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Reptilien: Überfahrene Schlange entpuppt sich als neue Art

Museen bergen viele unbekannte Arten, die einst gesammelt, aber nie bestimmt wurden. Eine neue Schlange aus dem südlichen Afrika könnte sogar der einzige noch verbliebene Vertreter ihre Spezies sein.
Eine Kobra-Schlange beginnt sich aufzurichten. Der Hintergrund ist verschwommen, das Tier liegt auf Sand.
Im Gegensatz zu dieser Kobra kennt man von der neuen Art nur ein einziges totes Exemplar aus einem Museum.

Bei vielen Tieren und Pflanzen lohnt ein zweiter, genauerer Blick. Denn nicht selten entpuppen sich bestimmte Vertreter als bislang unbekannte Arten, die nur oberflächlich ihren Verwandten gleichen. Hemachatus nyangensis gehört dazu: Die Schlange aus der Kobraverwandtschaft wurde von einem Team um Tom Major von der Bangor University in »PLOS ONE« neu beschrieben – basierend auf dem einzigen bekannten Exemplar der Art, das 1982 wahrscheinlich überfahren wurde und seitdem präpariert in einer Museumssammlung in Simbabwe überdauert hatte.

Sie stammte ursprünglich aus einer Bergkette im Osten Simbabwes nahe der Grenze zu Mosambik, die mit ihrem kühleren und feuchten Klima sowie den damit verbundenen Ökosystemen eine Art Insel in der umgebenden Savanne darstellte. Bereits 1920 beschrieben Naturforscher eine merkwürdige Schlangenpopulation, deren Vertreter sich wie Kobras zur Verteidigung aufrichten. Die Tiere wiesen eine ungewöhnliche Zeichnung auf und besaßen rote Haut unter den Schuppen, die sichtbar wurde, wenn die Tiere ihren Hals spreizten. Es entstand ein Muster von schwarzen Punkten auf rotem Hintergrund.

Mehrere Schlangen wurden bis in die 1950er Jahre gesichtet, doch sammelte offensichtlich niemand ein Exemplar zu wissenschaftlicher Untersuchung. Auch dem Experten für Schlangen im südlichen Afrika Donald Broadley wurden nur einige wenige beschädigte Köpfe übersandt. Anhand dieser Schädel bestimmte er die Art als Südafrikanische Speikobra (Hemachatus haemachatus), deren nächste Population jedoch 700 Kilometer weiter südlich lebt.

Majors Team vermutete daher, dass es sich bei der überfahrenen Schlange um eine neue Art handeln könnte. Wegen des schlechten Zustands des Materials konnte die Arbeitsgruppe jedoch keine herkömmliche DNA-Sequenzierung vornehmen. Dank neuer Methoden gelang dann aber dennoch eine Genomstudie: Sie zeigte, dass sich die Ringhalskobras aus den Bergen Simbabwes schon vor 7 bis 14 Millionen Jahren von ihren südlichen Verwandten getrennt und zu einer neuen Art entwickelt hatten.

Neue Schlangenart | Bislang kennt man von Hemachatus nyangensis nur dieses tote Exemplar, das für das Museum präpariert wurde.

Wie andere Speikobras hätte die Art ihr Gift wohl verspritzen können, allerdings wurde dieses Verhalten in der Natur nie beobachtet. Ob dies noch gelingt, ist fraglich: Der Lebensraum, in dem die Reptilien beobachtet wurden, hat sich in der Zwischenzeit durch Forstwirtschaft drastisch verändert. Der letzte gesicherte Nachweis stammt aus dem Jahr 1988. Das wäre auch aus evolutionärer Sicht traurig, wie Major mit Kollegen auf »The Conversation« schreiben: Einige Wissenschaftler denken, dass sich die Fähigkeit, Gift zu spritzen, als Reaktion auf die ersten Homininen entwickelt haben könnte.

Werkzeuge nutzende, aufrecht gehende Affen hätten eine ernsthafte Bedrohung für die Schlangen dargestellt. Die Entwicklung des Giftspuckens bei afrikanischen Kobras fällt ungefähr mit der Abspaltung der Homininen von Schimpansen und Bonobos vor 7 Millionen Jahren zusammen. Die Fähigkeit bei asiatischen Kobras entstand wiederum vor etwa 2,5 Millionen Jahren, was ungefähr mit dem Aufkommen der ausgestorbenen Menschenart Homo erectus zusammenfällt, die ebenfalls zur Gefahr für die Schlangen werden konnte. »Unsere Studie an den Nyanga-Speikobras deutet darauf hin, dass es noch einen dritten Zeitpunkt gegeben haben könnte«, schreiben die Autoren. Klären könnten dies aber nur weitere Genomstudien möglichst auch an lebenden Exemplaren.

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