Aus Freude am Fahren: Ratten können Autos steuern
Für viele Menschen bedeutet die Zeit hinterm Steuer Stress. Ganz anders geht es Ratten: Sie genießen es offenbar, durch ihren Käfig zu fahren und dabei Leckereien einzusammeln. So jedenfalls deuten Psychologen der University of Richmond die Ergebnisse ihrer Studie, für die sie Laborratten Fahrstunden erteilten.
Wie es dazu kam, erläutert das Team um Kelly Lambert im Fachmagazin »Behavioural Brain Research«. Die Wissenschaftler wollten untersuchen, was passiert, wenn man den Nagern über einen längeren Zeitraum komplexe Verhaltensweisen antrainiert. Typischerweise sind die Verhaltenstests, die Forscher mit ihren Versuchstieren anstellen, sehr simpel und nicht besonders anregend für die Tiere. Doch schätzen die Ratten offenbar eine Herausforderung.
Lambert und Kollegen bauten aus einer Klarsichtplastikbox und Rädern eine Art Rattenauto (ROV, »rodent-operated vehicle«), das sich durch Berührung dreier Hebel steuern ließ. Zielvorgabe für die Ratten war, mit ihrem fahrbaren Untersatz einen ihnen hingehaltenen Leckerbissen anzusteuern. Den gab es dann natürlich auch zu essen.
Es spräche für die geistige Flexibilität der Tiere, dass sie eine derart komplexe – und für sie unnatürliche – Aufgabe bewältigen können, erklären die Forscher. Ziel ihrer aktuellen Studie sei es aber primär gewesen herauszufinden, wie es den Ratten dabei ergeht. Lambert und Kollegen maßen dazu Stressmarker im Kot der Tiere. Tatsächlich fühlten sich die Tiere, die Auto fahren übten, weniger gestresst als Artgenossen – und das, obwohl diese viel einfacher an ihre Nahrung gelangten. Auch in einem ferngesteuerten Auto herumgefahren und dabei gefüttert zu werden, befriedigte offenbar die Ratten nicht so sehr, wie selbst ans Steuer zu dürfen. Es gelang den Forschern nicht einmal, den Nagern ihre frisch erworbenen Fähigkeiten mit Durchläufen ohne Belohnung abzutrainieren.
Die Psychologen vermuten, dass das, was man beim Menschen »Selbstwirksamkeit« nennt, für die positiven Effekte verantwortlich sei, schreibt der britische »New Scientist« über die Studie. Ähnliches sei auch schon bei Ratten beobachtet worden, die nach ihrem Futter graben mussten, erläutert Lambert.
Der ernste Hintergrund der Studie: Womöglich sei ein solches Training komplexer Verhaltensweisen besser geeignet als die herkömmlichen Einfachstaufgaben, erläutern die Forscher. Etwa wenn man in Studien untersuchen wolle, welche psychischen Effekte beispielsweise ein neuer Wirkstoff oder eine Erkrankung habe. Realitätsnähere und herausforderndere Tests brächten dabei vielleicht verlässlichere Daten, so Lambert.
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