Frühe Erde: Reichtümer kosmischen Ursprungs
Kurz nach der Entstehung eines erdähnlichen Planeten ist dieser heiß und flüssig. Langsam trennen sich die Schmelzen: Das schwere metallische Eisen sammelt sich im Kern, die leichteren Silikate schwimmen darüber in den äußeren Erdschichten. Bei diesem Vorgang wandern viele Metalle wie Gold oder Platin zusammen mit dem Eisen in Richtung des Kerns. Diese Elemente bezeichnet man als siderophil – Eisen liebend. Man findet sie später nur in kleinen Mengen in der Kruste des Planeten, wo sich stattdessen Elemente anlagern, die man lithophil nennt – Stein liebend. Dennoch können wir heute erfolgreich große Mengen Gold schürfen. Hinweise, warum wir diese Metalle vergleichsweise häufig in der Erdkruste entdecken, fanden Wissenschaftler in Grönland.
Die Forscher der britischen Universitäten Bristol und Oxford untersuchten außergewöhnliches Gestein aus dem Westen Grönlands, dem so genannten Isua-Gneis. Er gehört zu den ältesten erhaltenen Gesteinsformationen der Erde. Vor etwa 3,8 Milliarden Jahren entstand der Isua-Gneis kurz nach einer wichtigen Phase in der frühen Geschichte der Erde, die man als Spätes Schweres Bombardement bezeichnet.
Vor etwa vier Milliarden Jahren wurden die inneren Planeten des jungen Sonnensystems von einer großen Zahl kilometergroßer Asteroiden getroffen. Dies geht vermutlich darauf zurück, dass die äußeren vier Gasplaneten ihre Umlaufbahnen neu ordneten und durch ihren Gravitationseinfluss zahlreiche Kleinkörper aus den äußeren Bereichen des Sonnensystems nach innen schleuderten. Unser Mond ist noch heute Zeuge des Späten Schweren Bombardements, denn er war dem Beschuss durch Asteroiden ebenso ausgesetzt wie unsere Erde. Auf unserem zu dieser Zeit nur wenige hundert Millionen Jahre alten Trabanten entstanden damals die meisten seiner großen Krater.
Die Wissenschaftler vermuten nun, dass dieser Beschuss mit kosmischem Material siderophile Elemente in der Erdkruste anreicherte. Das Team um Matthias Willbold von der Universität Bristol konzentrierte sich bei seinen Messungen auf das Isotop Wolfram-182. Es entsteht beim radioaktiven Zerfall von Hafnium-182, das heute nicht mehr natürlich vorkommt. Als sich der Eisenkern der Erde formte, wanderte auch Wolfram bevorzugt in das Erdinnere, insbesondere in Form des häufigeren Isotops Wolfram-184. Hafnium dagegen blieb in der Kruste der Erde und zerfiel im Lauf der Zeit zu Wolfram-182, das sich im Erdmantel anreicherte. Die Wissenschaftler verglichen nun in einer großen Zahl von Gesteinsproben aus der ganzen Welt die Menge von Wolfram-182 mit dem Vorkommen des Isotops Wolfram-184.
In allen Proben bestimmten die Wissenschaftler mit hochgenauen Messungen ein vergleichbares Verhältnis von Wolfram-182 zu Wolfram-184. Nur das Gestein aus Grönland war außergewöhnlich. In den 3,8 Milliarden Jahre alten Proben wiesen Matthias Willbold und seine Kollegen einen deutlich höheren Anteil von Wolfram-182 nach. Das deuten die Forscher so, dass das dortige Gestein dem Beschuss durch Meteoriten entkam, entsprechend auch nicht mit Wolfram-184 angereichert wurde und daher die Zusammensetzung der Erdkruste vor dem Späten Schweren Bombardement widerspiegelt.
Die Daten der Forscher stützen die Theorie, dass die Erdkruste vor etwa vier Milliarden Jahren große Mengen unterschiedlicher Elemente aus dem Weltraum erhalten hat. Nicht nur Wolfram wurde angereichert. Wahrscheinlich verdanken wir auch irdische Fundorte anderer siderophiler Elemente wie Gold, Platin oder dem noch selteneren Iridium dem kosmischen Beschuss. Die Ergebnisse der Studie verbessern unser Verständnis von der Entstehung der Erdkruste und ihrer Zusammensetzung, und damit von den Ereignissen, die unseren Planeten zu der Umgebung gemacht haben, in der wir heute leben – und schürfen.
Mike Beckers
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben