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Artenschutz: Rettung für das nördliche Breitmaulnashorn naht

Der Mensch hat das nördliche Breitmaulnashorn fast ausgerottet: Es gibt nur noch zwei weibliche Tiere. Neue Forschungsergebnisse machen nun Hoffnung, dass sich die Unterart retten lässt.
Ein Nashorn-Embryo liegt in einer Hand
Der Nashorn-Embryo, der bei seinem Tod nur 6,4 Zentimeter klein war, wäre ein Bulle geworden. Es ist das erste Mal, dass eine künstliche Befruchtung bei Nashörnern in der freien Wildbahn geglückt ist.

Das nördliche Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni) ist so gut wie ausgestorben: Es leben nur noch zwei Tiere dieser Unterart. Nun aber ist ein Forschungsteam dem Ziel, die Subspezies zu retten, einen wichtigen Schritt nähergekommen. Den Fachleuten gelang es, einen Nashorn-Embryo, der aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangen war, zumindest eine Zeit lang von einer Nashornkuh austragen zu lassen. Zwar handelte es sich sowohl bei dem Embryo als auch seiner Leihmutter um vergleichsweise häufig vorkommende südliche Breitmaulnashörner (Ceratotherium simum simum). Doch wenn die Methode so weit ausgereift ist, dass sie verlässlich funktioniert, sollen mit ihr auch Nachkommen der nördlichen Unterart erzeugt werden.

Das nördliche Breitmaulnashorn hat eine Lebenserwartung zwischen 40 und 45 Jahren und gilt als das seltenste Großsäugetier der Welt. Insgesamt gibt es nur noch zwei Individuen: Najin und ihre Tochter Fatu, 33 und 23 Jahre alt, die in Kenia leben und beide unfruchtbar sind. Vor allem die illegale Wilderei, getrieben von der Nachfrage nach dem Horn der Tiere, hat die Unterart an den Rand des Aussterbens gebracht. Ihr Schicksal ist eigentlich besiegelt, da sie auf natürlichem Weg keine Nachkommen mehr hervorbringen kann. Doch Fachleute haben Spermien von männlichen Exemplaren aufbewahrt und damit Eizellen des jüngeren Weibchens auf künstliche Weise befruchtet. Die daraus entstandenen Embryos sollen später von einer Leihmutter der südlichen Unterart ausgetragen werden.

Die letzten ihrer Art | Najin und Tochter Fatu sind die beiden letzten lebenden Nördlichen Breitmaulnashörner der Welt. Der letzte Bulle starb 2018.

Der jetzt geglückte Embryonentransfer auf die Leihmutter gelang erst nach 13 Anläufen. Es sei der weltweit erste erfolgreiche derartige Eingriff bei den Dickhäutern, erklärten Teilnehmer des Wissenschafts- und Artenschutzprogramms »BioRescue«. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) leitet das Forschungsprojekt. »Zusammen haben wir etwas erreicht, was wir nie für möglich gehalten haben«, sagte der Veterinärmediziner und Projektleiter Thomas Hildebrandt gegenüber der dpa. Nun sei man dem Traum, eine gesunde und genetisch stabile Population an nördlichen Breitmaulnashörnern wiederherzustellen, ein gutes Stück nähergekommen. Es habe viele Jahre gedauert, diesen Erfolg zu erzielen. Mit der Methode lassen sich möglicherweise auch weitere bedrohte Arten retten.

Riskante Schwangerschaft

Der Embryo wurde in einem italienischen Reproduktionslabor durch künstliche Befruchtung hergestellt und im September vergangenen Jahres in Kenia in die Leihmutter eingesetzt, was zu einer Schwangerschaft führte. Allerdings starb die trächtige Nashornkuh an einer Infektion – und mit ihr der 70 Tage alte und 6,5 Zentimeter lange männliche Fötus. »Er war noch sehr weit von der Geburt entfernt, deswegen hätte man ihn nicht retten können«, erläutert Susanne Holtze vom Leibniz-IZW. Eine Schwangerschaft der Nashorn-Weibchen dauere 16 Monate.

Die Versuche sind zunächst mit Tieren der südlichen Unterart erfolgt, um die wertvollen Embryonen der nördlichen Unterart so lange aufzuheben, bis genügend Erfahrungen mit der Methode gesammelt wurden. Dann möchten die Forscher das Verfahren auf die nördliche Subspezies übertragen. Möglicherweise wird der erste entsprechende Versuch schon im Mai oder Juni dieses Jahres starten. Dafür wurden in den zurückliegenden Jahren 30 Embryonen des nördlichen Breitmaulnashorns erzeugt und eingefroren. Als Leihmütter kommen allerdings nicht die letzten beiden Tiere der Unterart in Frage, da sie zu alt und zu krank sind, um eine Schwangerschaft durchzustehen. Deshalb wird das Team die kostbaren Embryonen von weiblichen Tieren des südlichen Breitmaulnashorns austragen lassen.

Bis zu einer erfolgreichen Geburt könnten noch Jahre vergehen. Die dabei auf die Welt gekommenen Jungtiere sollen zu den verbliebenen Nashornkühen Najin und Fatu im kenianischen Reservat Ol Pejeta kommen. Dort werden die Tiere rund um die Uhr bewacht und gepflegt. »Die Haltung der letzten beiden nördlichen Breitmaulnashörner ist eine riesige Verantwortung«, betont der Leiter für Forschung und Artenschutz, Samuel Mutisya. Die Beteiligten täten alles in ihrer Macht stehende, um die Unterart zu erhalten. (dpa/fs)

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