit haben Biochemiker die meisten dieser Arbeitsschritte verfolgt, analysiert und verstanden. Bis auf das eigentliche Geheimnis: Wie schaffen Enzyme es, die Reaktionsgeschwindigkeit heraufzusetzen? Mitunter um das Millionenfache!
Der Antwort ist die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten mit verbesserten Methoden ein gutes Stück näher gekommen. Strukturauflösende Verfahren lieferten die Position jedes einzelnen Atoms während verschiedener Phasen der Reaktion. Moleküldynamische Berechnungen lassen die Teilchen in verschiedenen Energiezuständen vibrieren. Und physikochemische Modelle simulieren die anziehenden und abstoßenden Kräfte im Herzen der Enzyme. Was dabei herauskam und nun von der Arbeitsgruppe um David Leys vom Manchester Interdisciplinary Biocentre an einem konkreten Beispiel belegt wurde, dürfte zukünftige Auflagen von Lehrbüchern der Biochemie und Zellbiologie um ein interessantes Kapitel erweitern: Enzyme betreiben angewandte Quantenphysik!
Die Momentaufnahmen der Reaktion, die Leys und seine Kollegen beobachtet haben, zeigen, wie das Enzym aromatische Amindehydrogenase ein Proton von der Substanz Tryptamin, die sie umwandeln will, übernimmt. Doch nach klassischer Vorstellung müsste diese Übernahme unmöglich sein, denn die Energiebarriere für den Schritt ist einfach zu hoch. Erst wenn man einen quantenphysikalischen Effekt zulässt, wird das Unmögliche möglich – das Proton muss durch die Barriere tunneln.
Dahinter steckt die Vorstellung, dass Protonen bei genauer Betrachtung keine richtigen Teilchen sind, sondern zu einem guten Teil auch den Charakter einer Welle haben. Eine Welle ist jedoch nicht im gleichen Maße auf einen bestimmten Ort fixiert wie ein Teilchen – sie erstreckt sich mit geringer werdenden Intensitäten auch auf Bereiche, in welche ein Teilchen nicht gelangen könnte. Ähnlich wie Schallwellen durch eine Mauer dringen können, was ein Tennisball nicht schafft, vermag die Teilchenwelle sich auf der anderen Seite der Energiebarriere im Enzym aufzuhalten. Und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verlagert sie plötzlich ihr Zentrum an diese Stelle – das Teilchen ist auf einmal dort, wo es ohne Tunneleffekt gar nicht sein könnte. Das Proton ist quantenphysikalisch getunnelt.
Wie groß die Wahrscheinlichkeit für diesen Wechsel ist, hängt vom Abstand zwischen Start- und Zielpunkt sowie der Höhe der Barriere ab. Für die Distanz haben die Forscher etwa 0,06 Milliardstel Meter errechnet – weniger als ein mittlerer Atomdurchmesser. Dennoch waren kleinräumige Bewegungen des Enzyms und seines Substrats nötig, um alle beteiligten Gruppen kurzzeitig in eine günstige Position zu bringen. Für Millisekunden war die Barriere niedrig genug, um dem Tunneleffekt eine gute Chance zu verschaffen. Womit gezeigt wäre, dass kleine zufällige Bewegungen der Moleküle ausreichend sein können, damit die Quantenphysik wirken kann.
So wachsen bei der Erforschung der Zelle die drei klassischen Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik, die einst geteilt wurden, um den Überblick in der Vielfalt natürlicher Phänomene zu behalten, wieder zu einer engen Zweckgemeinschaft zusammen. Für die Weite des Horizonts junger Biologen, die sich nun ernsthaft mit den Absonderlichkeiten der Quantenwelt auseinandersetzen müssen, und junger Physiker, denen zukünftig das scheinbare Chaos biologischer Systeme als interessantes Forschungsfeld lacht, ist diese Entwicklung sicherlich zu begrüßen. Die Natur jedenfalls hat niemals zwischen getrennten Disziplinen unterschieden.
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