Meeresökologie: Rätsel mysteriöser Unterwasserkreise gelöst
Als die seltsamen Unterwasserkreise 2008 erstmals vor der dänischen Ostseeküste beobachtet wurden, konnte sich keiner einen Reim auf ihre Entstehung machen: Handelte es sich um Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg? Oder waren sie das Unterwasserpendant der englischen Kornkreise, wie in esoterisch angehauchten Zirkeln vermutet wurde? Weder noch, können nun Jens Borum von der Universität Kopenhagen und Marianne Holmer von der Universität Süddänemark mit Bestimmtheit sagen: Stattdessen handelt es sich um einen natürlichen, aber ortsspezifischen Wachstumsprozess innerhalb der vorhandenen Seegrasgemeinschaften.
Normalerweise wächst Seegras (Zostera marina) in dichten Matten auf dem Meeresboden und bildet dabei regelrechte Wiesen. Doch vor der dänischen Insel Møn – bekannt für ihre Kreidefelsen wie die von Rügen – besteht der Untergrund der Ostsee aus Gips und damit aus schwefelreichen und gleichzeitig eisenarmen Sedimenten. Die Seegräser nehmen die Schwefelverbindungen beim Wachstum auf, gleichzeitig sammelt sich entsprechend angereicherter Schlamm zwischen ihren Wurzeln. Doch die enthaltenen Schwefelstoffe sind ab einer gewissen Konzentration toxisch für die Pflanzen, zumindest für ältere und sehr junge Exemplare: Diese sterben ab, während Individuen im "besten Erwachsenenalter" damit noch umgehen könnten, so die beiden Forscher.
Aber warum entsteht die Kreisform? Das hängt mit der typischen Vermehrungsstrategie der Seegräser zusammen. "Sie verbreiten sich vegetativ über Wurzelausläufer, die sich radial in alle Richtungen ausbreiten, weshalb der typische Bestand ein rundes Wachstumsmuster aufweist", sagt Marianne Holmer. Die ältesten Pflanzen befinden sich deshalb jedoch auch im Zentrum der Seegrasmatte und sterben dort nach und nach ab, sobald die Schwefelwerte eine kritische Grenze überschreiten. Dadurch wird der Bestand von innen her ausgehöhlt, und es entwickelt sich der Kreis. Nur der jeweilige Rand überlebt eine Zeit lang, bis auch dessen Individuen zu alt geworden sind. Bis zu 15 Meter Durchmesser erreichten die bislang größten bekannten Seegraskreise, in deren Inneren nur sehr schwaches Pflanzenwachstum zu finden ist, während die Ränder prosperieren – was man auch von oben und außerhalb des Wassers deutlich ausmachen kann.
Hohe Schwefeleinträge belasten Seegraswiesen an vielen Küstenabschnitten der Erde, dabei bilden sie die Kinderstube vieler Fischarten. Sie filtrieren das Wasser und verhindern die Erosion des Meeresbodens. Ihr Verschwinden gehört daher zu den Alarmzeichen für Meeresökologen.
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