Direkt zum Inhalt

South Georgia Island: Rekordverdächtige Rattenjagd vor erfolgreichem Abschluss

Die weltweit bislang größte Ausrottungskampagne gegen Ratten könnte bald abgeschlossen sein. Erste Erfolge zeigen sich bereits auf der antarktischen Insel South Georgia.
Ratte

Bis zur Ankunft der Walfänger und Robbenjäger im 19. Jahrhundert war South Georgia Island im Südatlantik ein Wildtierparadies: Auf dem knapp 4000 Quadratkilometer großen Eiland brüteten mindestens 30 Millionen Seevögel, und hunderttausende Seelöwen und -elefanten lagerten an den Stränden. Dann errichteten norwegische, britische und amerikanische Seeleute dort ihre Operationsbasen und Schlachthäuser, um ihre Beute vor Ort zu verarbeiteten. Dabei rotteten sie nicht nur die örtlichen Walbestände fast aus und dezimierten die Robben bis auf wenige Exemplare, sie schleppten auch Ratten in das empfindliche Ökosystem knapp 4000 Kilometer nördlich des Südpols ein.

Ziel der Aktion | Wanderratten landeten erst vor 200 Jahren auf South Georgia im Gefolge der Walfänger und Robbenjäger an. Seitdem hatten sie sich millionenfach vermehrt und gefährdeten die einheimische Flora und Fauna – bis es ihnen mit Gift an den Kragen ging.

Mangels Feinden und dank des reichhaltigen Futters aus Schlachtabfällen und später Eiern und Küken der vorhandenen Vögel vermehrten sich die Nager massenhaft: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts besiedelten mehrere Millionen Ratten South Georgia – mit vernichtenden Folgen für die Artenvielfalt: Kleine Seevögel, der nur hier vorkommende Südgeorgien-Pieper (Anthus antarcticus) und die Südgeorgien-Spießente (Anas georgica georgica), verloren jedes Jahr nahezu 90 Prozent ihrer Gelege und zogen sich meist auf umliegende, kleinere und vor allem rattenfreie Inseln zurück – stets mit der Gefahr, dass sich ihr Fressfeind dorthin ausbreiten und sie ausrotten könnte.

Doch nun kündigt sich eine entscheidende Wende im Kampf um das Naturschutzgebiet an: Wie der South Georgia Heritage Trust in einer Pressemitteilung verkündete, steht die weltweit bislang größte Rattenbekämpfungsaktion auf einer Insel vor dem Abschluss. "Wir haben gerade die letzte Ladung Rattengift auf der Insel ausgebracht", schreibt Tony Martin vom Trust. Nach insgesamt drei wochenlangen Projektphasen, 1000 Helikopterflugstunden und mehr als 800 Ladungen eines Rodentizids könnte bald der letzte Nager auf dem Archipel sterben, so dass sich das Ökosystem demnächst wieder erholt. Schließlich gelten die anpassungsfähigen und fruchtbaren Tiere zu den gefürchtetsten invasiven Schädlingen auf Inseln und werden für das Aussterben zahlreicher endemischer, also nur dort vorkommender, Tier- und Pflanzenarten verantwortlich gemacht.

Nagergiftladung | Mit Hubschraubern verteilten die Mitarbeiter von Team Rat das Nagergift auf der Insel.

Begonnen hatten die Planungen bereits 2007, doch musste der Trust zuvor die nötigen Geldmittel auftreiben: Der größte Teil der Kampagne wurde allein mit Spendengeldern finanziert. Ab 2011 begann dann die eigentliche Arbeit unter den rauen Bedingungen der subantarktischen Insel: Dort leben dauerhaft nur wenige Wissenschaftler und Verwaltungsangestellte; jegliches Material muss auf dem Seeweg von den mehr als 1200 Kilometer entfernten Falklandinseln herangeschafft werden. Vor Ort benötigten Martin und Co Hubschrauber, um die toxischen Lockmittel auszubringen. Zu Hilfe kam ihnen dabei die besondere Geografie des britischen Überseeterritoriums, denn die eisfreien Gebiete verteilen sich nicht kontinuierlich entlang der Küste, sondern werden immer wieder durch Gletscher voneinander abgeschnitten. Dadurch konnten Ratten auch nicht das komplette Areal besiedeln, weshalb rattenfreie Exklaven überdauert hatten. Die auch hier voranschreitende Gletscherschmelze setzte die Ökologen jedoch unter Zeitdruck. Denn sobald sich das Eis zurückzieht, besiedeln die anpassungsfähigen Nager neue Regionen – zu Lasten der ursprünglichen Natur.

Südgeorgien-Pieper | Dieser Singvogel kommt nur auf South Georgia und wird durch Ratten stark gefährdet: Die Nagetiere fressen auch Eier und Küken – der Pieper überlebte daher nur auf vorgelagerten Inseln und kehrt jetzt aber langsam in befreite Gebiete zurück.

Mit Unterstützung modernster Navigationstechnik überflogen daher ab 2011 die Hubschrauberpiloten die einzelnen befallen Segmente und brachten dort die Köder flächendeckend aus. Zum Einsatz kamen gebräuchliche Rodentizide, die nicht sofort zum Tod der Ratten führen, sondern einige Tage verzögert über die Leber die Blutgerinnung der Tiere unterbinden. Dadurch wird verhindert, dass Artgenossen spitzkriegen, woran ein Tier verendet ist. Stattdessen verbluten sie erst später in ihren Höhlen, denn das eingesetzte Mittel Brodifacoum macht die Ratten lichtempfindlich: Sie verkriechen sich zum Sterben in ihre Bauten. Das sei kein schöner Tod, andererseits müsse man aber bedenken, dass auch die Küken der Seevögel auf unangenehme Weise ums Leben kommen, meint Martin: Sie würden häufig bei lebendigem Leib von den Ratten gefressen. Der Rückzug zum Sterben reduzierte außerdem die Gefahr, dass sich das Gift in der Nahrungskette anreichert und andere Arten geschädigt werden.

Zu kämpfen hatten die Mitarbeiter des so genannten Team Rat unter anderem auch mit dem Wetter: South Georgia liegt mitten in den Furious Fifties und damit in einer sehr stürmischen Region des Südatlantiks. Häufig mussten die Helikopter daher auf dem Boden bleiben; einer der Hubschrauber wurde während eines schweren Sturms auch schwer beschädigt. Dennoch konnte der Trust seinen Zeitplan einhalten. Gänzlich abgeschlossen ist die Arbeit allerdings noch nicht, denn in den nächsten Jahren müssen die Naturschützer überprüfen, ob auch wirklich keine Ratte überlebt hat – dabei kommen unter anderem speziell geschulte Spürhunde zum Einsatz: Schon ein schwangeres Rattenweibchen kann den gesamten Erfolg gefährden.

In den schon länger behandelten Regionen zeigen sich allerdings schon erste positiven Folgen: Die Vegetation erholt sich, Insekten und Vögel kehren zurück. Erstmals seit Jahrzehnten hätten Enten und Singvögel wieder in bestimmten Teilen der Insel erfolgreich gebrütet, wo Ratten sie vertrieben hatten, so der Trust auf seiner Website. Läuft auch der Rest erfolgreich, kann sich South Georgia eines Weltrekords rühmen: Es ist mit Abstand die größte Insel der Erde, die bislang von Ratten befreit wurde – der bisherige Spitzenreiter, die neuseeländische Campbell Island, besitzt "nur" eine Fläche von 110 Quadratkilometern. Tony Martin ist jedenfalls sehr zuversichtlich: "Zum ersten Mal seit 200 Jahren sehen wir eine wesentlich freundlichere, rattenfreie Zukunft für South Georgia am Horizont."

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.