Kosmisches Rätsel: Radioblitz aus den Tiefen des Alls
Ein blitzschnelles Flackern in den Aufzeichnungen – dann sind sie schon wieder vorbei. So genannte schnelle Radiostrahlungsausbrüche ("Fast Radio Bursts", FRBs) oder Radioblitze dauern nur einige tausendstel Sekunden, bevor sie wieder verstummen. Vor gerade einmal zehn Jahren entdeckten Astronomen den ersten Radioblitz in ihren Messdaten. Damit begann ein langes Rätselraten, worum es sich bei diesen für astronomische Maßstäbe extrem kurzen Signalen handeln könnte.
Leider sind diese Blitze viel zu schnell, um sie mit heutigen Radioteleskopen genau anvisieren zu können. Dabei ist die Bestimmung des Herkunftsorts von entscheidender Bedeutung: Denn je größer die Entfernung ist, aus der sie stammen, desto energiereicher muss ihr Entstehungsprozess sein. Kämen sie etwa aus unserer Galaxie, der Milchstraße, könnten sie von vergleichsweise schwachen Prozessen herrühren. Erst seit wenigen Jahren verdichten sich jedoch die Hinweise darauf, dass die schnellen Radioblitze von weit jenseits unserer Milchstraße stammen. 2014 gelang es Astronomen, aus der Wellenform eines Radioblitzes abzulesen, dass er beträchtliche Strecken durch das intergalaktische Medium gelaufen sein muss. Der genaue Herkunftsort ließ sich so aber nicht ermitteln.
Nun jedoch konnte ein internationales Astronomenteam die Tatsache ausnutzen, dass eine bestimmte Radioblitzquelle mit der Bezeichnung FRB 121102 offenbar regelmäßig Pulse aussendet. Wie sie in insgesamt drei Studien beschreiben [1, 2, 3], beobachteten die Forscher FRB 121102 zunächst mit dem Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico, das mit seiner riesigen 305-Meter-Schlüssel enorm empfindlich ist. Das Besondere an FRB 121102: Es ist die einzige bekannte Quelle, die immer wieder aktiv ist. "Diese Quelle hat aktive und inaktive Phasen", sagt Laura Spitler vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, die an der Entdeckung von FRB 121102 beteiligt war. "Wenn FRB 121102 aktiv ist, messen wir mit diesem Teleskop mehrere Ausbrüche pro Stunde. Aber wenn die Quelle nicht aktiv ist, müssen wir oft Monate warten", so Spitler.
Auf der Suche nach der Quelle
Um ihren Entstehungsort möglichst genau einzugrenzen, beobachteten die Forscher die Himmelsregion, in der die Blitze auftraten, mit dem Very Large Array, einem Radioteleskopverbund in New Mexico. Dadurch konnten sie die Position von FRB 121102 gut 200-fach genauer bestimmen als mit vorhergehenden Messungen.
Damit kamen aber immer noch mehrere Quellen in Frage. Also versuchten die Forscher, mit dem Europäischen VLBI-Netzwerk ("Very Long Baseline Interferometer") ebenfalls FRB 121102 zu orten. Bei diesem Verbund, zu dem auch das 100-Meter-Teleskop in Effelsberg in der Eifel gehört, sind mehrere große Radioteleskope mit einem Abstand von einigen tausend Kilometern über mehrere Kontinente hinweg zusammengeschaltet. Zusätzlich integrierten die Forscher noch das Arecibo-Riesenteleskop in das Netzwerk. Dank der Kombination all dieser Teleskope konnten die Forscher den Ursprungsort noch einmal um den Faktor zehn genauer lokalisieren und schließlich mit Hilfe eines großen optischen Teleskops auch identifizieren.
Die große Überraschung: FRB 121102 stammt aus einer Zwerggalaxie in über drei Milliarden Lichtjahren Entfernung! Angesichts dieser riesigen Distanz vermuten die Forscher deshalb, dass sehr energiereiche Prozesse hinter diesen Radioblitzen stecken. Es könnte sich etwa um ein supermassereiches Schwarzes Loch im Galaxienkern handeln, das Materie aufsaugt und dabei Radiostrahlung aussendet. Eine ebenfalls plausible Erklärung wären Neutronensterne – vielleicht sogar Magnetare, also Neutronensterne mit besonders starkem Magnetfeld. Nun, da der Herkunftsort bekannt ist, wollen die Forscher FRB 121102 genau unter die Lupe nehmen. Sollte sich in den Daten eine eindeutige Periodizität zeigen, wäre dies ein Hinweis auf Neutronensterne als Quelle: Denn diese rotieren extrem regelmäßig.
Rätsel im Radio
Noch ist allerdings unklar, ob es im Universum mehr als nur eine Art von Radioblitzerzeugern gibt. Dieses Rätsel teilt sich das Phänomen mit den Gammablitzen, die ebenfalls aus den Tiefen des Alls stammen und von extrem energiereichen Prozessen herrühren. Welche das sind, weiß niemand genau – auch wenn Gammastrahlungsausbrüche deutlich länger dauern als Radioblitze und auch schon länger bekannt sind.
Doch so mysteriös beide Phänomene sind, sie scheinen nichts miteinander zu tun zu haben. Zumindest ist bislang kein einziger Radioausbruch simultan und in einer ähnlichen Richtung wie ein Gammastrahlenausbruch beobachtet worden. Selbst in jenen Fällen, bei denen es gelang, kurz nach dem Blitz den Himmel mit verschiedenen Teleskopen abzusuchen, ist "bisher nichts Eindeutiges gefunden worden", erläutert Spitler.
Dank der ersten Lokalisierung einer Quelle kann nun die gezielte Untersuchung dieser rätselhaften Phänomene Fahrt aufnehmen. "Der nächste wichtige Schritt wird sein, solche Ortungen regelmäßig zu machen", erklärt die Bonner MPI-Forscherin. Bei FRB 121102 ist dies einfach, da diese Quelle immer wieder aktive Phasen hat. Aber die meisten Radioblitzquellen "funken" sehr viel seltener. "Das heißt, wir müssen die Quellen direkt bei der Aussendung eines Radioblitzes orten", so Spitler.
Die Fähigkeit dazu werden die neuen großen Radioteleskopverbünde wie MeerKAT oder das Square Kilometre Array besitzen. MeerKAT ist ein Verbund aus 64 Radioteleskopen und entsteht derzeit in Südafrika. Die Fertigstellung ist für dieses Jahr geplant. Es soll als Vorläufer und Technologiedemonstrator für das riesige Square Kilometre Array (SKA) dienen, das im Lauf der nächsten Jahre in Südafrika und Australien gebaut wird. Mit seiner riesigen Gesamtfläche von einem Quadratkilometer wird das SKA 50-fach empfindlicher sein als heutige Radioteleskope. Damit hoffen die Astronomen, nicht nur den Radioblitzen, sondern auch zahlreichen anderen kosmischen Radiorätseln auf den Grund zu gehen.
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