Mysteriöses Fossil: Rätselhaftes Tully-Monster doch kein Wirbeltier?
Der Streit um eines der mysteriösesten ausgestorbenen Wesen geht weiter, nachdem einige Fossilforscher ihn womöglich voreilig für beendet erklärt haben: Das Tully-Monster, im Prinzip ein bizarrer, vor rund 300 Millionen Jahren ausgestorbener schwimmender Rüssel, war niemals wie zuletzt vermeldet ein Wirbeltier, meinen nun Abweichler vom gerade erzielten Konsens. Sie hatten erneut einige der massenweise erhaltenen fossilen Überreste der Kreatur untersucht und bisher übersehene anatomische Indizien aufgespürt, welche die zuversichtliche Einordnung jetzt wieder zweifelhaft erscheinen lassen.
Die in Frage stehende, nach seinem Entdecker Francis Tully Tullimonstrum gregarium benannte Art hatte einen fischähnlichen, etwa 30 Zentimeter langen Körper mit seitlich abstehenden Stielaugen, einen pfeilförmigen Flossenschwanz und eine stark rüsselartig verlängerte Schnauze mit Zähnen. Seit der Erstentdeckung, rund 60 Jahre lang, stritten Forscher darüber, mit welchem noch lebenden Tier das Tully-Monster am ehesten verwandt ist – man hatte es zunächst als Wurm, dann als Weichtier eingestuft und es dann mit Seegurken oder Gliedertieren versucht, bis Forscher 2016 zu dem Schluss gekommen waren, das Tully-Monster sei ein mit Neunaugen verwandtes basales Wirbeltier gewesen.
Das kann aber nun wirklich nicht stimmen, meint jetzt das internationale Team um Lauren Sallan von der University of Pennsylvania. Zum einen spreche dagegen, dass Neunaugen bereits zu Lebzeiten des Tully-Monsters ganz anders ausgesehen hätten, wie Fossilfunde aus der Nähe der Tully-Fundstelle und derselben Zeit belegen. Dann sei auch gut möglich, dass die 2016 als typische Wirbeltier-Chorda identifizierte Struktur im Rücken der Tiere etwas anderes darstelle: Die besonderen Erhaltungsbedingungen der Mazon-Creek-Fossillagerstätte hätten gerade auch innere Strukturen von Weichgeweben konserviert, was zu Fehlinterpretationen Anlass gegeben haben mag.
Als weiterer Beleg der Wirbeltierverwandtschaft waren zudem Strukturen herangezogen worden, die als hoch entwickelte Augen mit Melaninfarbpigmenten interpretiert worden waren. Sallan und Co merken nun an, dass komplexe Lichtsinnesorgane kein Alleinstellungsmerkmal von Wirbeltieren sind, sondern auch bei Kopffüßern und Gliedertieren vorkommen. Vor allem aber stufen die Forscher die Lichtsinnesorgane des Tully-Monsters nach ihren eigenen Analysen an rund 1000 Exemplaren nun als recht simpel konstruierte Becher-Augen ein, wie sie bei den weiterentwickelten Wirbeltieren nicht mehr zu finden sind. Andere typische Merkmale von im Meer lebenden Wirbeltieren aus der Zeit des Tully-Monsters fehlen den Fossilien dagegen völlig – etwa jeder Hinweise auf die typischen Strukturen des Wirbeltier-Innenohrs, die sich eigentlich erhalten haben müssten. Am Ende, so die Forscher, blieben ihnen nur zwei Schlussfolgerungen: Das Tully-Monster war wohl kein Wirbeltier – darüber hinaus könne man aber kaum seriös über seine Verwandtschaft spekulieren.
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