Reptilien: DiCaprio-Schlange - kaum entdeckt, schon bedroht
Der Choco-Regenwald zwischen Panama und Ecuador und die Bergregenwälder der Anden gehören zu den artenreichsten Regionen der Erde – und liefern immer wieder Neuentdeckungen für die Wissenschaft. Alejandro Arteaga von Tropical Herping und Abel Batista von der Universidad Autónoma de Chiriquí in Panama beschreiben in »ZooKeys« gleich fünf bislang unbekannte Schnecken fressende Nattern aus der Unterfamilie der Dipsadinae: Trotz ihrer teilweise auffälligen Färbung entgingen sie bislang der Aufmerksamkeit von Biologen.
Der Hollywood-Schauspieler Leonardo DiCaprio durfte gleich drei dieser neu entdeckten Arten benennen und beehrte damit unter anderem seine Mutter: Sibon irmelindicaprioae ist nach bisherigem Kenntnisstand die Seltenste der fünf Spezies und existiert nur in einem kleinen Gebiet im Chocó-Daríen-Regenwald im Grenzgebiet zwischen Kolumbien und Panama – dieses Gebiet bildet die einzige Unterbrechung der Panamericana-Straße zwischen Alaska und Feuerland. Die anderen Vertreter, die sich genetisch und in Färbung wie Musterung von ihren Verwandten unterscheiden, besiedeln Teile des Chocós im Süden Kolumbiens und im Norden Ecuadors, die Westabdachung der kolumbianischen Anden sowie das Nangaritza-Tal an der Ostseite der Anden im südlichen Ecuador.
Obwohl ihre Farbenpracht an Giftschlangen erinnert, sind sie völlig harmlos. Bei Gefahr rollen sie sich zusammen, um ihren Kopf zu schützen, und sondern einen abstoßenden Geruch aus. Sie leben überwiegend auf Bäumen bis hinauf in den Kronenbereich und jagen dort Nackt- und Gehäuseschnecken. Insgesamt bilden sie eine der artenreichsten Schlangenfamilien der Neotropen, also der tropischen Gebiete Mittel- und Südamerikas.
Ihre baumgebundene Lebensweise bedroht sie aber besonders bei Abholzung. Alle fünf Arten gelten deshalb bereits mehr oder weniger stark als gefährdet: Vor allem legaler und Illegaler Bergbau setzt ihnen in ihren Verbreitungsgebieten zu – die Verschmutzung und Zerstörung von Feuchtgebieten durch den Abbau von Gold und anderen Erzen belastet und reduziert auch ihre Hauptnahrung.
Verstärkt seit der Coronakrise macht sich in Teilen des Amazonasgebiets illegale Goldsuche breit, von der beispielsweise das bis 2014 fast völlig unberührte Nangaritza-Tal stark betroffen ist. Mangels alternativer Einkommensmöglichkeiten stiegen viele Bewohner und sogar manche Naturschutzranger auf die einträglichere Goldsuche um. »Es ist kein Paradies mehr. Hunderte von illegalen Goldgräbern mit Löffelbaggern haben die Flussufer in Besitz genommen, die nun zerstört und in Schutt und Geröll verwandelt werden«, sagt Arteaga.
Vorhandene Schutzgebietes reichen möglicherweise nicht aus, um die Schlangen in zu bewahren. Im Südosten Ecuadors nähern sich illegale Bergleute dem Maycu-Reservat, ignorieren die Rechte der Landbesitzer und bedrohen sogar jeden, der sich dem Goldabbau widersetzt. Ein örtlicher Parkwächter berichtete den beiden Biologen, dass die Einheimischen durch den Abbau von Gold aus dem Nangaritza-Fluss in nur wenigen Wochen ein Jahreseinkommen verdienen können. »Sicher, es ist illegal und außer Kontrolle, aber die Behörden haben zu viel Angst, einzugreifen«, sagt der Parkwächter. »Die Bergleute sind einfach zu gewalttätig und unberechenbar.«
In Panama beeinträchtigt der großflächige Abbau von Kupfer in offenen Minen den Lebensraum von gleich zwei der neuen Arten: Sibon irmelindicaprioae und S. canopy. Immerhin steht die Arbeit des Minenbetreibers unter der Aufsicht lokaler Behörden. Mehr Sorgen bereitet den beiden Biologen daher der Goldrausch in vielen anderen Regionen. »Diese neuen Schlangenarten sind nur die Spitze des Eisbergs, was neue Arten hier angeht. Aber wenn der illegale Bergbau in diesem Tempo weitergeht, wird es vielleicht keine Gelegenheit mehr geben, weitere Entdeckungen zu machen«, sagt Arteaga. Mit der Hilfe von DiCaprios Namen wollen sie zumindest mehr Aufmerksamkeit auf die artenreichen Ökosysteme lenken, um sie vielleicht besser schützen zu können.
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