Tukane: Riesenschnabel dient als Klimaanlage
Grobmonströses Anhängsel – so bezeichnete der französische Naturkundler Georges-Louis Leclerc de Buffon den überdimensionierten Schnabel des südamerikanischen Toco- oder Riesentukans (Ramphastos toco), dessen Funktion bislang nicht gänzlich verstanden war: Vom schmückenden Ornament der sexuellen Auslese, über Erleichterungen beim Früchteschälen bis hin zu Vorteilen beim Plündern der Nester von Höhlenbrütern zogen Biologen viele Erklärungen in Betracht. Diesen fügen nun Glenn Tattersall von der Brock University im kanadischen St. Catharines und seine Kollegen eine weitere Theorie hinzu: Der Riesenschnabel dient demnach als Kühlanlage für den Vogel.
Da Vögel nicht schwitzen, müssen sie anderweitig ihre Körpertemperatur regulieren, wenn ihnen zu heiß wird. Beim Tukan übernimmt offensichtlich der Schnabel diese Funktion, denn er ist nicht nur sehr groß – immerhin der ausladendste der Vogelwelt –, sondern auch noch intensiv durchblutet und nicht mit isolierenden Federn bedeckt. Damit sein Besitzer bei kühler Witterung nicht friert, weil er zu viel Wärme abgibt, muss der Tukan diesen Austausch aktiv steuern – ein Vorgang, den die Forscher mittels Wärmebildkameras beobachteten.
Der befiederte Vogelkörper beispielsweise verliert selbst in kühleren Stunden wenig Energie, da er gut isoliert ist. Die nackte Augenpartie wiederum, die konstant mit Blut versorgt wird, strahlt dagegen stets viel Wärme ab – wegen ihrer bescheidenen Ausmaße allerdings folgenlos. Ganz anders dagegen der Schnabel, den der Tukan sehr flexibel als Wärmeableiter verwendet: Ist dem 60 Zentimeter großen Spechtverwandten zu warm, so strahlt er bis zu viermal so viel Energie über seinen mehr als 20 Zentimeter langen Schnabel an die Luft ab wie über den gesamten Torso. Umgekehrt reduziert er bei Bedarf diesen Verlust auch auf ein Viertel des Körperwerts – keinem anderen Wirbeltier gelingt dies nach bisherigem Wissen derart umfangreich.
Seine Klimaanlage setzt der Tukan nicht nur ein, wenn er ruht, sondern gerade auch, wenn er sich bewegt: Beim Fliegen steigert er den Blutfluss in sein horniges "Anhängsel" so stark, dass er dessen Temperatur innerhalb von wenigen Minuten um bis zu 7 Grad Celsius aufheizt. Begibt er sich abends zur Ruhe, senkt er darüber ebenfalls rasch seine Körpertemperatur zum Schlafen. Damit er anschließend nicht zu stark auskühlt, steckt der Vogel den Schnabel schließlich unter die dämmenden Flügelfedern. Insgesamt kann der Tukan zwischen 5 und für kurze Phasen sogar bis zu 100 Prozent seines gesamten Wärmetransfers an die Außenwelt über den Schnabel steuern.
Jungvögeln gelingt diese Thermoregulation allerdings weniger gut: Sie verlieren auch während frischer Witterung übermäßig viel Wärme über ihren Schnabel und frösteln als Nestlinge daher bereits bei Außentemperaturen von bis zu 27 Grad Celsius. Diese Unannehmlichkeit müssen sie in Kauf nehmen, weil in dieser Zeit der Riesenschnabel rapide wächst und mit Nährstoffen versorgt werden muss. Womöglich ist dies einer der wichtigsten Gründe, warum Tukane – und die ähnlichen Nashornvögel Asiens – nur in tropischen Gefilden vorkommen. (dl)
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