Regenwald: Naturschützer kaufen Plantage
In einem riesigen Gebiet von Palmölplantagen in Malaysia haben Naturschützer 33,5 Hektar Land gekauft, um es unter wissenschaftlicher Beobachtung zurück in Regenwald zu verwandeln. Die kleine Fläche könnte später einmal als Blaupause für eine Umwandlung von mehreren Millionen Hektar Palmölplantagen dienen. Projektkoordinator Robert Risch, Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin (IZW) und der Naturschutzorganisation »Rhino and Forest Fund«, spricht im Interview über die erstaunliche Wachstumskraft von Urwaldbäumen und die Hilfestellung, die Ölpalmen in den ersten Jahren der Aufforstung leisten können.
Herr Risch, Ölpalmen werden weltweit auf rund 20 Millionen Hektar angepflanzt. Der »Rhino and Forest Fund« hat jetzt in Malaysia eine kleine Plantagenfläche gekauft. Was genau haben Sie damit vor?
Wir arbeiten in der malaysischen Provinz Sabah, ganz im Norden der Insel Borneo. Dort ist es uns mit Spenden aus Deutschland gelungen, insgesamt 33,5 Hektar Palmölplantage und degradierten Wald zu kaufen. Das Gebiet liegt zwischen zwei ganz wichtigen Schutzgebieten, dem Tabin-Wildtierreservat mit etwa 123 000 Hektar Fläche und dem Kulamba-Wildtierreservat, das Teil von einem anderen knapp 80 000 Hektar großen Naturschutzgebiet ist.
Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung sowie Umweltexperten aus Zürich begleiten das Projekt wissenschaftlich. Außerdem kooperieren wir noch mit weiteren Forschungsinstituten in Malaysia und Deutschland. Es soll ein grüner Korridor entstehen, der die großen Schutzgebiete wieder miteinander verbindet. Wenn das gelingt, würde das vielen Arten, die akut vom Aussterben bedroht sind, das Überleben deutlich leichter machen.
Welche Arten werden besonders profitieren?
Die Regenwälder Malaysias und Indonesiens gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Welt. Tabin und Kulamba sind Schlüsselgebiete für den Erhalt der bedrohten Flora und Fauna Borneos und für einige charismatische Arten unverzichtbar. Hier leben unter anderem noch Orang-Utans, Zwergelefanten, Gibbons und das Wildrind Banteng, die alle vom Aussterben bedroht sind. Für sich allein ist jedes Schutzgebiet als Lebensraum für die großen Arten zu klein. Werden die isolierten Waldinseln effektiv vernetzt, sieht die Situation gleich viel besser aus.
Was kostet denn so eine Palmölplantage?
Die Bodenpreise in Malaysia sind in den letzten 20 Jahren explodiert. Ein Hektar Palmölplantage kostet aktuell zwischen 11 000 und 22 000 Euro, je nach Lage, Produktivität und Alter der Plantage. Das ist viel Geld, aber alternativlos. Ein paar Hektar Land an der entscheidenden Stelle können den Unterschied machen, ob ganze Arten aussterben oder nicht!
Die 33,5 Hektar, die wir jetzt haben, können nur der Anfang sein. Je breiter der Korridor wird, desto besser. Wenn wir mehr Geld hätten, würden wir sofort 1000 Hektar kaufen, um die Verbindung zwischen den Schutzgebieten zu sichern. Bei den aktuellen Preisen können wir uns das als kleine, von Spenden abhängige Naturschutzorganisation aber nicht leisten. Deshalb müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Wenn wir es schaffen, kaufen wir in diesem Jahr noch Flächen dazu. Die Voraussetzungen dafür sind gerade günstig. Weil die EU beschlossen hat, die Verwendung von Palmöl in Biosprit künftig auslaufen zu lassen, sind die Bodenpreise kurzfristig ein bisschen gesunken. Mittelfristig werden die Preise aber weiter steigen.
Wie wird die Aufforstung wissenschaftlich begleitet?
Die Arbeit wird von Forstwissenschaftlern und Biologen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung begleitet. Uns geht es darum, zu erforschen, welche Baumarten unter welchen Pflanzbedingungen am besten wachsen und wie lange es dauert, bis die Wildtierdichte in den artenarmen Plantagen wieder zunimmt. Wir haben mittels Kamerafallen bereits einen Ist-Zustand von der Wildtierdichte im Tabin-Wildtierreservat aufgenommen. Nun geht es darum, das Artenvorkommen auf den Plantagen zu dokumentieren und dann die Wiederbesiedlung der Gebiete im Zuge der Aufforstung darzustellen.
»Ein paar Hektar Land an der entscheidenden Stelle können den Unterschied machen«Robert Risch
Wie sieht der Versuchsaufbau konkret aus?
Die Plantagenfläche wird in Blöcke unterteilt, in denen wir unterschiedliche Aufforstungsmethoden anwenden. Das kann die komplette Rodung der Ölpalmen und Neubepflanzung in hoher Dichte bedeuten oder auch die Pflanzung von Setzlingen unter dem Kronendach der Ölpalmen in unterschiedlicher Dichte (Enrichment Planting), wobei die Ölpalmen dann erst nach einigen Jahren sukzessiv entfernt werden. Auch eine rein natürliche Regeneration werden wir ausprobieren, bei der die kleinen Bäumchen, die sich auf natürlichem Wege unter dem Kronendach der Plantage ansiedeln, einige Jahre gezielt gepflegt werden, bis die Ölpalmen schließlich ebenfalls entfernt werden.
Was für Pflanzen kommen zum Einsatz?
Wir verwenden ausschließlich lokale und wilde Baumarten, die dem ursprünglichen Ökosystem entsprechen. Es werden einerseits gezielt wilde Fruchtbäume gepflanzt, um Wildtieren rasch Nahrung zu bieten und die natürliche Regeneration zu fördern. Das sind unter anderem wilde Würgefeigen, die gut an den Palmen hochwachsen können, häufig viele Früchte tragen und so viele Wildtiere anlocken, die vor Ort dann Samen von anderen Pflanzenarten ausscheiden. Außerdem werden schnell wachsende Pionierarten gepflanzt, die zügig ein Kronendach erzeugen, das Gräser und andere Pflanzen zurückdrängt, welche das Baumwachstum behindern. Ganz wichtig ist ein Mindestanteil so genannter climax species, das sind in der Region vor allem Baumarten aus der Familie der Flügelfruchtgewächse (Dipterocarpaceae). Mit ihren etwa 200 Arten in Sabah machen sie im Tieflandregenwald bis zu 80 Prozent des Kronendachs aus und bilden das Rückgrat des ursprünglichen Ökosystems. Weil diese Arten kaum mit dem Sekundärbewuchs nach Kahlschlägen konkurrieren können, da sie langsamer wachsen und sofort überwuchert werden, müssen sie aktiv gepflanzt und drei bis fünf Jahre regelmäßig von Überwucherungen befreit werden. Danach sind sie groß genug, um allein zu bestehen.
»Schon jetzt ist der Tourismus für Sabah wichtiger als der Palmölsektor«Robert Risch
Warum werden nicht gleich alle Palmen gefällt?
Die Palmen spielen bei der Aufforstung eine sehr wichtige Rolle. Die Pflanzen aus dem Regenwald brauchen den Schatten, den die Palmen ihnen bieten. Nur so können sie sich gegen Gräser und Sträucher behaupten.
Wie lange wird es dauern, bis dort wieder ein naturnaher Wald entsteht?
Wir haben schon 2011 damit begonnen, kleinere Flächen degradierten Waldes wieder aufzuforsten, und wissen aus eigener Erfahrung, dass ein Großteil der Bäume bereits über zehn Meter hoch gewachsen ist. Schon nach wenigen Jahren aktiver Aufforstung entsteht unter den klimatischen Bedingungen vor Ort also wieder ein geschlossenes Kronendach, das vielen Arten als neues Habitat zur Verfügung steht und schnell wiederbesiedelt wird. Nach zehn Jahren Aufforstung kann man sicherlich schon wieder von einem Wald sprechen, auch wenn wir natürlich keine jahrhundertealten Baumriesen herbeizaubern können.
Wie sehr ähnelt dieser Wald dann dem Regenwald?
Was am Ende herauskommen soll, ist eben kein Sekundärwald, der aus Gestrüpp und Pionierarten besteht und sich von ursprünglichem Primärwald in Artenzusammensetzung, Wuchshöhe, Temperatur und Feuchtigkeit massiv unterscheidet. Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir in relativ kurzer Zeit einen Wald nach altem Vorbild erreichen können, der von den Flügelfruchtgewächsen dominiert wird, die am Ende der natürlichen Sukzession stehen und die sich von allein vermutlich erst nach Jahrhunderten wieder durchsetzen würden.
Wie groß ist die Fläche der Ölpalmplantagen in der Umgebung?
In Sabah sind rund 1,6 Millionen Hektar oder 20 Prozent der Landfläche Palmölplantagen, besonders im Osten, wo unser Projektgebiet liegt. Das Wildtierreservat Tabin ist komplett von Palmölplantagen und einem Mangrovensumpfgebiet eingeschlossen. Auch deshalb hat der Korridor so eine große Bedeutung.
Welche Bedeutung haben die Palmölplantagen für den lokalen Arbeitsmarkt?
Für lokale Kleinbauern in Sabah hat Palmöl oft eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Das Gros der Produktion stammt allerdings von wenigen großen Firmen mit riesigen Konzessionen. Diese Firmen greifen überwiegend auf Arbeitsmigranten aus dem benachbarten Ausland zurück und schaffen kaum Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung, für die die Arbeitsbedingungen in den großen Plantagen offenbar nicht attraktiv sind. Von den Einheimischen, die in der Nähe unseres Projektgebiets leben, arbeitet niemand in den Plantagen. Die Leute leben vor allem vom Fischfang und versuchen nun, alternative Verdienstmöglichkeiten zu entwickeln.
Zum einen bauen sie gerade Schwalbenhäuser neben ihrem Dorf. Auf dem chinesischen Markt wird viel Geld für die Nester der Salanganen bezahlt, weil daraus die traditionelle Schwalbennestsuppe hergestellt wird. Die eigentlich in Höhlen nistenden Vögel nutzen die selbst gezimmerten Häuser gerne als Höhlenersatz. Wenn die Jungen ausgeflogen sind, werden die Nester geerntet und verkauft. So erhöht sich auch das Interesse am Erhalt des Waldes, der die Vögel ernährt und unter der Nestproduktion nicht leidet. Es gibt auch schon erste Ansätze von Ökotourismus nahe dem Projektgebiet, bei dem kleine Gruppen von Touristen Boots- und Dschungeltouren machen können. Bereits jetzt ist der Tourismus für Sabah wichtiger als der Palmölsektor, was sich in Zukunft verstärken wird, wenn der Bundesstaat einer der letzten Orte sein wird, an denen man noch Orang-Utans, Elefanten und andere seltene Tiere beobachten kann.
Was schätzen Sie, wie viel Regenwald wird in Ölpalmplantagen umgewandelt, während Sie die Plantage in Regenwald umzuwandeln versuchen?
In Malaysia soll die Ausweitung zum Glück sehr bald komplett gestoppt werden. In Indonesien, Afrika und Südamerika aber noch lange nicht. Es ist immer noch so, dass Tag für Tag große Flächen Regenwald abgeholzt und in Plantagen umgewandelt werden.
Lohnt da der große Aufwand überhaupt?
Aber mit Sicherheit! Unser kleiner Korridor kann entscheidend für den Erhalt ganzer Arten sein. Außerdem können die gewonnenen Erkenntnisse unserer Aufforstung Vorbildfunktion für riesige Flächen haben, die in den kommenden Jahrzehnten wieder aufgeforstet werden müssen. Nach zwei Generationen Ölpalmenmonokultur, das sind etwa 50 Jahre, ist der Großteil der Flächen nämlich derart degradiert, dass es wirtschaftlich fraglich wird, auf diesen Böden überhaupt noch Landwirtschaft zu betreiben. Aufforsten geht aber weiterhin und ist in Zeiten wachsenden Bewusstseins über Klimawandel und Artensterben ohnehin eine der wichtigsten Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Je früher wir sagen können, wie man aus Palmölplantagen und anderen degradierten Flächen am effizientesten wieder Regenwald macht, desto besser!
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