Solarchemie: Reaktive Kraft
Solarchemie könnte eine günstige Alternative für energieintensive Prozesse sein, doch das Potential der Technologie blieb lange ungenutzt. Nur langsam entdeckt die Chemiebranche die Kraft der Sonne. Das soll sich jetzt ändern.
Nach der Energiewirtschaft könnte bald auch die Chemie die Kraft der Sonne für ihre Zwecke erschließen. Bisher halten Chemiker ihre Reagenzgläser eher über den Bunsenbrenner als in die Sonne. Die Industrie interessierte sich lange Zeit wenig für die Möglichkeiten der Fotochemie, also lichtgetriebene Reaktionen. "Sie wird in der Zukunft mehr Bedeutung haben", sagt Jochen Mattay von der Universität Bielefeld. Sobald fossile Rohstoffe und Energiequellen für die chemische Industrie deutlich teurer werden, kann die Sonne als kostenlose Energiequelle punkten.
Neue Spezialchemikalien, vielleicht Arzneien oder Lacke, könnten dann mittels Tageslicht produziert werden. "Wenn das einmal anerkannt ist, könnte man auch Massenchemikalien wie Caprolactam auf diese Weise herstellen", sagt Mattay – das Caprolactam ist wichtig für die Herstellung des Kunststoffs Perlon. Er weist auf Untersuchungen hin, die belegen, dass die Chemie selbst bei bewölktem Himmel in Gang kommt. Auch der führende Schweizer Solartechniker Aldo Steinfeld von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ist optimistisch. Im Juli verkündete er, dass man lediglich einen chemischen Reaktor in ein Solarturm-Kraftwerk einbauen müsse, um die Sonne für chemische Reaktionen zu nutzen.
Doch vor den industriellen Anwendungen kommt zunächst die intensive Forschung. Einer der führenden Solarchemiker ist Mattays ehemaliger Mitarbeiter Michael Oelgemöller, der Deutschland 1999 verließ und heute in Australien eine Gastprofessur an der James Cook University in Townsville innehat. "Drei große Trends prägen derzeit die Solarchemie", sagt Oelgemöller. Das mit Abstand prominenteste Feld ist die solare Herstellung von Wasserstoff aus Wasser. Wer das schafft, hat die Energiefrage ein für allemal gelöst, weil Wasserstoff ein ausgezeichneter Treibstoff ist. Doch von diesem Traum ist man noch immer weit entfernt. Die erforderlichen Katalysatoren zersetzen sich zu rasch. Deutlich weniger Forscher widmen sich dagegen den anderen beiden Bereichen: der Produktion von Chemikalien mit Hilfe der Sonne und der solaren Zerlegung von Schadstoffen.
Labor auf dem Dach
In Oelgemöllers Sonnenlabor auf dem Dach seines Instituts hilft das Tageslicht beispielsweise, eine Substanz namens Juglon aufzubauen, die in Walnussschalen vorkommt. Sie sorgt dafür, dass unter Walnussbäumen nichts mehr wächst. "Das ist ein natürliches Unkrautbekämpfungsmittel", sagt Oelgemöller. Aber auch als Baustein für Antibiotika und Krebsarzneien, für Aromastoffe und Parfums könnte der watteähnliche, orange Stoff taugen.
Bei klassisch-chemischer Herstellung kosten allerdings fünf Gramm Juglon einige hundert Euro. Zu teuer, um die Substanz für Anwendungen interessant zu machen. Außerdem entsteht dabei das giftige Schwermetall Chrom, das aufwändig entsorgt werden muss. Auf dem Sonnendach der Chemiker in Townsville entsteht Juglon dagegen ohne Gift, preiswert und einfach: Isopropanol, ein Alkohol, der in Nagellackentfernern eingesetzt wird, versetzen die Forscher in einem Glaskolben mit dem Farbstoff Bengal Rosa, eine Aquariumpumpe bläst Luft dazu. Dann legt man den Kolben in die Sonne, die den Rest erledigt. Die Lösung färbt sich zusehends tiefrot. Der Alkohol reagiert mit dem eingebrachten Sauerstoff. "Das kann man auch im Labor unter einer Lampe machen. Aber draußen funktioniert es besser", sagt Oelgemöller. Im Sonnenlicht liegt die Effizienz bei 80 Prozent, innerhalb der Institutsmauern sind es nur 60 bis 70 Prozent.
Oelgemöller hofft nun, dass ein Investor anspringt und eine solarchemische Pilotanlage für Juglon errichtet. Dass das keine aberwitzige Vision ist, demonstriert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Dort steht ein gewaltiger Solarreaktor im Freien. Darin kann eine Komponente für die Produktion von Rosenduft gewonnen werden.
100 Tonnen Rosenduft verkaufen Fabriken jährlich. Allerdings nutzen sie teures und energieraubendes Kunstlicht. Die Sonne hat sich nicht durchgesetzt, obwohl sie genauso wirtschaftlich ist wie das Kunstlichtverfahren. Doch Lampenreaktoren sind der Industrie vertraut; die Investitionen und das Risiko sind gering. Sonnenfabriken stehen dagegen nur in wenigen Forschungsstätten. Den Sprung in die Produktion haben sie bisher nicht geschafft. So muss Oelgemöller weiterhin Überzeugungsarbeit leisten, wenn er Vertreter der Industrie oder öffentliche Geldgeber gewinnen möchte. "Am leichtesten bekommt man heute Geld für die solare Abwasserbehandlung", sagt er.
Forscher um Christian Jung vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik haben eine solare Wasseraufbereitungsanlage entwickelt. Im baden-württembergischen Lampoldshausen entgiftet sie stark belastetes Abwasser. Mit Hilfe der Sonne und mit Wasserstoffperoxid werden Arzneimittelrückstände und anorganische Stickstoffverbindungen zerstört. "Das Wasser wird in sehr kurzer Zeit gereinigt. Das funktioniert besser als mit konventionellen Verfahren", so Jung. Das Sonnenklärwerk arbeitet so gut, dass das Wasser sogar in das umliegende Naturschutzgebiet eingeleitet werden darf. Nun soll Jungs solare Reinigungstechnik global vermarktet werden.
Neue Spezialchemikalien, vielleicht Arzneien oder Lacke, könnten dann mittels Tageslicht produziert werden. "Wenn das einmal anerkannt ist, könnte man auch Massenchemikalien wie Caprolactam auf diese Weise herstellen", sagt Mattay – das Caprolactam ist wichtig für die Herstellung des Kunststoffs Perlon. Er weist auf Untersuchungen hin, die belegen, dass die Chemie selbst bei bewölktem Himmel in Gang kommt. Auch der führende Schweizer Solartechniker Aldo Steinfeld von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ist optimistisch. Im Juli verkündete er, dass man lediglich einen chemischen Reaktor in ein Solarturm-Kraftwerk einbauen müsse, um die Sonne für chemische Reaktionen zu nutzen.
Doch vor den industriellen Anwendungen kommt zunächst die intensive Forschung. Einer der führenden Solarchemiker ist Mattays ehemaliger Mitarbeiter Michael Oelgemöller, der Deutschland 1999 verließ und heute in Australien eine Gastprofessur an der James Cook University in Townsville innehat. "Drei große Trends prägen derzeit die Solarchemie", sagt Oelgemöller. Das mit Abstand prominenteste Feld ist die solare Herstellung von Wasserstoff aus Wasser. Wer das schafft, hat die Energiefrage ein für allemal gelöst, weil Wasserstoff ein ausgezeichneter Treibstoff ist. Doch von diesem Traum ist man noch immer weit entfernt. Die erforderlichen Katalysatoren zersetzen sich zu rasch. Deutlich weniger Forscher widmen sich dagegen den anderen beiden Bereichen: der Produktion von Chemikalien mit Hilfe der Sonne und der solaren Zerlegung von Schadstoffen.
Labor auf dem Dach
In Oelgemöllers Sonnenlabor auf dem Dach seines Instituts hilft das Tageslicht beispielsweise, eine Substanz namens Juglon aufzubauen, die in Walnussschalen vorkommt. Sie sorgt dafür, dass unter Walnussbäumen nichts mehr wächst. "Das ist ein natürliches Unkrautbekämpfungsmittel", sagt Oelgemöller. Aber auch als Baustein für Antibiotika und Krebsarzneien, für Aromastoffe und Parfums könnte der watteähnliche, orange Stoff taugen.
Bei klassisch-chemischer Herstellung kosten allerdings fünf Gramm Juglon einige hundert Euro. Zu teuer, um die Substanz für Anwendungen interessant zu machen. Außerdem entsteht dabei das giftige Schwermetall Chrom, das aufwändig entsorgt werden muss. Auf dem Sonnendach der Chemiker in Townsville entsteht Juglon dagegen ohne Gift, preiswert und einfach: Isopropanol, ein Alkohol, der in Nagellackentfernern eingesetzt wird, versetzen die Forscher in einem Glaskolben mit dem Farbstoff Bengal Rosa, eine Aquariumpumpe bläst Luft dazu. Dann legt man den Kolben in die Sonne, die den Rest erledigt. Die Lösung färbt sich zusehends tiefrot. Der Alkohol reagiert mit dem eingebrachten Sauerstoff. "Das kann man auch im Labor unter einer Lampe machen. Aber draußen funktioniert es besser", sagt Oelgemöller. Im Sonnenlicht liegt die Effizienz bei 80 Prozent, innerhalb der Institutsmauern sind es nur 60 bis 70 Prozent.
Oelgemöller hofft nun, dass ein Investor anspringt und eine solarchemische Pilotanlage für Juglon errichtet. Dass das keine aberwitzige Vision ist, demonstriert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Dort steht ein gewaltiger Solarreaktor im Freien. Darin kann eine Komponente für die Produktion von Rosenduft gewonnen werden.
100 Tonnen Rosenduft verkaufen Fabriken jährlich. Allerdings nutzen sie teures und energieraubendes Kunstlicht. Die Sonne hat sich nicht durchgesetzt, obwohl sie genauso wirtschaftlich ist wie das Kunstlichtverfahren. Doch Lampenreaktoren sind der Industrie vertraut; die Investitionen und das Risiko sind gering. Sonnenfabriken stehen dagegen nur in wenigen Forschungsstätten. Den Sprung in die Produktion haben sie bisher nicht geschafft. So muss Oelgemöller weiterhin Überzeugungsarbeit leisten, wenn er Vertreter der Industrie oder öffentliche Geldgeber gewinnen möchte. "Am leichtesten bekommt man heute Geld für die solare Abwasserbehandlung", sagt er.
Forscher um Christian Jung vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik haben eine solare Wasseraufbereitungsanlage entwickelt. Im baden-württembergischen Lampoldshausen entgiftet sie stark belastetes Abwasser. Mit Hilfe der Sonne und mit Wasserstoffperoxid werden Arzneimittelrückstände und anorganische Stickstoffverbindungen zerstört. "Das Wasser wird in sehr kurzer Zeit gereinigt. Das funktioniert besser als mit konventionellen Verfahren", so Jung. Das Sonnenklärwerk arbeitet so gut, dass das Wasser sogar in das umliegende Naturschutzgebiet eingeleitet werden darf. Nun soll Jungs solare Reinigungstechnik global vermarktet werden.
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