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Röntgen-Astronomie: Quelle für Röntgenstrahlung in der Milchstraße gefunden

Vor etwa 25 Jahren entdeckten Wissenschaftler eine diffuse Röntgenstrahlung in unserer Milchstraße. Eine ganze Generation von Astronomen hat sich seiter über den Ursprung dieser Strahlung den Kopf zerbrochen. Jetzt gelang es einer Forschergruppe, das Rätsel zu lösen.

Mikhail Revivntsev vom Exzellenzcluster Universe an der TU München und seine Kollegen konnten erstmals nachweisen, dass ein Großteil der geheimnisvollen Strahlung nicht aus einer einzigen großen Quelle stammt, sondern aus vielen kleinen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Weiße Zwerge und Sterne mit aktiver Korona die Röntgenstrahlen aussenden. Die Forschungsarbeit wird in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature veröffentlicht (30. April 2009, Vol. 458, Nr. 7242).
Die Röntgenstrahlenemission der Milchstraße | Dieses Röntgenbild entstand mit Hilfe des Rossi X-Ray Timing Explorer (RXTE) der NASA. Der vergrößerte Ausschnitt zeigt die etwa 2,6 Bogenminuten große Region, die mit dem Röntgensatelliten Chandra beobachtet wurde.


Im Weltall geht die energiereiche Röntgenstrahlung für gewöhnlich von sehr heißen Gasen in einem Temperaturbereich zwischen 10 und 100 Millionen Grad Celsius aus. Vor einem Vierteljahrhundert spürten Astronomen die Strahlung in der Umgebung der Milchstraßenebene auf, ohne eine plausible Erklärung dafür zu finden. Eigentlich ist genannte "Galactic Ridge X-ray Emission", kurz GRXE, typisch für ein stark aufgeheiztes, optisch dünnes Plasma.

Ein Gas mit diesen thermischen Eigenschaften würde allerdings sofort aus unserer Galaxie "wegfliegen". In dem Fall würde unsere Milchstraße ständig eine ungeheure Menge Energie verlieren und schließlich in sich zusammenfallen: Denn die vorhandenen Energiequellen – Sterne und Supernovae – in unserer Galaxie reichen nicht aus, um den Verlust wieder wettzumachen.

In einem weiteren Ansatz versuchten die Astronomen die GRX-Emission mit dem Zusammenstoß kosmischer Teilchen und dem interstellaren Medium (ISM) zu erklären; dies ließ sich aber nicht erhärten. In jüngerer Zeit zeigten Beobachtungen mit den Röntgensatelliten Rossi X-Ray Timing Explorer (RXTE) und Integral, dass die Röntgenemission der Milchstraße das gleiche Verteilungsmuster aufweist wie die Sterne. Seither vermuten Astronomen, dass ein großer Teil der GRXE von Einzelsternen produziert wird.

Diese Voruntersuchungen motivierten Revnivtsev und seine Kollegen zu genaueren Untersuchungen mit dem Röntgenteleskop Chandra. Als Testfeld wählten sie eine kleine Himmelsregion in der Nähe des Milchstraßenzentrums aus. "Das Areal ist etwa halb so groß wie der Mond und eignet sich sehr gut für unsere Messungen", erklärt Mikhail Revnivtsev. "Zum einen haben wir hier eine hohe GRXE-Intensität: Effekte extragalaktischer Röntgenemissionen lassen sich so minimieren. Zum anderen absorbiert das ISM an dieser Stelle nur geringe Strahlungsmengen, so dass man mit Chandra sogar schwache Einzelquellen nachweisen kann."
Die interstellare Absorption des Röntgenlichts | Das Röntgenlicht wird beim Durchgang durch Gas- und Staubmassen zwischen den Sternen absorbiert und dabei abgeschwächt. Das Untersuchungsgebiet der Autoren ist durch ein Quadrat gekennzeichnet.


Tatsächlich konnte Revnivtsevs Team einzelne GRXE-Quellen aufspüren. Dafür engten sie das Suchfeld auf einen Radius von rund 2,6 Bogenminuten ein – das entspricht etwa einem Sechstel des ursprünglichen Areals. In diesem Bereich arbeitet das Weltraumteleskop Chandra mit der größten Auflösung. Die Auswertung der Chandra-Aufnahme resultiert in 473 deutlich erkennbaren Punktquellen. Im nächsten Schritt konnte die Gruppe belegen, dass sich die Ergebnisse der untersuchten Region auf die gesamte Galaxie übertragen lassen.

Dafür untersuchten die Astronomen das Testareal mit Hilfe eines zweiten Teleskops: Das Spitzer-Observatorium nimmt Himmelsobjekte im nah-infraroten (NIR-) Bereich auf und misst die Verteilung von Sternmassen in unserer Galaxie. Die Astronomen setzten diese Messergebnisse in Relation zur GRXE-Helligkeit und verglichen den Wert mit dem bekannten GRXE/NIR-Verhältnis für die gesamte Galaxie. Die Werte des Testfeldes stimmten exakt mit dem Wert für die komplette Milchstraße überein. "Damit können wir die Untersuchungen eines kleinen Milchstraßen-Ausschnitts als repräsentativ für die gesamte Galaxie werten", freut sich Revnivtsev.

Bei den meisten der 473 Röntgenquellen handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Materie-sammelnde Weiße Zwerge und Sterne mit einer hohen Aktivität in ihrer äußersten Schicht, der Korona. Weiße Zwerge sind Überbleibsel erloschener massearmer Sterne wie zum Beispiel der Sonne. Häufig bilden die kalten Reststerne mit einem Partner ein Doppelsternsystem. In dieser Konstellation entzieht der Weiße Zwerg seinem größeren Begleiter Materie, bis es zu einer Supernova vom Typ Ia kommt.

Die Auflösung der diffusen GRXE-Wolke unserer Galaxie in einzelne Röntgenquellen hat weit reichende Konseqenzen für unser Verständnis einiger astrophysikalischer Phänomene. "Wir konnten nach 25 Jahren endlich das große Problem einer fehlenden Energiequelle in unserer Galaxie lösen", fasst Revnivtsev die aktuellen Ergebnisse zusammen. "Außerdem können wir die GRX-Emission als Eichwert für Variationen in Sternpopulationen der Milchstraße verwenden. Auch für die Forschungsarbeit an anderen Galaxien spielen unsere Resultate eine Rolle: Astronomen können davon ausgehen, dass eine ungerichtete Röntgenstrahlung dieser Objekte von Weißen Zwergen und aktiven Sternen stammt."

Über den Exzellenzcluster Universe

Der Excellence Cluster Universe wurde im Oktober 2006 ins Leben gerufen – mit dem Ziel, den ungelösten Fragen des Alls auf die Spur zu kommen: In dieser bis dato einmaligen Forschungseinrichtung arbeiten Wissenschaftler verschiedener Disziplinen daran, das große Geheimnis "Universum" zu entschlüsseln. Der Cluster hat seinen Standort am TUM-Forschungszentrum in Garching. Das interdisziplinäre Projekt ist zunächst auf fünf Jahre ausgelegt und vereint die Physik-Fakultäten der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Weitere Partner sind die Universitätssternwarte München (USM), mehrere Max-Planck-Institute und die Europäische Südsternwarte (ESO). Gemeinsam widmen sie sich sieben zentralen kosmologischen Fragestellungen:

A: Wie verhält sich Materie bei extrem hohen Energien und geringen Distanzen?
B: Gibt es eine Symmetrie zwischen Materie und Kräften?
C: Woher kommen die Teilchenmassen und ihre Hierarchie?
D: Welche Phasenübergänge spielten sich im frühen Universum ab?
E: Was sind die dunklen Komponenten des Universums?
F: Wie sind Schwarze Löcher entstanden, und wie entwickeln sie sich?
G: Wie wurde das Universum mit schweren Elementen angereichert?


Quelle: Exzellenzcluster Universe

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