Menschliches Mini-Organ: Rattenleber in menschliche Fettleber verwandelt
Ob man Mischwesen aus Mensch- und Tierzellen herstellen darf, ist umstritten und bisher nur mit Einschränkungen erlaubt. Einzelne Organe, die sowohl tierisches als auch menschliches Material enthalten, schwimmen aber bereits jetzt in den Kulturschalen der Forscher. Einem Team um den Pathologen Alejandro Soto-Gutierrez von der University of Pittsburgh ist es gelungen, eine Rattenleber mit gentechnisch veränderten menschlichen Zellen zu besiedeln. Das Miniorgan erlaube es, Krankheiten besser zu verstehen und neue Medikamente an einem menschlichen Modell zu testen, berichtet das Team im Fachmagazin »Cell Metabolism«.
Ziel der Forscher war es, eine Minileber herzustellen, deren Zellen eine krank machende Genmutation enthielten. Konkret wollten sie den Zustand einer nichtalkoholischen Fettleber simulieren. Es war bereits bekannt, dass dabei ein bestimmtes Gen – SIRT1 – eine wichtige Rolle spielt. Darum erzeugten die Forscher aus menschlichen Hautzellen Stammzellen und versahen in deren Erbgut das SIRT1-Gen mit einem Ausschalter. Anschließend ließen sie die Stammzellen zu Leberzellen heranreifen. Diese pflanzten sie dann in eine Rattenleber ein, der sie zuvor sämtliche eigene Zellen entnommen hatten. Das »Auswasch«-Verfahren, bei der alle wichtigen Strukturen des Organs und sogar ein Teil seiner Wachstumsfaktoren erhalten bleiben, aber alle ursprünglichen Zellen verschwinden, hatten Soto-Gutierrez und seine Kollegen bereits früher entwickelt. Mit Hilfe eines Bioreaktors wurde die Leber künstlich durchblutet und mit Nährstoffen versorgt. Nachdem sich die manipulierten menschlichen Zellen in der Rattenleber angesiedelt und vermehrt hatten, schalteten die Forscher das SIRT1-Gen ab. Die Folge: In den Leberzellen lagerte sich Fett ab – wie bei Patienten mit einer Fettleber.
Normalerweise enthält die Leber, das Entgiftungsorgan unseres Körpers, weniger als fünf Prozent Fett. Alkohol, aber auch fettreiche Ernährung und Bewegungsmangel sowie genetische Veränderungen können dazu führen, dass sich in dem Organ sichtbare Fetttropfen einlagern. Nach Angaben der Deutschen Leberhilfe ist die nichtalkoholische Fettleber die häufigste Lebererkrankung in Deutschland. Das abgelagerte Fett schränkt die Funktion der Leber ein. Es kommt zu Entzündungen, Zellschädigungen und Umbauprozessen – Leberkrebs oder eine Zirrhose können die Folge sein.
Medikamente, zum Beispiel gegen eine Fettleber, werden in der Regel zuerst an Mäusen oder Ratten getestet. »Aber Mäuse sind keine Menschen«, sagt Soto-Gutierrez. Da Tiermodelle Krankheiten oft nicht gut genug abbilden können, sei es hilfreicher, Modelle menschlicher Organe herzustellen. Dadurch könne man in Zukunft vielleicht Lebern mit jeder beliebigen Mutation herstellen und dann im Labor untersuchen, schreibt das Team. Die Minileber könne zwar nicht die volle Funktion einer echten Leber übernehmen, sei jedoch konventionellen Organoiden, also Zellhaufen, die ohne ein äußeres Stützkorsett wachsen, überlegen. Denn durch die Integration in das Rattenorgan sei die dreidimensionale Struktur und Blutversorgung des Modells einem menschlichen Organ deutlich ähnlicher.
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