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Rekord: Forscher lesen eine Million Jahre alte Mammut-DNA

Über eine Million Jahre nachdem ein Mammut im sibirischen Dauerfrost starb, wird sein Erbgut wieder lesbar. Es verrät, wie sich die haarigen Riesen entwickelten.
Rekonstruktion von Steppenmammuts, deren DNA nun durch zwei Backenzähne belegt ist.

Drei Zähne, drei Rekorde: Nie zuvor ist es Fachleuten gelungen, älteres genetisches Material zu sequenzieren als aus drei Mammutzähnen, deren Erbgut ein Forscherteam nun der Öffentlichkeit vorstellt. Zwei der mächtigen Backenzähne lagen mehr als eine Million Jahre im Dauerfrostboden Sibiriens, der dritte immerhin an die 800 000 Jahre. Und selbst das hätte wohl für einen Rekord gereicht, denn die älteste bisher aus Zellkernen geholte DNA stammte von einem Pferd, das vor 560 000 bis 780 000 Jahren verendet ist.

Dieser dreifache Weltrekord erlaubt Wissenschaftlern nun einen tiefen Blick in die Familiengeschichte der Mammuts. Die sind zwar vor allem als Kältespezialisten bekannt. Ihr Stammbaum aber wurzelt fernab von Schnee und Eis in Afrika, wo sie vor fünf Millionen Jahren zum ersten Mal erschienen.

Erst später wanderten frühe Vertreter dieser Gattung, die am engsten mit den noch heute lebenden Asiatischen Elefanten verwandt sind, in den kühleren Norden. Dort passten sich die Mammuts dann an das Leben der Kaltzeiten an. Mächtige Eismassen drangen damals immer wieder bis nach Mitteleuropa vor, südlich des Eises entstanden Kältesteppen, in denen die Tiere reichlich Gras und Kräuter fressen konnten.

Forscher mit Mammutstoßzahn | In den Weiten Sibiriens sind Mammutstoßzähne oder andere Überreste der Rüsseltiere keine Seltenheit. Hier posieren Love Dalén und Koerstautorin Patrícia Pečnerová mit einem solchen Fundstück auf der Wrangel-Insel, wo Mammuts noch bis in die jüngste Vergangenheit lebten.

Ähnlich wie in Europa und Asien änderte sich das Klima auch in Nordamerika. Weil in den Kaltzeiten der Meeresspiegel immer wieder 120 oder 130 Meter tiefer lag als heute, konnten die Mammuts über die trocken gefallene Beringstraße von Sibirien nach Alaska stapfen. Die ältesten Funde auf dem amerikanischen Kontinent sind anderthalb Millionen Jahre alt. Als schließlich die Kaltzeiten noch kälter wurden, passten sich die Mammuts an die harscheren Bedingungen an. Neue Arten tauchten auf.

Aus dem Eiskeller der Erde

Mehr über diese Entwicklung verrät nun das Erbgut aus den drei Zähnen. Isoliert haben es Tom van der Valk und Love Dalén vom Zentrum für Paläogenetik in Stockholm, Michael Hofreiter von der Universität Potsdam und zahlreiche weitere Fachleute für die Erforschung uralten Erbguts. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift »Nature« erläutern sie, wie sie dabei vorgegangen sind und welche Erkenntnisse sich schon aus den Resultaten gewinnen lassen.

Dass sie ausgerechnet im Nordosten Sibiriens nach verwertbaren Proben suchten, hat gleich zwei Gründe: Die Region liegt zum einen in der Nähe der Nahtstelle zwischen Nordamerika und Sibirien, hier sollten sich folglich interessante Einblicke in die Ursprünge der diversen Mammutpopulationen gewinnen lassen. Zum anderen gehört die Region heute wie damals zu den kältesten der Welt. Dort ist der Boden vielerorts einige hundert Meter tief gefroren. Auch im Hochsommer taut er nur direkt an der Oberfläche einige Zentimeter tief auf. Beste Chancen also für einen neuen Weltrekord bei der Entzifferung alten Erbguts, denn je kälter die Umgebung ist, in der die DNA die Zeiten überdauert, desto besser bleibt sie erhalten.

Zwei der untersuchten Backenzähne lagen in einer Schicht des Dauerfrostbodens, die Wissenschaftler bereits vorher auf ein Alter von rund 1 bis 1,2 Millionen Jahren geschätzt hatten, der dritte Zahn kam aus einer jüngeren Lage, die zwischen 500 000 und 800 000 Jahre alt sein dürfte. »Allerdings sind solche Datierungen nicht allzu genau«, erklärt Michael Hofreiter. Das trotz Dauerfrost in kleine Teile zerstückelte Erbgut fischten sie mit speziell für diesen Zweck entwickelten Methoden aus den Zähnen. Dass sie damit Erfolg hatten, zeigt, welche immensen Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt wurden.

Aus allen drei Mammutzähnen konnten sie das komplette Erbgut der Mitochondrien genannten Minikraftwerke der Zellen gewinnen und sehr genau analysieren. Es verriet ihnen unter anderem, dass die Datierung der Bodenschichten weitgehend korrekt war. Das älteste Tier könnte sogar noch einige hunderttausend Jahre früher gestorben sein.

Allerdings erlauben Mitochondrien nur einen eingeschränkten Blick auf die Mammutevolution, weil sie ausschließlich von der Mutter an ihre Nachkommen weitergegeben werden. »Für sich allein genommen bringt dieses Mitochondrien-Erbgut zwar wichtige Erkenntnisse, hat aber auch erhebliche Tücken«, sagt Hofreiter. Ein Beispiel: Das Präriemammut Nordamerikas lässt sich anatomisch gut vom Wollhaarmammut unterscheiden und gilt darum als eigene Art. Das spiegelt sich jedoch nicht in der mitochondrialen DNA wider, die bislang ausgelesen wurde. Sie gehörte immer zu den Linien, die man vom Wollhaarmammut kennt.

Erfolgreich Kern-DNA isoliert

Die Forscherinnen und Forscher hatten also triftige Gründe, auch die DNA aus den Zellkernen zu isolieren, in denen mit großem Abstand die allermeisten Erbinformationen eines Tiers stecken. Davon aber gibt es viel weniger Material. Tatsächlich konnte das Team von den beiden ältesten Zähnen mit 49 und 884 Millionen DNA-Bausteinen nur einen winzigen respektive einen kleinen Teil des Mammuterbguts gewinnen. Beim jüngsten dagegen erwischten sie mit 3671 Millionen Bausteinen einen relativ großen Anteil.

Mächtige Backenzähne | Aus diesem rund 1,1 Millionen Jahre alten Mammutbackenzahn aus dem Dauerfrostboden Sibiriens konnten Forscher jetzt das Erbgut isolieren und analysieren.

Wie sich die Abstammungslinien der Mammuts über die Jahrtausende aufspalteten, verriet der Abgleich mit der DNA von Tieren, die in erheblich jüngerer Zeit verendet waren. Eines dieser Wollhaarmammuts lebte zum Beispiel vor 48 000 Jahren im heutigen Schottland, ein anderes vor 24 000 Jahren in Sibirien. Zu ihren Vorfahren – das verrieten nun die Erbgutanalysen – gehörten zwei der jetzt untersuchten Mammuts: Das mittelalte und das jüngste waren Teil jener Linie, aus der sich später die Wollhaarmammuts entwickelten und deren Angehörige als Steppenmammuts bezeichnet werden.

Der älteste untersuchte Zahn war dagegen im Maul eines Mammuts gewachsen, das sich in keine der bisher bekannten Linien einfügt. Offensichtlich lebten in Sibirien damals also zwei unterschiedliche Mammutlinien längere Zeit nebeneinander.

Wie das Mammut in die Prärie kam

Angehörige dieser bisher unbekannten Mammutlinie haben sich später mit den Wollhaarmammuts gemischt, die in Sibirien ohnehin in der Nachbarschaft lebten. Aus dieser Hybridisierung entstand das Präriemammut, das bis vor rund 10 000 Jahren in Nordamerika zwischen den großen Seen und den heutigen US-Bundesstaaten Kalifornien und Florida zu Hause war. Mit einer Schulterhöhe von vier Metern und einem Gewicht von bis zu zehn Tonnen war das Präriemammut sogar noch ein wenig größer als die heute in Afrika lebenden Savannenelefanten. Es gehört damit zu den größten Vertretern der Elefanten, die jemals gelebt haben.

Nördlich seines Verbreitungsgebiets waren auch in Nordamerika Wollhaarmammuts eingewandert. Sie unterschieden sich bereits ein wenig von ihrer Verwandtschaft jenseits der Beringstraße im alten Eurasien und mischten sich zudem immer wieder mit ihren südlichen Nachbarn. In die Zellkerne der Präriemammuts gelangten dadurch rund zwölf Prozent Erbsubstanz vom Wollhaarmammut.

Das Erbgut aus den drei uralten Mammutbackenzähnen verrät den Fachleuten zudem, dass die Tiere vor gut einer Million Jahren bereits die veränderten Proteine hatten, mit denen sie sich an das Leben in der bitteren Kälte des sibirischen Winters angepasst hatten. So hatte das zweitälteste Tier schon die Erbgutinformation, die das dichte Kleid aus bis zu 90 Zentimeter langen Haaren sprießen lässt.

Auch die Backenzähne waren an das harsche Leben im hohen Norden angepasst. »Der Zahnschmelz der Wollhaarmammuts hat die meisten Lamellen aller Elefanten«, erklärt Michael Hofreiter. Damit konnten die Tiere die Gräser und Kräuter der Kältesteppen gut kauen, die sehr viel Silikat einlagern und dadurch sehr hart werden. Mit ihren langen, geschwungenen Stoßzähnen schaufelten die Tiere vermutlich Schnee zur Seite, um an das darunterliegende Grün zu kommen. Und davon brauchten die Tiere jede Menge. In einem Magen, der sich in einem Fossil erhalten hatte, konnten Wissenschaftler nachmessen: Er bot Platz für 290 Kilogramm Futter, vielleicht eine Tagesration.

Rüssel mit eingebauter Schneeschaufel? | Im Dauerfrostboden von Jakutien im Nordosten Sibiriens entdeckte man 2014 die gefrorene Rüsselspitze eines jungen Mammuts, das auf den Namen Yuka getauft wurde.

Einige Kratzspuren auf den Stoßzähnen der Mammuts lassen außerdem den Schluss zu, dass die Tiere die Eisdecke auf Flüssen und Seen zersplitterten, um an das Wasser darunter zu kommen. Die vorne abgeflachten Rüssel der Wollhaarmammuts bildeten eine passable Schaufel, mit der sich die Tiere Schnee ins Maul gestopft haben könnten, um ihren Durst zu stillen.

An die Widrigkeiten der Eiszeiten hatten die Mammuts sich also gut angepasst. Doch gegen die Jäger auf zwei Beinen, die am Ende der Kaltzeit immer häufiger in den Kältesteppen auftauchten, waren sie wohl weniger gut gewappnet. Jedenfalls sind alle Mammutarten längst ausgestorben. Von ihnen zeugen heutzutage noch einige tiefgefrorene Fossilien und – mit ein bisschen Glück – auch nach einer Million Jahren ein wenig Erbgut, das vom Leben und Sterben der haarigen Riesen erzählt.

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