Direkt zum Inhalt

Stachelhäuter: Rätselhafte Seestern-Seuche erstmals in Europa nachgewiesen

Schon lange rafft eine Krankheit an der US-Pazifikküste Seesterne dahin. Jetzt ist die »Sea Star Wasting Disease« auch in europäischen Gewässern angekommen.
Gemeiner Sonnenstern (Crossaster papposus) im Meer vor Norwegen.
Dieser Gemeine Sonnenstern im Meer vor Norwegen ist gesund. Doch eine tödliche Krankheit, die bereits zahlreiche Stachelhäuter an amerikanischen Küsten verenden ließ, haben Forschende nun in Europa registriert.

Die Haut entfärbt und voller Geschwüre, die Arme verkrüppelt und leblos, die Gedärme nach außen gestülpt – seit 2013 erkrankten vielerorts auf der Welt Seesterne an einer rätselhaften Krankheit. Jetzt haben Biologen von der Queen’s University in Belfast auch in europäischen Gewässern erste Fälle dieser »Sea Star Wasting Disease« (SSWD) entdeckt. Mehrere vor der Ostküste von Irland gefangene Exemplare des Gemeinen Sonnensterns (Crossaster papposus) seien nach kurzer Zeit in den Meerwasseraquarien des Forschungsinstituts gestorben, berichten sie in den »Biology Letters« der Royal Society.

Für ihre Studie hatte das Team um Samuel Smith zwölf Exemplare des Gemeinen Sonnensterns aus Krabbenkörben in der Irischen See gesammelt und zunächst für Verhaltensstudien ins Labor gebracht. Doch schon bald zeigten die Tiere erste typische Anzeichen der Seuche: »Nach fünf Tagen beobachteten wir bei den anfangs gesund wirkenden Seesternen erste Symptome der Sea Star Wasting Disease«, berichten die Forscher in ihrem Artikel. Die Sonnensterne bekamen weiße Flecken, ihre Körper krümmten sich und wurden schlaff. In den folgenden Tagen verschlimmerten sich die Symptome, bis schließlich zwei Drittel der Seesterne tot waren.

Die Befunde zeigten, »dass auch in Europa heimische Seesternarten anfällig für SSWD sind«, schreiben die Forscher. Sie befürchten deshalb, dass das Phänomen in europäischen Gewässern schon deutlich weiter verbreitet ist, als man bisher angenommen hat, und frühere Massensterben bereits auf SSWD zurückzuführen sein könnten.

Seesterne sind wichtige Raubtiere in ihren Ökosystemen

Sollte sich die Krankheit weiter ausbreiten, hätte dies nach Einschätzung der Wissenschaftler tief greifende ökologische Folgen: »Viele Seesterne sind sehr wichtige Raubtiere in ihren Ökosystemen, die unter anderem die Zusammensetzung der Wirbellosenfauna am Meeresgrund regulieren«, erklären sie. So ist der Gemeine Sonnenstern etwa ein bedeutsamer Fressfeind für weitere Stachelhäuter, darunter den Gemeinen Seestern Asterias rubens. Fehlt der Sonnenstern, können sich andere Arten massenhaft vermehren.

Bisher ist unbekannt, was die Seestern-Krankheit auslöst. Frühere Untersuchungen in US-amerikanischen Gewässern legten nahe, dass ein möglicherweise mutiertes Virus aus der Unterfamilie der Densovirinae die Seesterne dahinrafft. Es gibt mittlerweile zudem Hinweise darauf, dass weniger gelöster Sauerstoff in Verbindung mit erhöhten Temperaturen die Seesterne unter Stress setzt und die Symptome der SSWD verschlimmern kann. »Was auch immer der Auslöser sein mag – die SSWD-Symptome schreiten in Zeiten instabiler Umweltbedingungen schneller voran«, erklären Smith und seine Kollegen. »Mit zunehmender Häufigkeit von Temperaturschwankungen müssen die Mechanismen des Ausbruchs und der Verlauf der Krankheit gezielt erforscht werden, um das volle Ausmaß und die weiteren Auswirkungen zu verstehen« – und das Massensterben der Seesterne gezielt verhindern zu können.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.