50-mal so groß wie das menschliche Genom: Rätselhafte Pflanze hat das größte bekannte Erbgut
Das kleine Gewächs Tmesipteris oblanceolata birgt einen bemerkenswerten Rekord. Die Zellkerne des auf einigen Südseeinseln wachsenden Farns enthalten das größte jemals gefundene Erbgut, wie eine Arbeitsgruppe um Jaume Pellicer vom Institut Botànic de Barcelona (IBB) berichtet. Mit rund 160 Milliarden Paaren aus DNA-Basen ist sein Erbgut rund 50-mal so groß wie das des Menschen, schreibt das Team in der Fachzeitschrift »iScience«. Das neue Rekord-Genom ist um rund elf Milliarden Basenpaare länger als der bisherige Rekordhalter. Allein diese Differenz ist so groß wie die Genome von Mensch, Gerste und Quokka zusammengenommen. Von der Entdeckung erhoffen sich Fachleute mehr Einsichten in die Evolution solcher Giga-Genome und des Erbguts im Allgemeinen.
Fachleute rätseln schon sehr lange, warum das Erbgut verschiedener Organismen so unterschiedlich groß ist. Denn die Genome von Eukaryoten – komplexen Lebewesen mit Zellkern wie Pflanzen und Tieren – können sich um das 10 000-Fache und mehr unterscheiden. Mit der Komplexität des Organismus scheint das nicht zusammenzuhängen. Dass ein Mensch mit rund 3,2 Milliarden Basenpaaren in jedem Chromosomensatz ein weit größeres Genom hat als der einzellige Pilz Encephalitozoon intestinalis mit dem kleinsten bekannten Eukaryoten-Erbgut, mag ja noch einleuchten. Doch weshalb ist das Erbgut der Fichte rund sechsmal größer als unseres und das des Lungenfisches noch einmal doppelt so groß?
Hinzu kommt, dass der neue Rekordhalter ein sehr unscheinbares Gewächs ist. Der auf Neukaledonien und umliegenden Inseln verbreitete Gabelblattfarn Tmesipteris oblanceolata ist nur wenige Zentimeter groß und eine der am einfachsten aufgebauten Gefäßpflanzen. Statt Wurzeln hat er eine als Rhizom bezeichnete unterirdische Sprossachse, und was aussieht wie Blätter, sind in Wirklichkeit nur abgeflachte Zweige. Wozu so ein einfacher Organismus ein so gigantisches Erbgut nutzt, ist völlig rätselhaft. So große Genome kosten viel Energie und Rohmaterialien – ein offensichtlicher evolutionärer Nachteil. Unklar ist außerdem, wie der Farn die Massen an genetischer Information organisiert und verwaltet sowie sicherstellt, dass die richtigen Erbgutabschnitte zur richtigen Zeit abgelesen werden. Nicht zuletzt wirft die Entdeckung die Frage auf: Wie groß kann ein Genom maximal werden?
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