Schwerkraftsimulator: Riesen-Quantenwirbel simuliert Schwarzes Loch
Ein Schwarzes Loch im Labor nachzubauen ist einfacher, als man denkt – man braucht nur einen Quantenwirbel aus supraflüssigem Helium. Damit nämlich hat eine Arbeitsgruppe um Patrik Švančara und Silke Weinfurtner nun die gekrümmte Raumzeit nahe dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs nachgebildet. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Nature« berichtet, besteht der Quantenwirbel aus tausenden einzelnen Wirbelquanten – der geringsten Rotation, die ein Wirbel in supraflüssigem Helium haben kann. Diese Wirbelquanten wechselwirken mit dem sie umgebenden Helium ganz ähnlich wie große Massen mit der sie umgebenden Raumzeit. Eine Ansammlung von Tausenden von ihnen wirken deswegen auf ihre Umgebung wie ein rotierendes Schwarzes Loch – zerstören im Gegensatz zu diesem aber nicht die Erde.
Für ihren Versuch entwickelte die Arbeitsgruppe einen Gravitationssimulator, in diesem Fall einen Tank mit mehreren Litern supraflüssigem Helium. Kleine Anregungen wie Schall- oder Oberflächenwellen verhalten sich darin wie Felder in einer gekrümmten Raumzeit. Solche Simulatoren – neben Supraflüssigkeiten lassen sich unter anderem ultrakalte Atomwolken dafür nutzen – haben bereits geholfen, Vorhersagen der Quantenmechanik in gekrümmten Raumzeiten zu untersuchen. Supraflüssiges Helium, das sich bei Temperaturen von weniger als zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt bildet, hat keinerlei innere Reibung und nur eine extrem geringe Viskosität, die entscheidende Voraussetzung für einen Gravitationssimulator.
Außerdem enthält es unzählige winzige Wirbel. Diese so genannten topologischen Defekte sollte man sich jedoch nicht wie Wirbel in Wasser vorstellen, sondern eher wie Grafikfehler in einem Computerspiel. Jeder dieser Wirbel ist quantisiert, das heißt, seine Rotation kann bloß einen ganz bestimmten Wert, das Wirbelquantum, annehmen. Und dadurch muss auch ein klassischer Wirbel, wie er zum Beispiel über einem Abfluss entsteht, ein exaktes Vielfaches davon haben. Allerdings sind diese Wirbelquanten so klein, dass uns klassische Wirbel kontinuierlich vorkommen. Der Trick dabei ist wieder die Analogie zur Schwerkraft. Da die Miniwirbel ihre Umgebung ähnlich beeinflussen wie rotierende Massen, verhält sich ein Riesen-Quantenwirbel mit tausenden oder mehr Wirbelquanten im Kern immer mehr wie ein rotierendes Schwarzes Loch.
Das Problem daran ist jedoch, dass Quantenwirbel mit gleichem Drehsinn die Neigung haben, sich voneinander wegzubewegen. Aus diesem Grund bleiben Riesenwirbel mit vielen Wirbelquanten im Kern normalerweise klein, und je mehr Wirbelquanten sie ansammeln, desto instabiler werden sie. Das bedeutet, dass man in einer Supraflüssigkeit zwar auf die gleiche Weise einen Wirbel erzeugen kann wie am Abfluss einer Badewanne – was das Team um Švančara und Weinfurtner auch tat«–, aber wenn man ihn weiter mit Rotation füttert, rotiert er nicht stärker, sondern es spalten sich kleine Wirbel ab und verteilen sich im Rest der Flüssigkeit.
Das ist neben der Instabilität das zweite zentrale Problem bei der Simulation des Schwarzen Lochs: Damit die Supraflüssigkeit der Raumzeit um ein Schwarzes Loch ähnelt, muss sich die Rotation auf den Kern des Wirbels beschränken. Die Arbeitsgruppe löste dieses Problem mit einem speziellen Versuchsaufbau, in dem ein Propeller den Wirbel erzeugt – gleichzeitig aber so wenig Rotation wie möglich aus ihm heraussickern lässt. Außerdem entwickelte das Team eine »minimalinvasive« Technik, um den Versuchsaufbau zu beobachten, ohne ihn zu stören: Demzufolge bildet sich das Geschehen im Inneren präzise als Wellen und Strukturen an der Oberfläche ab, die sich bequem von außen beobachten lassen.
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