Botanik: Rätsel der Riesenkräuter gelöst
Inmitten der Furious Fifties liegen die neuseeländische Campbell-Insel und ein paar andere kleine Felsen: Beständig jagen starke Westwinde über die Eilande und treiben Wolken mit Regenschauern vor sich her – schönes Wetter ist hier die Ausnahme. Die meisten Gewächse sind deshalb hart im Nehmen, eher kleinwüchsig und vermehren sich über Wurzelausläufer oder per Windbestäubung. Die so genannten Megakräuter von Campbell stechen deshalb gleich heraus, denn sie neigen trotz der extremen Bedingungen zum Riesenwuchs. Dessen Grundlage haben nun Lorna Little von der Otago University und ihr Team erforscht. Pflanzen wie die Ross-Lilie (Bulbinella rossii), die Campbell-Island-Karotte (Anisotome latifolia) oder die Campbell-Island-Aster (Pleurophyllum speciosum) fallen nicht nur wegen ihrer farbenprächtigen Blüten, sondern auch durch ihre dezimetergroßen Blätter und Stängel auf. Little und Co beobachteten diese Pflanzen mit Hilfe von Thermobildkameras in ihrer Umwelt, um herauszufinden, wie sie auf das Wetter reagieren. Die Aufnahmen verglichen sie mit den Wetterdaten von der Insel.
Die sechs untersuchten Megakräuter scheinen jedenfalls das Beste aus ihrer Situation zu machen und schon die kleinste Wolkenlücke zu nutzen: Sobald die Sonne scheint oder der Wind nachlässt, heizen sich Blüten und Blätter der Pflanzen stark auf. Verglichen mit der Umgebung liegen ihre Temperaturen um mehrere Grad Celsius höher; am stärksten machte sich die zusätzliche Erwärmung bei Pleurophyllum speciosum bemerkbar, deren Blätter um neun und deren Blüten um elf Grad Celsius wärmer waren als die Umwelt. Prinzipiell erwärmten sich behaarte Pflanzen mit dunklen Blüten am schnellsten – ein Muster, das auch von hochalpinen Pflanzen mit Riesenwuchs in tropischen Hochgebirgen bekannt ist, etwa von den Riesenlobelien aus dem afrikanischen Ruwenzori-Gebirge und von Rosettenstauden aus südamerikanischen Paramo-Ökosystemen. "Die dunklen Farbpigmente speichern den unberechenbaren und lückenhaften Sonnenschein effizienter. Damit bringen die Pflanzen ihren Stoffwechsel auf Touren und locken Insekten an. Die Tiere suchen warme Flecken, die ihnen von den Pflanzen geboten werden – die großen Rosettenblätter sorgen für einen kleinen Treibhauseffekt", so die an der Studie beteiligte Biologin Janice Lord.
Stammesgeschichtlich haben sich die zu unterschiedlichen Pflanzenfamilien gehörenden Megakräuter aus unscheinbaren Verwandten von den neuseeländischen Hauptinseln entwickelt. Diese sind eher klein und besitzen schlichte Blüten. Die Megakräuter dagegen sind prächtige Farbtupfer auf der subantarktischen Insel. Zwischenzeitlich waren sie durch die wilden Nachkommen dort ausgesetzter Pflanzenfresser wie Kaninchen, Ziege und Schwein bedroht. Diese fraßen viele Megakräuter und andere Pflanzen, was zu starker Erosion führte. Um das Ökosystem zu retten, wurden die Säugetiere alle eliminiert. Innerhalb von nur wenigen Jahren haben sich dann die Bestände der Riesenblumen wieder vollständig regeneriert.
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