Nutzen der Forschung: Realitätsferne Forschung? - Nicht mit dem "Spillover"-Effekt
Ab und an mag man sich ja fragen, macht Forschung eigentlich Sinn? Haben Laborbedingungen mit der Realität wirklich so viel gemein, dass uns die Ergebnisse helfen, das "echte Leben" besser zu verstehen? Gerade auch die Sozialwissenschaften müssen sich hier oft rechtfertigen. Doch ist die Kritik überhaupt angebracht? Daniel Herbst und Alexandre Mas von der Princeton University in New Jersey wollten mit einem systematischen Vergleich von Feld- und Laborstudien aus den Sozialwissenschaften Licht ins Dunkel bringen. Dabei entschieden sie sich für ein psychologisches Phänomen, anhand dessen sie beispielhaft herausfinden wollten, inwiefern Untersuchungsergebnisse aus dem Labor etwas über die "reale Welt" aussagen, und stellten fest: Ja, das tun sie!
Der "Spillover"-Effekt ("Übertragungseffekt"), den sie ins Visier nahmen, beschreibt das Phänomen, dass das eigene Verhalten von dem anderer beeinflusst wird. Im Arbeitsumfeld soll demnach ein Mitarbeiter mehr leisten, wenn ein anderer Kollege ebenfalls mehr produziert. Herbst und Mas sichteten sowohl Laborstudien als auch Feldversuche zu diesem Effekt und fanden lediglich minimale Unterschiede zwischen beiden Herangehensweisen. In beiden Fällen wirkte sich der Diensteifer eines Mitarbeiters auf seine Umgebung ähnlich aus. Auch die künstlichen Laborversuche mit nachgestellten Szenarien und Versuchspersonen, die nicht zwangsläufig repräsentativ für die Bevölkerung sein müssen, scheinen also einigermaßen verlässlich Auskunft über das zu geben, was in echten Unternehmen abläuft.
Herbst und Mas untersuchten außerdem, wie sich die in Unternehmen praktizierte Lohnpolitik, Gruppenarbeitsprozesse und Tätigkeit in den Feldstudien auf den Spillover-Effekt auswirkten. Dabei ergab sich kein Unterschied, wenn die Angestellten ein festes anstatt ein am Gewinn orientiertes Gehalt erhielten oder wenn sie eine einfache oder komplexe Tätigkeit ausführten. Dieses Ergebnis zeigte sich zur Überraschung der Forscher auch, als sie unter die Lupe nahmen, ob Firmen nachgeprüft hatten, wie viel ein Mitarbeiter persönlich zum Gesamtergebnis beigetragen hatte. Der "Spillover"-Effekt war ungeachtet einer solchen Überprüfung immer ähnlich hoch. Herbst und Mas vermuteten ursprünglich einen höheren Übertragungseffekt, wenn beachtet wurde, wie stark sich ein Mitarbeiter einbrachte.
Das Pendant wäre das "Trittbrettfahrerproblem" ("free rider problem"), das manchmal beobachtet wird, wenn jemand beispielsweise in einer Arbeitsgruppe mitwirkt, aber niemand dessen Eigenleistung am Endergebnis überprüft und sich derjenige seinen Lohn sozusagen "untätig erschleicht". Weil der Übertragungseffekt in allen Untersuchungen eher gering ausfiel, scheint die Produktivität eines Mitarbeiters jedoch noch von Weiterem abhängig zu sein.
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