»Everything will change«: Ein Appell für den Artenschutz: Alle wissen Bescheid
»Alle wussten, dass das passiert?!« Ungläubig reagieren die Protagonisten Ben und Fini, als sie erfahren, dass die Erde früher von zahlreichen Tieren und Pflanzen bevölkert war – und wir den Arten langsam beim Aussterben zugesehen haben. Die Szene spielt im Jahr 2054 und zeichnet eine dystopische Zukunft: Die Landschaft ist von Windrädern und Solarzellen durchzogen, es gibt zwar auch ein paar Bäume, diese haben jedoch alle knallrote Blätter. Saftiges Grün, brummende Insekten, singende Vögel – Fehlanzeige. Der Planet ist stumm geworden.
Am 14. Juli 2022 kommt das Filmdrama »Everything will change« des Regisseurs und Filmautors Martin Persiel in die deutschen Kinos, das beim Zurich Film Festival 2021 für den Science Film Award nominiert und beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2022 mit dem Publikumspreis Spielfilm ausgezeichnet wurde. In einer Mischung aus Sciencefiction und Dokumentation warnt das Werk vor einer Zukunft, in welcher der Mensch alles Leben auf der Erde verdrängt hat. Doch es zeigt auch Wege auf, wie man dieser Dystopie entgehen kann.
Ein erschreckendes Märchen
Aufgezogen ist das Ganze wie ein Märchen: Die Erzählerin ist eine alte Frau, welche die Zuschauerinnen und Zuschauer durch die Geschichte führt. Protagonisten sind Cherry, Fini und Ben, drei junge Erwachsene, die eines Tages zufällig auf das Bild einer Giraffe stoßen. Als sie einen älteren Mann fragen, worum es sich dabei handelt, sind sie extrem erstaunt, dass das erstaunliche Tier wirklich existierte. Obwohl die ältere Generation die Artenvielfalt miterlebt hat, spricht niemand davon.
Und so nimmt die Geschichte des Märchens ihren Lauf: Während Cherry an einen Fake glaubt und ihrem neuen Job nachgehen will, stoßen Ben und Fini durch ihre Nachforschungen auf eine Schatzkarte, die sie zu einem versteckten Bunker führt, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Informationen zu den ausgestorbenen Arten dokumentieren und archivieren. Die zwei jungen Männer sehen sich dort etliche Dokumentationen der vergangenen Jahrzehnte an. Das Gesehene berührt sie zutiefst. Daher beschließen sie, zu handeln, um ihre Gesellschaft wachzurütteln. Doch wie in jedem Märchen verläuft ihr Vorhaben nicht nach Plan …
Originalaufnahmen von Dokumentarfilmen
Der Film besteht aus zahlreichen Originalaufnahmen von Dokumentationen der letzten 50 Jahre, in denen unter anderem die Ökologen Stuart L. Pimm, Thomas Lovejoy und der Klimaforscher Mojib Latif auftauchen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen dabei beispielsweise die erschreckenden Bilder der Buschbrände in Australien 2019/20: wie Koalas mit verbranntem Fell versuchen, sich auf abgebrannten Baumstümpfen vor den Flammen zu retten. Nicht nur die Bilder rütteln wach, man erhält auch Hintergrundinformationen zu den fünf großen Massenaussterben der Erdgeschichte, über unsere aktuelle Lage (laut einem UN-Bericht des Jahres 2010 sterben alle 24 Stunden 150 bis 200 Arten aus), von Phänomenen wie Zombie-Arten und dem Shifting-Baseline-Syndrom.
Man sieht aber nicht nur Negatives: Fini und Ben bestaunen auch die unglaubliche Schönheit der untergegangenen Arten: etwa das Balzverhalten von männlichen Fischen und Vögeln, die ihre Farbenpracht aufleben lassen, um Weibchen zu beeindrucken. Auch die Vielfalt der Pflanzenwelt, das saftige Grün der Regenwälder oder bunte Blütenmeere faszinieren die beiden Protagonisten.
Der Film liefert nicht nur allerlei Informationen zu Biodiversität und Artensterben, sondern spricht auch extrem interessante philosophische Fragen an: Ist der Mensch Teil der Natur oder steht er über ihr? Sollten wir in Zukunft mit der Natur vereint leben oder Zonen schaffen, in denen Tiere und Pflanzen unberührt und isoliert sich selbst überlassen sind? Aufnahmen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erörtern verschiedene Standpunkte zu den Themen.
Martin Persiel macht mit seinem Werk eindeutig klar, dass wir jetzt dringend handeln müssen, um die abgezeichnete Zukunft nicht wahr werden zu lassen. Etwas mehr Geschichte zu dieser fiktiven Gesellschaft im Jahr 2054 hätte man sich allerdings gewünscht: Man erfährt nicht, warum nach so kurzer Zeit niemand mehr über Tiere spricht, obwohl die ältere Generation mit ihnen aufgewachsen ist. Ebenso bleibt unerwähnt, was aus den Pflanzen geworden ist und warum die verbleibenden Bäume und Sträucher knallrote Blätter haben.
Auch die Story ist denkbar einfach gehalten und nicht besonders einfallsreich. Im Fokus stehen eindeutig die Ausschnitte aus Dokumentationen, die in eine kurze Sciencefiction-Märchengeschichte eingebettet sind. Das Hauptziel des Films, die Menschen wachzurütteln, sollte durch die eindringlichen Originalaufnahmen und präsentierten Fakten durchaus gelingen. Nun liegt es an uns, zu handeln.
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