Gender-Forschung: Rabiate Geschlechtertrennung
Sexuelle Nötigung oder Tod? Das Leben von Guppy-Weibchen auf Trinidad ist weit entfernt von karibischer Leichtigkeit. Aber es könnte erklären helfen, warum sich im Tierreich die Geschlechter bisweilen räumlich voneinander trennen.
Tropisches Ambiente, bunte Blüten und fröhliches Vogelgezwitscher, zwischen denen glasklare Flüsslein und Bäche gen Meer sprudeln. Darin: Kleine, clownesk gefärbte und offenkundig harmlose Fische, die sich – stets wachen Auges – in flachen Becken ihrer Gewässer tummeln, wo sie sich sicherer vor Fressfeinden wähnen. Nichts sieht danach aus, dass irgendetwas dieses Idylle trüben könnte.
Doch unter Wasser sieht die Welt ganz anders aus: Die Männchen unter den farbenfrohen Schuppenträger offenbaren sich als wilde, aggressive Machos, die unverhohlen, dreist und durchaus gewalttätig ihre Weibchen sexuell bedrängen. Obwohl die Männchen der Guppys (Poecilia reticulata) um ein Drittel kleiner ausfallen als ihre potenziellen Partnerinnen, bereiten sie diesen die Hölle in Wassern. Und treiben sie in einen gefährlichen Ausweg, wie Safi Darden und Darren Croft von der University of Exeter vor Ort in der Karibik erleben mussten.
Denn die Tiere, so Darden und Croft, weichen zurück, sobald Männchen in ihr Revier gelangen, wie die Forscher im Freiland und experimentell beobachteten: Tummelten sich in einem Bach nur Weibchen, herrschte heile Welt, und die Fische bevorzugten die flachen Stellen im Wasser, wo sie an Steinen Algen abweideten. Wehe aber ein männlicher Guppy enterte das Revier: Flugs stoben die Fischfrauen auseinander und suchten mehrheitlich Schutz im tieferen Wasser, wohin ihnen das testosterongesteuerte Geschlecht nicht folgen wollte. Dieses blieb lieber im Flachen, wo stets ein Männerüberschuss herrschte. Zu recht, denn dort droht den bunten Gesellen keine Strafe durch Räuber, die von den recht schrillen Farben zielsicher zum Opfer gelockt werden. Eine Gefahr, die dafür über den flüchtigen Weibchen schwebt: Trotz ihrer Tarnfarbe ziehen auch sie Feinde an, die es auf die fette Beute abgesehen haben.
Die Guppy-Damen haben also eine riskante Taktik entwickelt, bei der sie die Kosten sexueller Belästigung gegen eine niedrigere Überlebensrate abwägen müssen. Die dauernden Nachstellungen und vor allem die deswegen nötigen Vermeidungsstrategien kosten die Weibchen Energie, die ihnen fehlt, um Nachwuchs zu zeugen oder für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen – zum persönlichen Schaden genauso wie zum Nachteil der ganzen Art. Dafür nehmen sie die niedrigere Überlebenswahrscheinlichkeit in Kauf. Sie nützt ihnen aber auch nur, wenn Räuber im Ökosystem anwesen sind – in Bächen ohne Fressfeinde verzichten sie auf den Rückzug ins Tiefwasser, da ihnen die Männchen hier ohnehin folgen würden.
Dardens und Crofts Ergebnis gilt weit über die Fischwelt hinaus, bestätigt es doch die so genannte Sozialfaktoren-Hypothese, nach der sich in Tierpopulationen häufiger die Geschlechter bei der Wahl des bevorzugten Lebensraums trennen – ein Denkansatz, der nach Meinung der beiden Forscher bislang viel zu selten berücksichtigt wurde. Immerhin separieren sich etwa unter Huftieren Männlein und Weiblein des Öfteren voneinander – etwa, weil Muttertiere Premiumweidegründe meiden, wenn ihnen oder ihren Jungen dort häufiger der Tod durch Raubtiere droht. Auch geschlechtsbedingte Verdauungsunterschiede lassen sie bisweilen verschiedene Habitate aufsuchen, da Er Gräser optimal nutzen kann, während sie sich eher an Laubwerk delektieren muss.
Im Falle der Fische werfen die Erkenntnisse jedenfalls eine Fülle neuer Fragen auf: Herrscht unter den Weibchen Zickenterror, wenn sie sich in suboptimalen Revieren sammeln müssen? Wie kommen Guppy-Männchen und – Weibchen während der Paarungszeit zueinander? Und was folgt daraus für die Bräutigam-Wahl, wenn es soweit ist? Safi Darden und Darren Croft wollen ihnen bald nachgehen – gerne auch auf Trinidad.
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