Paläontologie: Revolutionäre Knabberei
Vor 380 Millionen Jahren explodierte die Artenvielfalt im Meer - tatkräftig unterstützt von angeknabberten Seelilien-Armen.
Seelilien gehören nicht gerade zu den spektakulärsten Vertretern des Tierreichs. Die zu den Stachelhäutern zählenden Kreaturen bestehen schlicht aus einem am Meeresboden festgewachsenen Stiel, auf dem zahlreiche Fangarme sitzen, mit denen sie vorbeitreibende Planktonorganismen einfangen. Dennoch muss sich dieser einfache, aber durchaus ästhetische Bauplan bewährt haben: Seit über 500 Millionen Jahren gibt es die Klasse der Crinoidea, und manche von ihnen haben sich seitdem fast gar nicht verändert.
Derartige Artenexplosionen spiegeln häufig den ewigen Wettkampf zwischen Räubern und Beute wider: Während die Beute versucht, sich dem Räuber auf irgendeine Art und Weise zu entziehen, wird der Räuber alles daran setzen, neu errungene Schutzmechanismen der Beute zu unterlaufen. Beides treibt die Evolution entsprechend an.
Indem die Tiere versuchten, ihre verlorenen Fangarme zu ersetzen, präsentierten sie ihren Feinden einen ständig gedeckten Tisch, die sich daher gut vermehren konnten. Daraufhin schützten sich die ständig angeknabberten Seelilien mit Stacheln und Panzern – und trieben damit die Evolution erst richtig an, indem sie neue scharfzähnige Raubfischarten herausselektionierten.
Dass diese genügsamen Tiere einen wichtigen Beitrag für die Evolution von Meeresräubern gespielt haben sollen, überrascht zunächst, doch genau das behaupten Tomasz Baumiller und Forest Gahn. Die beiden Paläontologen – Baumiller arbeitet an der Universität von Michigan, Gahn forscht am Nationalen Naturgeschichtlichen Museum in Washington – interessierten sich für die Frage, warum es vor 440 bis 360 Millionen Jahren zu einer wahren Artenexplosion im Meer gekommen ist. In dieser Periode, die auch als Mittelpaläozoische Marine Revolution bekannt ist, nahm vor allem die Artenvielfalt unter räuberischen Knochenfischen und Haien zu.
Derartige Artenexplosionen spiegeln häufig den ewigen Wettkampf zwischen Räubern und Beute wider: Während die Beute versucht, sich dem Räuber auf irgendeine Art und Weise zu entziehen, wird der Räuber alles daran setzen, neu errungene Schutzmechanismen der Beute zu unterlaufen. Beides treibt die Evolution entsprechend an.
So kennen Paläontologen Schneckenfossilien aus dem Erdaltertum, bei denen die Schale anscheinend repariert worden ist. Diese Schnecken mit einer entsprechend harten Schale haben offensichtlich einen räuberischen Angriff überlebt und konnten sich daher erfolgreich weiter vermehren. Die Schneckenarten entwickelten so immer dickere Schalen, sodass wiederum Fischarten, die sich von den Weichtieren ernährten, nur dann die strenge Auswahl der Selektion überstanden, wenn sie über entsprechend kräftige Beißwerkzeuge verfügten.
Auch die Seelilien mussten sich damals gegen gefräßige Räuber zur Wehr setzen. Sie taten das, indem sie beispielsweise dickere Skelettplatten und härtere Stacheln entwickelten. Außerdem verfügen Stachelhäuter über die praktische Fähigkeit, verlorene Körperteile wieder nachwachsen zu lassen.
Diese Regenerationsfähigkeit der Crinoiden scheint sich jedoch nach und nach entwickelt zu haben. Denn Baumiller und Gahn untersuchten bei mehr als 2500 gut erhaltenen, 490 bis 290 Millionen Jahre alten Seelilienfossilien, inwieweit die Tiere verlorene Arme ersetzen konnten. Dabei zeigte sich, dass weniger als fünf Prozent der Fossilien aus dem Ordovizium und Silur – also dem frühen Erdaltertum – regenerierte Arme zeigten. Ungefähr 100 Millionen Jahre später, im Devon vor etwa 380 Millionen Jahren, nahm die Regenerationsfähigkeit deutlich zu; aus dieser Zeit zeigen mehr als zehn Prozent der Fossilien reparierte Tentakeln.
Indem die Tiere versuchten, ihre verlorenen Fangarme zu ersetzen, präsentierten sie ihren Feinden einen ständig gedeckten Tisch, die sich daher gut vermehren konnten. Daraufhin schützten sich die ständig angeknabberten Seelilien mit Stacheln und Panzern – und trieben damit die Evolution erst richtig an, indem sie neue scharfzähnige Raubfischarten herausselektionierten.
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