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Staaten bildende Insekten: Raumordnung verpflichtet im Insektenstaat

Ob Ameise, Biene oder Hummel: Soziale Insekten opfern sich für die Staatsräson jeder Gefahr und übernehmen auch die unangenehmste Arbeit. Aber wer ruft zuerst »hier!«? Gibt es sogar heimliche Drückeberger?
Markierte Hummel

Soziale Insekten werden durch ihren wohlorganisierten Staatsapparat zu den erfolgreichsten Organismen auf unsere Erde: Durch eine Balance strikter Arbeitsteilung und sinnvoller Spezialisierung werden die Aufzucht des Nachwuchses, Fortpflanzung, Nahrungsbeschaffung und Verteidigung hocheffizient erledigt. Gefährlich wird es für das gut geölte Uhrwerk allerdings, wenn Flexibilität gefragt ist und durch Absprachen koordiniert werden muss. Solche Situation haben nun Forscher um James Crall von der Harvard University im Hummelnestern herbeigeführt und untersucht, während sie jedes einzelne Mitglied individuell beobachteten: Was tut jede einzelne Hummel, um Krisensituationen der Gemeinschaft zu bewältigen, fragten die Wissenschaftler in »Nature Communications«.

Kommt drauf an – und zwar überraschenderweise weniger darauf, ob ein Tier besonders groß, gesund und fähig ist, sondern vor allem auf den typischen Aufenthaltsort der einzelnen Hummeln im Bau. Tatsächlich haben die Tiere dabei jeweils Präferenzen: Manche bewegen sich im Nest eher in der Peripherie, andere halten sich recht ortstreu vor allem im Zentrum nahe den Futterreservoiren des Nestes auf. Letztere reagieren deutlich schneller auf eine von den Forschern absichtlich herbeigeführte Ausnahmesituation: Crall und Co hatten immer mehr auf Nahrungssuche ausschwärmende Arbeiterinnen des Hummelstaats weggefangen und so für Nachschubprobleme und Fachkräftemangel gesorgt. Daraufhin mussten mit anderen Tätigkeiten betraute Tiere umschulen und die Nahrungssucher ersetzen – was vor allem von den im Zentrum des Baus heimischen Arbeiterinnen erledigt wurde.

© Crall et al.
Ortstreue Hummeln im Nest
Ortstreue Hummeln im Nest: gelb und rot markierte Larven und Puppen bei grünen, violetten und blauen Wachsreservoiren. Kleine rote Punkte zeigen an, wo die Arbeiterinnen sich am liebsten aufhalten.

Diese Tiere waren nicht etwa besser für die gefährliche Tätigkeit gewappnet, so die Forscher – wahrscheinlich waren sie nur besser und schneller über die Bedrohung informiert, weil sie näher an dem wichtigsten Informationsumschlagplatz des Staats leben, den Futterspeichern. Hier wird Mangel rasch bemerkt, und hier tummeln sich auch mehr Hummeln zum Austausch von Informationen, der bei den Insekten über Körperkontakt erfolgt. Gerade bei Hummeln wird dabei auch von einzelnen Tieren eine größere Flexibilität verlangt: Sie leben in Kolonien von oft nur 50 bis 200 Arbeiterinnen, während Bienenstaaten häufig 40 000 Tiere zählen. Bienen können sich daher erlauben, auf den Ausfall von Nahrungssammlern langsamer zu reagieren, etwa durch eine verstärkte Aufzucht junger Nachwuchs-Scouts. Hummeln, die zudem oft in eher herausfordernden dynamischen Habitaten wie etwa im alpinen Gelände leben, springen dagegen persönlich in die Bresche.

Möglich waren die Untersuchungen durch das Anbringen und Verfolgen von Miniaturtrackern auf allen Hummeln eines Staats. Die Mühe soll nun weitere Ergebnisse liefern: So wäre etwa spannend zu klären, ob auch mit weniger dringenden Arbeiten beschäftigte Tiere im Staat rasch ersetzt werden – und ob vielleicht irgendeine bisher nicht bekannte Eigenschaft einzelner Tiere mit darüber bestimmt, ob sie sich bevorzugt an einem bestimmten Ort im Nest bewegen, und so darüber entscheidet, welche Aufgaben ihnen im Ernstfall vielleicht auferlegt werden können.

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