Pflanzenschutz: Resistenz gegen Genmais: Wieso die Schädlinge sich anpassen
Diabrotica virgifera ist ein gelb-schwarzer, fünf Millimeter großer Käfer, den man glatt für uninteressant halten könnte, wenn er nicht jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro Schaden verursachen würde: Seine Larven fressen die Wurzeln von Maispflanzen, so dass die Pflanzen verkümmern oder gar umkippen. Der Westliche Maiswurzelbohrer, wie Diabrotica mit bürgerlichem Namen heißt, breitet sich seit Anfang der 1990er Jahre auch in Europa aus und vernichtete 2009 in Italien insgesamt etwa eine Million Tonnen Mais. Seit 2007 ist er auch in Deutschland beheimatet.
In seinem Herkunftsgebiet Nord- und Mittelamerika setzen Landwirte transgenen Mais gegen den Schädling ein, und das mit Erfolg. Seit 2003 die ersten kommerziellen Maishybriden mit einem Toxingen des Bacillus thuringiensis auf den Markt kamen, sind die Ernteverluste durch den Schädling dort deutlich zurückgegangen – und der Anteil der genetisch veränderten Sorten am Maisanbau weltweit kontinuierlich gestiegen. Zuletzt bis auf etwa 60 Millionen Hektar; das entspricht der doppelten Fläche Deutschlands.
Der Erfolg allerdings ist gefährdet, denn der Maiswurzelbohrer hat reagiert. Im Mittleren Westen der USA berichten Maispflanzer von eigentlich insektenresistenten Pflanzen mit Fraßschäden – ein Team um Aaron Gassmann von der Iowa State University bestätigte dann den Verdacht: Der Schädling wird gegen die bisher gebräuchlichste Variante des Toxins resistent. Wissenschaftler sind alarmiert. Eine Gruppe von Agrarwissenschaftlern um Joseph Spencer von der University of Illinois schrieb bereits im März einen Brief an den Leiter der US-Umweltbehörde EPA, in dem die Forscher dringend dazu aufrufen, sich mit dem Problem zu befassen, bevor sich die resistenten Käfer weiter ausbreiten.
Unerwartet kommt das Problem nicht – genau wie Krankheitserreger gegen Antibiotika resistent werden können, entwickeln Ernteschädlinge früher oder später Unempfindlichkeiten gegen häufig auftretende Gifte. Die Probleme sind die gleichen, die auch auf Antibiotika zutreffen: Die veränderten Pflanzen werden insgesamt zu oft eingesetzt, nicht nur dann, wenn es nötig wäre. Die Wissenschaftler beklagen in ihrem Memorandum, dass Bauern den Mais routinemäßig auch in Gebieten anpflanzen, in denen die Maiswurzelbohrer nur geringe ökonomische Schäden hervorrufen. Zunehmend gebe es zudem gar kein anderes Saatgut mehr auf dem Markt, schreiben die Forscher.
Zudem macht die Biologie der Käfer den Forschern einen Strich durch die Rechnung. "Erste Ergebnisse zeigen, dass der Maiswurzelbohrer schlicht oft nicht dorthin geht, wo wir ihn vermuten", schrieb zum Beispiel Joseph Spencer von der University of Illinois. Der Entomologe erforscht die Effektivität eines zentralen Teils der Resistenzvermeidung, nämlich die Refuge-Gebiete, die Bauern in Feldern mit Bt-Mais anlegen müssen. Dabei bepflanzt der Landwirt einen Teil des Felds mit einer nicht vor dem Schädling geschützten Maissorte. In diesen Refuge-Bereichen vermehren sich gegenüber Bt-Toxin empfindliche Maiswurzelbohrer stark. Diese Tiere sind gegenüber den wenigen im eigentlichen Feld lebenden resistenten Käfervarianten in der Überzahl, so dass die resistenten Exemplare sich nahezu zwangsläufig mit nichtresistenten Partnern paaren. So wollen die Bauern verhindern, dass resistente Maiswurzelbohrer miteinander wiederum resistente Nachkommen zeugen und sich eine widerstandsfähige Population etabliert.
Das allerdings hat sich als vergebliche Hoffnung erwiesen. Die Käfer nämlich fliegen nicht annähernd so weit zu möglichen Partnern wie vermutet – die Refuge-Strategie stütze sich auf veraltete Daten, beklagt Spencer. Anders als vermutet dringen die Käfer aus den Refuge-Bereichen gar nicht zu allen potenziell resistenten Populationen vor.
Doch die meisten Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass der Hintergrund der neu aufgetretenen Resistenzen weniger im Verhalten der Käfer als vielmehr im Verhalten der Bauern zu suchen ist: "Es handelt sich dabei in erster Linie um ein Managementproblem", erklärt Stefan Vidal von der Abteilung für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität Göttingen. "Die Farmer im amerikanischen Corn Belt haben über Jahre Bt-Mais der ersten Generation mit zu geringer Wirksamkeit angebaut." Das habe, vermutet der Forscher, auch mit der Marktmacht von Unternehmen wie Monsanto zu tun, die dazu führte, dass die Bauern über große Landstriche nur eine einzige Sorte anbauten.
Außerdem seien oft die erforderlichen Bt-freien Refuge-Bestände nicht angepflanzt worden. "Die Bauern halten sich oft nicht an die 20-Prozent-Regel, weil es zusätzlichen Aufwand bedeutet."
Auch die Forscher um Spencer sind zuversichtlich, dass die resistenten Käfer mit einer geeigneten Strategie in Schach gehalten werden können. Allein, man müsse dringend an solchen Strategien arbeiten. Die Agrarwirtschaft hat sich zu lange auf die Widerstandskraft der transgenen Sorten verlassen – damit müsse nun Schluss sein, schreiben sie und listen eine Reihe von Maßnahmen auf, mit denen sie das Problem in Zukunft in Schach halten wollen: transgenen Mais nur noch da anpflanzen, wo es sinnvoll und notwendig ist, dort regelmäßig zwischen Sorten mit unterschiedlichen Bt-Proteinen wechseln und andernorts eine größere Palette nicht transgener Hybriden entwickeln und verwenden, so dass die Bauern mehr Alternativen beim Saatgut haben.
Für die Biotechnologie allerdings sind die resistenten Käfer ein Warnschuss: Es reicht eben nicht, im Labor schädlingsresistente Sorten zu erzeugen; Forscher müssen sehr genau die Wechselwirkung zwischen Pflanze und Schädling beobachten und mit geeigneten Maßnahmen auf den Feldern kontinuierlich verhindern, dass die Tiere sich anpassen. Als warnendes Beispiel sollte das Schicksal der Antibiotika nur allzu präsent sein.
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