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News: Reger Austausch an der Kernpore

In den Zellen höherer Organismen ist die wertvolle DNA gut behütet in einem speziellen Bereich untergebracht, umhüllt von einer doppelten Membran. Doch dieser Zellkern muß nicht nur das Erbgut schützen, sondern auch einen geregelten Austausch mit dem Rest der Zelle ermöglichen. Während kleine Moleküle einfach durch die Kernporen hinein- oder herausschlüpfen können, gelangen große Moleküle wie Proteine oder RNA nur mit Hilfe eines komplexen Transportapparates durch die Barriere. Forschern der Max-Planck-Gesellschaft ist es gelungen, ein wenig (Röntgen-)Licht in die komplizierten Vorgänge dieses kleinen Grenzverkehrs zu bringen.
Die Zellen höherer Organismen besitzen einen Zellkern: ein abgegrenztes Kompartiment, in dem das meiste genetische Material zu finden ist. Der Kern ist allerdings viel mehr als nur ein Lagerplatz. Zur Zeit der Zellteilung verwandelt er sich in eine äußerst produktive Fabrik, welche die DNA verdoppelt. Außerdem werden im Kern ständig Kopien der DNA in Form der messenger-RNA (mRNA) hergestellt, nach denen im Cytosol Proteine zusammengesetzt werden. An diesem äußerst komplizierten Vorgang haben viele verschiedene Proteine Anteil, damit die Gene nur zum richtigen Zeitpunkt im Lebenszyklus der Zelle abgelesen werden. Die mRNA verläßt dann den Kern auf ihrem Weg zu den Ribosomen im Cytosol.

Anhand dieser Beschreibung wird schon deutlich, daß andauernd eine große Anzahl von Molekülen aus dem Kern heraus oder in ihn hinein gelangen muß. Schätzungsweise über eine Million Makromoleküle werden pro Minute in einer wachsenden Zelle aktiv zwischen dem Kern und dem Cytosol transportiert. Dazu kommen noch die ungezählten kleinen Moleküle, die einfach passiv auf demselben Weg diffundieren.

Es stellt sich die Frage, wie dieser rege Verkehr geleitet und gesteuert wird. Den Kern umgibt die Kernhülle, eine Doppelmembran, die als trennende Wand zwischen "drinnen" und "draußen" steht. Sie ist durch Poren perforiert, welche eine Türfunktion haben. Der Kernporenkomplex (Nuclear Pore Complex, NPC) ist eine hochkomplizierte Struktur aus fünfzig bis einhundert verschiedenen Proteinen. Mit einer molaren Masse von 125 Millionen Dalton (das entspricht der Masse von etwa 10 Millionen Kohlenstoff-Atomen) stellt er den größten bekannten Komplex in biologischen Systemen dar.

Das grobe Aussehen der Kernporen wurde mit Elektronenmikroskopen erforscht. Sie besitzen eine innere Öffnung von zehn Nanometern Durchmesser, die allerdings so stark erweiterbar ist, daß auch Teilchen mit 25 Nanometern Breite hindurchpassen. Auf der cytoplasmatischen Seite sind fadenartige Strukturen zu erkennen, die sogenannten cytoplasmatischen Fibrillen. Ihre Aufgabe scheint es zu sein, Moleküle zu den Poren hin und von ihnen weg zu geleiten. Der Verkehr fließt jedenfalls in beide Richtungen: Frische Proteine für den Kern kommen aus dem Cytosol, RNA-Moleküle werden dagegen exportiert.

Salze, Bausteine für Makromoleküle und andere kleine Substanzen können sich unselektiert und frei zwischen dem Kern und dem Cytosol bewegen. Der Transport von Makromolekülen unterliegt aber einer strengen Kontrolle. Das wichtigste Regulatorprotein wird als Ran bezeichnet. Es gehört zur Familie der Guanosintriphosphat(GTP)-bindenden Proteine, deren Mitglieder meist wie molekulare Schalter arbeiten: Ein bestimmtes Signal bringt sie in den aktiven Zustand, ein anderes wieder in den inaktiven. Als Signal dient die Bindung von GTP oder GDP (Guanosindiphosphat), zwei Molekülen, die sich darin unterscheiden, daß sie entweder drei (GTP) oder nur zwei (GDP) Phosphatgruppen tragen.

Der Aktivitätszyklus von Ran wird durch zwei Proteine bestimmt. RCC1 wandelt im Kern Ran-GDP in Ran-GTP um, und RanGAP im Cytosol bewirkt das Gegenteil: Ran-GTP wird wieder zu Ran-GDP. Durch die räumliche Trennung der Prozesse liegt im Kern stets eine große Menge an Ran-GTP vor, im Cytosol dagegen Ran-GDP. Ran reguliert den Transport der Fracht, indem es selektiv an die verschiedenen Transportfaktoren bindet, welche ihrerseits den Makromolekülen über die Membran helfen.

In Nature vom 4. März 1999 haben Ingrid R. Vetter und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie in Dortmund gezeigt, wie Ran mit einer Komponente des Transportsystems wechselwirkt und dadurch den Exportvorgang reguliert. Die cytosolischen Fibrillen der Kernpore bestehen aus einem großen Protein, das RanBP2 genannt wird, für Ran-Binding Protein 2. Es besitzt viele verschiedene Abschnitte, von denen sich vier sehr ähneln. Diese Abschnitte bezeichnen die Wissenschaftler als RanBDs, für Ran-Binding Domain. Die RanBDs bilden mit Ran-GTP einen festen Komplex, binden aber Ran-GDP nur schwach. Vermutlich wartet RanBP2 außen an der Kernpore, ob Ran mit einem Transportkomplex durch die Poren kommt. Es war allerdings bislang nicht bekannt, wie Ran dann an RanBD bindet und welche Folgen das für den Transport des Makromoleküls hat.

Um diese Frage zu beantworten, führten die Wissenschaftler eine Röntgenstrukturanalyse des Ran-RanBD-Komplexes durch. Sie stellten fest, daß erst die Bindung von GTP Ran in eine passende Struktur überführt, um an das RanBD binden zu können. In einer Art molekularer Umarmung umschlingen die beiden Proteine einander. Dadurch sind die beiden auf der Porenaußenseite recht fest vereint. Sobald RanGAP aber das Ran-GTP zu Ran-GDP umgesetzt hat, löst sich die Umarmung, der Transportvorgang ist abgeschlossen. Das Ran kann wieder in den Zellkern zurückkehren und für ein weiteres Makromolekül die Pfadfinderrolle übernehmen.

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