Botanische Geschmacksvorlieben: Ranken erkennen sich selbst und überwuchern dann andere
Schnell emporrankende Pflanzen wie Wein und Efeu haben entscheidende Vorteile gegenüber ihrer Konkurrenz: Sie wachsen flinker zum Licht, entkommen schattigeren Orten rascher und sind mit der Zeit sogar in der Lage, ihren Trieben als Ganzes zu folgen und so an einen insgesamt netteren Standort umziehen. Dort angekommen können sie dann wieder darangehen, andere, gemächlichere Gewächse zu überwuchern und auszustechen. Diese Strategie klappt allerdings nur, wenn sich die Wuchergewächse nie an ihresgleichen wagen – und so meiden Rebengewächse Artgenossen. Zudem halten sich ihre emporrankenden Triebe zwar an allem Möglichen fest, selten jedoch an sich selbst. Bleibt zu fragen: Wie erkennen die Triebe sich und ihre Artverwandten dabei eigentlich?
Dem japanischen Weinrebenexperten Yuya Fukano der Universität von Tokio ließ diese Frage keine Ruhe – und so sammelte er im Mai und April des Jahres 2015 36 unterschiedliche, rund 40 Zentimeter lange Triebe des Weinrankengewächses Cayratia japonica aus verschiedenen Ecken der japanischen Inseln. Im Gewächshaus-Labor ließ er sie dann durch- und übereinander wuchern und machte sich auf die Suche nach Mechanismen, mit denen die Pflanzen sich identifizieren könnten.
Im Zentrum des Prozesse, so Fukano nach sorgfältiger Forschungsarbeit, stehen offenbar bestimmte Rezeptoren in den Zelloberflächen der Rankentriebe, die sehr spezifisch auf Oxalsäure ansprechen: Alle Oberflächen, die mit Oxalsäure behandelt sind, werden von den emporrankenden Trieben vermieden. Zudem produzieren die Blätter von C. japonica die Säure selbst – und produzieren so das Erkennungsmerkmal, das ihre Rezeptoren wahrnehmen. Die Pflanze wächst demnach nicht auf sich selbst (oder Artgenossen) – und auch nicht, wie Fukano in Versuchsreihen penibel durchspielte, auf mit Oxalsäure behandelten Bambusröhren oder Pflanzenteilen anderer Spezies.
Andere Arten von Rebengewächsen scheinen andere Rezeptoren zu haben, meint Fukano. Ohnehin scheint zweifelhaft, ob die nicht flüchtige Oxalsäure – die von vielen Pflanzen etwa als Herbizid produziert und abgegeben wird – als Identifikationssignal die erste Wahl sein sollte: C. japonica dürfte so geschützte Pflanzen ebenfalls meiden. Viele Pflanzen, so vermutet der Forscher, dürften anders als die japanische Rebe wohl eher auf flüchtige Substanzen zur Erkennung setzen. Bekannt sind solche Mechanismen zum Beispiel von Parasiten wie der Weinrebe Cuscuta pentagona, die an einem Gemisch von Duftstoffen ihre bevorzugten Wirtsarten erkennt.
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