Astronomie: Quarkmaterie lässt Supernova explodieren
Ein massereicher Stern mit mehr als acht Sonnenmassen explodiert am Ende seines Lebens in einer spektakulären Supernova. In der Regel kollabiert dabei der Sternkern zu einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch. Astronomen beobachten auch besonders schwere Neutronensterne mit zwei Sonnenmassen – doch bislang war unklar, wie diese entstehen. Nun haben Wissenschaftler einen möglichen Weg gefunden: Bei einem extrem massereichen Stern mit 50 Sonnenmassen ist die Last auf sein Inneres so hoch, dass er in einen exotischen Materiezustand übergehen kann, bei dem die Quarks – die Bausteine von Protonen und Neutronen, die in diesen normalerweise untrennbar verbunden sind – im Prinzip frei sind. Dieses Quark-Gluon-Plasma (QGP) setzt große Energiemengen frei und lässt auch sehr schwere Neutronensterne mit einem Quarkkern zurück. Zu diesem Schluss kommen Tobias Fischer von der Universität Breslau und seine Koautoren, die die Resultate ihrer Computersimulationen nun in »Nature Astronomy« veröffentlicht haben.
Die Masse ist die entscheidende Größe, die über das Schicksal eines Sterns bestimmt – auch über Ausmaß, Helligkeit und Abklingen der finalen Sternexplosion. Astrophysiker untersuchen die Vielfalt der Möglichkeiten mit Computerprogrammen. Diese gestatten Einblicke in die komplexen Vorgänge, die im Sterninnern vermutlich ablaufen. Schon lange ist den Wissenschaftlern klar, dass die Materie bei den extremen Dichten »neutronisiert« wird – die negativ geladenen Elektronen verschmelzen dabei mit den positiv geladenen Protonen zu Neutronen. Dabei entstehen zusätzlich Neutrinos. Der Sternkern sendet so viele dieser normalerweise kaum wechselwirkenden Teilchen aus, dass sie unter diesen extremen Umständen sogar eingefangen werden und so die Supernova anschieben.
Drückt man die Materie noch weiter zusammen – wir reden hier von mehrfacher Kernmateriedichte, also mehr als 250 Milliarden Kilogramm pro Kubikzentimeter oder etwa dem Äquivalent eines Bergmassivs im Volumen eines Schnapsglases –, dann wandelt sich die Neutronenflüssigkeit in eine »Quarksuppe« um, das QGP. Neutronen bestehen aus Up- und Down-Quarks, die von Gluonen zusammengehalten (englisch: to glue, kleben) werden. Bei extremen Dichten verschwinden die Neutronen, und die Quarks und Gluonen schwimmen quasi frei in einem plasmaartigen Zustand.
Dass das nicht nur graue Theorie ist, haben Physiker am Relativistic Heavy Ion Collider RHIC im Jahr 2004 gezeigt. In dem Teilchenbeschleuniger schossen sie schwere Goldionen aufeinander und konnten für Sekundenbruchteile das QGP herstellen. Kosmologen vermuten diesen Materiezustand auch in Phasen kurz nach dem Urknall.
Die Physiker um Fischer haben nun einen Computer mit den Gleichungen gefüttert, die den Übergang von normaler in Quarkmaterie beschreiben. Dann simulierten sie Explosionen von Sternen mit 12, 18, 25 und 50 Sonnenmassen. Modelle ohne den Quarkmaterie-Übergang enden in einem Kollaps auf ein Schwarzes Loch. Mit der neuen Gleichung kann der Kollaps zum Loch verhindert werden. Denn der Übergang zur Quarkmaterie setzt große Wärmemengen frei und treibt eine überschallschnelle Stoßwelle an, welche die Explosion auslöst. Danach bleibt ein Neutronenstern mit einem Quarkmateriekern übrig – ein so genannter Hybridstern. Bei der Geburt wiegt er die gewünschten zwei Sonnenmassen.
In einem weiteren Schritt berechneten die Forscher auch die Lichtkurven der Supernovae, also wie sich die Helligkeit des Ausbruchs mit der Zeit entwickelt. Die Menge von Nickel ist dabei maßgeblich: Je mehr davon im Kollaps produziert wurde, umso heller ist die Supernova. Der radioaktive Zerfall des Elements im Lauf von Wochen und Monaten sorgt dafür, dass auch die Lichtkurve mit der Zeit abklingt. Bei einem gewöhnlichen blauen Überriesen gibt es nur kleine Mengen Nickel, so dass der Helligkeitsausbruch schwach bleibt. Wenn allerdings das neu ausgeworfene Material mit solchem kollidiert, das zuvor herausgeschleudert wurde, dann sehen die Astronomen die Lichtkurve einer leuchtkräftigen Supernova. So konnten die Wissenschaftler sowohl sehr spezielle Sternexplosionen wie die Supernova 1987A erklären als auch extrem leuchtkräftige Supernovae.
Astroteilchenphysiker können auch die Supernova-Neutrinos messen. Sie sind schwer nachweisbar, und bei großen Entfernungen kommt nur noch ein Bruchteil auf der Erde an. Bei der Supernova 1987A gingen nur eine Hand voll ins Netz. Fischer und seine Kollegen sagen zwei »Neutrinoblitze« voraus: Der erste kommt durch den Gravitationskollaps und die Neutronisierung zu Stande und besteht aus Elektron-Neutrinos – das war schon vorher bekannt. Doch es soll auch einen zweiten »Antineutrinoblitz« geben, der von der Stoßwelle ausgelöst wird, aber bislang nie beobachtet wurde. Der zeitliche Unterschied zwischen beiden Blitzen erlaubt Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Quarkmaterie.
Bisher basieren die aufwändigen Computersimulationen auf einem vereinfachten Modell. Die Forscher wollen das nun auf mehr Dimensionen ausbauen und weitere Effekte wie Konvektion und Instabilitäten berücksichtigen. Fischer und seine Kollegen erwarten allerdings, dass das Szenario im Wesentlichen gültig bleibt.
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