Direkt zum Inhalt

Archäologie: Rätsel um Mumien-Talismane gelöst

Es war eine archäologische Fundsache der ganz besonderen Art: Beim Kelleraufräumen im April 2004 hatten Mitarbeiter der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen alte Vitrinen und Pappschachteln durchstöbert, als ihnen eine Anzahl gut erhaltener Mumien in die Hände fiel.
Die Frau aus Peru | Die M2 genannte Mumie tauchte im Frühjahr 2004 bei Aufräumarbeiten auf, laut Objektschild sollte es sich dabei um einen "Mann aus Chimu" an der peruanischen Nordküste handeln. Gut erkennbar sind die eingewickelten Hände. Die Schneidersitzhaltung ist typisch für Mumien aus der Chancay-Kultur (11. – 15. Jh.).
Wie sich herausstellte, gehörten die Exponate zu einer Anfang des 20. Jahrhunderts erworbenen Sammlung. Durch Kriegswirren war sie in Vergessenheit geraten.

Bei der nun folgenden, großangelegten Aufarbeitung der Neuentdeckungen waren den Wissenschaftlern um Wilfried Rosendahl zwei winzige Objekte aufgefallen – erkennbar nur im Computertomografen: Die Mumie einer peruanischen Frau hielt sie in ihren fest verschürten Händen. Offenbar handele es sich um Talismane, mutmaßten damals die Forscher. Aber weder über die genaue Form, noch über das Material konnte der Scanner befriedigend Auskunft geben.

Die eingewickelten Hände der Toten öffnen und einfach nachsehen, kam angesichts der Brüchigkeit des Gewebes nicht in Frage.
Die Mumie bei der Computertomografie | Die Aufnahme mit dem Computertomografen zeigt, dass die Mumie zwei gleichförmige Gegenstände in ihren Händen hält. Worum es sich dabei handelt, war den Forschern lange unklar.
Als 2007 und 2008 die Tote zusammen mit den anderen Fundstücken im Mannheimer Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, war die Identität der Grabbeigaben zwangsläufig mit einem Fragezeichen versehen.

Jetzt ist es den Forschern allerdings doch gelungen, der Mumie ihr Geheimnis zu entlocken. Aus den Daten des CT-Scans fertigten sie mit Hilfe des Rapid-Prototyping-Verfahrens, einer Art 3-D-Drucker, Repliken der Objekte an. Das Ergebnis: Kein Edelmetall, sondern den Eck- und Backenzahn eines Kindes hielt die Frau umklammert. "Denk an die Kinder!", könnte laut Rosendahl die damit verbundene Botschaft gelautet haben.

"Überraschend sind die Parallelen zu unserer Zeit", meint der Mannheimer Forscher,
Die Nachbildung der Zähne | Die Nachbildung der Kinderzähne mit dem Rapid-Prototyping-Verfahren. Rechts befindet sich der Backenzahn, links der Eckzahn.
"denn schließlich sammeln noch heute viele Eltern die Milchzähne ihrer Kinder." Unklar ist allerdings, um wessen Zähne es sich genau handelt. Nur eine DNA-Analyse könnte hier mehr verraten, die angesichts der Unerreichbarkeit der Objekte bis auf weiteres unmöglich bleiben dürfte.

Die Frau selbst blickt auf eine wechselvolle Lebensgeschichte zurück. Aus der peruanischen Chancay-Kultur stammend, starb sie wahrscheinlich um das Jahr 1415. Das stark abgenutzte Gebiss der M2 genannten Mumie zeugt von harter, körnerreicher Kost, und als Kind hatte man ihr den Kopf in die Form eines Turmschädels gezwängt. Das entsprach dem damaligen Schönheitsideal.

Vor allem aber ihre eigentümliche Bestattungsposition – sie liegt auf dem Rücken, während die Beine angewinkelt sind wie im Schneidersitz – deutete auf eine Krankheit hin, die sich schließlich auch bei der CT-Untersuchung aufweisen ließ. Einer ihrer Rückenwirbel war komplett zerfressen, die Frau war querschnittsgelähmt. Die Forscher um Rosendahl tippen auf Tuberkulose im fortgeschrittenen Stadium. Letzte Zweifel soll die DNA-Analyse einer Gewebeprobe beseitigen. (jd)

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.