Physikalische Chemie: Rein theoretisches Nass
Die chemische Formel von Wasser kennt fast jedes Kind - an den physikalischen Eigenschaften dieses vermeintlich einfachen Moleküls zerbrechen sich dennoch Wissenschaftler den Kopf. Aus dem Computer könnte nun Hilfe kommen: Ein neues Modell sagt alleine auf Grundlage physikalischer Gleichungen das Verhalten des Wassers voraus.
Es ist flüssig, klar und nass. So viel wussten die Pioniere der Chemie im 17. Jahrhundert über das Wasser. Eine Liste von Eigenschaften – die leider auch auf andere Substanzen wie Salpetersäure zutrafen. Viel zu wenig, um Wasser wirklich zu verstehen. Das gelang erst mit der Theorie vom Bau der Stoffe aus Atomen verschiedener Elemente. Je feiner unsere Vorstellungen von den Charakterzügen und Wechselwirkungen auf der Ebene des vermeintlich Kleinsten wurden, umso leichter fiel es uns, die Absonderlichkeiten des Wassers zu erklären. Beispielsweise, warum es flüssig ist, obwohl doch die viel schwereren Moleküle von Stickstoff und Schwefelwasserstoff als Gase auftreten. Weshalb es sich beim Gefrieren ausdehnt und damit an der Oberfläche von Gewässern schwimmt, statt auf den Boden zu sinken, wie es Eisen und Wachs in ihren Schmelzen machen. Wieso es in einem übervollen Glas erst einen kleinen Hügel bildet, bevor es plötzlich überläuft. Aus welchem Grund es sich auch mit großem Kraftaufwand nicht komprimieren lässt. Und, und, und.
Die Antwort für all diese molekularen Rätsel liegt in den Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den elektrisch teilgeladenen Wasserstoffatomen und dem Sauerstoffatom des Einzelteilchens. Über elektrostatische Anziehungs- und Abstoßungskräfte stehen die Wassermoleküle in ständigem Kontakt und beeinflussen sich gegenseitig. Und genau damit machen sie noch heutigen Forschern trotz ausgefeilter Modelle und Theorien das Leben schwer. Denn ungeachtet des oberflächlichen Verstehens schauen moderne Wissenschaftler mit ihren Mikroskopen und Spektren längst so genau hin, dass es ihnen sofort auffällt, wenn das unschuldig wirkende Wasser kleine Zickereien veranstaltet. Wenn es Proteine anders faltet, als zu erwarten wäre. Wenn es unter bestimmten Bedingungen superfluid wird. Oder wenn die Wasserforschung noch immer nicht sicher ist, zu wie vielen Nachbarn ein Molekül lockeren Kontakt hält. Geben wir es zu: Das beim flüchtigen Blick simple Wasser ist uns auch in Zeiten von Marssonden und GPS-Handys ein unerwartet hartnäckiges Rätsel.
Schuld daran ist sein komplexes Gruppenverhalten. Eigentlich ist es kein großes Problem, mit den Formeln der Quantenphysik das Verhalten von einem oder zwei Molekülen zu simulieren. Doch schon beim Hinzutreten eines dritten wird es schwierig. Und mit jedem weiteren Molekül wachsen die gegenseitigen Wechselwirkungen, die Verschiebungen und Verbiegungen, die Rotationen und Gegendrehungen so sehr an, dass weder die Gleichungen noch die rechnenden Computer mit der Wirklichkeit Schritt halten können. "Viel" Wasser war bislang unberechenbar, wenn man vom einzelnen Molekül ausging.
Darum greifen Forscher für Aufgaben, in denen größere Wassermengen beteiligt sind, auf Modelle zurück, die aus der experimentellen Praxis kommen. Da ist zwar nicht genau bekannt, was eigentlich abläuft, dafür stimmen aber die Aussagen mit den Beobachtungen überein. Ein fragwürdiger Kompromiss, der spätestens dann an seine Grenzen stößt, wenn das Wasser knapp wird – die Eigenschaften einiger weniger Moleküle beschreibt der Ansatz nämlich reichlich dürftig.
Der heilige Gral der Wasserforschung, dem Wissenschaftler auf ihren Tafeln und Computern nachjagen, wäre ein Modell, das im Kleinen wie im Großen korrekt das Verhalten des Wassers vorhersagen könnte. Aber allen Bemühungen zum Trotz gibt es dieses Modell nicht. Oder gab es nicht. Denn anscheinend ist nun ein Team um den Physiker Krysztof Szalewicz von der University of Delaware dem Ziel einen großen Schritt näher gekommen. Ohne irgendwelche Daten aus Experimenten zu verwenden, haben die Forscher Wasser alleine mit grundlegenden Regeln der Quantenphysik und Moleküldynamik berechnet – von der Ebene zweier Moleküle bis hin zu Ansammlungen vieler Teilchen. Und wirklich passen die theoretischen Ergebnisse zu dem echten Verhalten des Wassers.
Dazu gingen die Forscher von einem herkömmlichen Ansatz zur Berechnung der Potenziale für ein, zwei und drei Teilchen aus, in dem sie 2510 Gitterpunkte setzten. Für jeden Punkt bestimmten sie zudem die Energie eines Verfahrens für größere Anzahlen und stimmten die beiden Datensätze aufeinander ab. Dadurch kombinierten sie die Exaktheit der einen Methode mit dem Überblick der anderen. Das entstehende Ergebnis übertrugen sie durch Hochrechnung schließlich auf quasi alle beliebigen Mengen und Bedingungen.
Die ersten Vergleiche zwischen den so gewonnenen Aussagen und gemessenen Werten sprechen sehr für die Kombinationsmethode. Und auch in eine aktuelle wissenschaftliche Streitfrage mischt sich Szalewicz' Gruppe bereits mit ihrer rein theoretischen Simulation ein: Nach ihrem Modell bildet ein Wassermolekül nur 3,8 Wasserstoffbrückenbindungen zu seinen Nachbarn aus. Frühere Theorien gehen von deutlich mehr Kontakten aus.
Noch ist der Wasser-Gral jedoch nicht gefunden. In der augenblicklichen Version rechnen die Computer beispielsweise noch mit vibrationsstarren Wassermolekülen. Sobald die Gleichungen aber entsprechend erweitert sind und ein umfassendes Bild vom Potenzial bieten, werden wir nicht nur bekannte Effekte besser erklären können, sondern auch das Verhalten unter extremen Bedingungen ohne aufwändige Experimente berechnen können. Etwa wenn Wasser in einen superkritischen Zustand übergeht oder unterkühlt ist. Theoretisch – was praktisch das gleiche sein wird.
Die Antwort für all diese molekularen Rätsel liegt in den Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den elektrisch teilgeladenen Wasserstoffatomen und dem Sauerstoffatom des Einzelteilchens. Über elektrostatische Anziehungs- und Abstoßungskräfte stehen die Wassermoleküle in ständigem Kontakt und beeinflussen sich gegenseitig. Und genau damit machen sie noch heutigen Forschern trotz ausgefeilter Modelle und Theorien das Leben schwer. Denn ungeachtet des oberflächlichen Verstehens schauen moderne Wissenschaftler mit ihren Mikroskopen und Spektren längst so genau hin, dass es ihnen sofort auffällt, wenn das unschuldig wirkende Wasser kleine Zickereien veranstaltet. Wenn es Proteine anders faltet, als zu erwarten wäre. Wenn es unter bestimmten Bedingungen superfluid wird. Oder wenn die Wasserforschung noch immer nicht sicher ist, zu wie vielen Nachbarn ein Molekül lockeren Kontakt hält. Geben wir es zu: Das beim flüchtigen Blick simple Wasser ist uns auch in Zeiten von Marssonden und GPS-Handys ein unerwartet hartnäckiges Rätsel.
Schuld daran ist sein komplexes Gruppenverhalten. Eigentlich ist es kein großes Problem, mit den Formeln der Quantenphysik das Verhalten von einem oder zwei Molekülen zu simulieren. Doch schon beim Hinzutreten eines dritten wird es schwierig. Und mit jedem weiteren Molekül wachsen die gegenseitigen Wechselwirkungen, die Verschiebungen und Verbiegungen, die Rotationen und Gegendrehungen so sehr an, dass weder die Gleichungen noch die rechnenden Computer mit der Wirklichkeit Schritt halten können. "Viel" Wasser war bislang unberechenbar, wenn man vom einzelnen Molekül ausging.
Darum greifen Forscher für Aufgaben, in denen größere Wassermengen beteiligt sind, auf Modelle zurück, die aus der experimentellen Praxis kommen. Da ist zwar nicht genau bekannt, was eigentlich abläuft, dafür stimmen aber die Aussagen mit den Beobachtungen überein. Ein fragwürdiger Kompromiss, der spätestens dann an seine Grenzen stößt, wenn das Wasser knapp wird – die Eigenschaften einiger weniger Moleküle beschreibt der Ansatz nämlich reichlich dürftig.
Der heilige Gral der Wasserforschung, dem Wissenschaftler auf ihren Tafeln und Computern nachjagen, wäre ein Modell, das im Kleinen wie im Großen korrekt das Verhalten des Wassers vorhersagen könnte. Aber allen Bemühungen zum Trotz gibt es dieses Modell nicht. Oder gab es nicht. Denn anscheinend ist nun ein Team um den Physiker Krysztof Szalewicz von der University of Delaware dem Ziel einen großen Schritt näher gekommen. Ohne irgendwelche Daten aus Experimenten zu verwenden, haben die Forscher Wasser alleine mit grundlegenden Regeln der Quantenphysik und Moleküldynamik berechnet – von der Ebene zweier Moleküle bis hin zu Ansammlungen vieler Teilchen. Und wirklich passen die theoretischen Ergebnisse zu dem echten Verhalten des Wassers.
Dazu gingen die Forscher von einem herkömmlichen Ansatz zur Berechnung der Potenziale für ein, zwei und drei Teilchen aus, in dem sie 2510 Gitterpunkte setzten. Für jeden Punkt bestimmten sie zudem die Energie eines Verfahrens für größere Anzahlen und stimmten die beiden Datensätze aufeinander ab. Dadurch kombinierten sie die Exaktheit der einen Methode mit dem Überblick der anderen. Das entstehende Ergebnis übertrugen sie durch Hochrechnung schließlich auf quasi alle beliebigen Mengen und Bedingungen.
Die ersten Vergleiche zwischen den so gewonnenen Aussagen und gemessenen Werten sprechen sehr für die Kombinationsmethode. Und auch in eine aktuelle wissenschaftliche Streitfrage mischt sich Szalewicz' Gruppe bereits mit ihrer rein theoretischen Simulation ein: Nach ihrem Modell bildet ein Wassermolekül nur 3,8 Wasserstoffbrückenbindungen zu seinen Nachbarn aus. Frühere Theorien gehen von deutlich mehr Kontakten aus.
Noch ist der Wasser-Gral jedoch nicht gefunden. In der augenblicklichen Version rechnen die Computer beispielsweise noch mit vibrationsstarren Wassermolekülen. Sobald die Gleichungen aber entsprechend erweitert sind und ein umfassendes Bild vom Potenzial bieten, werden wir nicht nur bekannte Effekte besser erklären können, sondern auch das Verhalten unter extremen Bedingungen ohne aufwändige Experimente berechnen können. Etwa wenn Wasser in einen superkritischen Zustand übergeht oder unterkühlt ist. Theoretisch – was praktisch das gleiche sein wird.
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