Asteroideneinschläge: Was schlug in Grönland ein?
Seit mehr als 20 Jahren wird der grönländische Eisschild, der rund 80 Prozent der größten Insel der Welt bedeckt, mittels Radarwellen von Flugzeugen und Satelliten aus vermessen und durchleuchtet. Die Radarwellen können die bis zu zwei Kilometer dicken Eisschichten durchdringen und ermöglichen so Aufschlüsse über die Gestalt des festen Landes darunter. Dabei fiel vor einigen Jahren Geowissenschaftlern um Kurt H. Kjaer vom dänischen Museum für Naturgeschichte in Kopenhagen im hohen Norden Grönlands direkt am Eisrand eine rundliche Vertiefung mit 31 Kilometer Durchmesser in den Radarkarten auf. Sie erregte schnell den Verdacht, sie könnte ein Einschlagkrater sein. Weitere Erkundungen mittels eines Radarflugzeugs des deutschen Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven und die Entnahme von Bodenproben bestätigen nun die Vermutung.
Anhand der in den Radarbildern erkennbaren Morphologie stellten die Forscher fest, dass der Krater rund 320 Meter tief ist und eine Anhäufung von kleineren Hügeln exakt im Zentrum aufweist, bei der es sich um den Zentralberg, englisch: central uplift, handelt. Derartige Zentralberge sind bei den Mondkratern sehr häufig anzutreffen und lassen sich schon mit einem Feldstecher sichten. Dagegen sind unter den rund 190 auf der Erde bestätigten Einschlagstrukturen bislang nur sehr wenige Zentralbergkrater bekannt – der am leichtesten zugängliche befindet sich am Ostrand von Baden-Württemberg: Es ist das sehr gut erhaltene, rund 3,5 Kilometer große Steinheimer Becken am Albuch in der Schwäbischen Alb, das vor rund 14,5 Millionen Jahren entstand. Es bildete sich zeitgleich mit dem Nördlinger Ries, das mit einem Durchmesser von rund 24 Kilometern als der bislang jüngste große Einschlagkrater auf der Erde gilt.
Weiter erhärtet wurde der Verdacht, als Forscher Bodenproben am Ausfluss des Kraterbeckens entnahmen, in dem ein Schmelzwasserfluss zu Tage tritt, der an einer Gletscherzunge entspringt. In den dortigen Flusssedimenten stießen die Forscher auf Minerale, die deutliche Anzeichen einer Stoßwellenmetamorphose zeigen. Sie fanden so genannte planare Deformationsfiguren in Kristallkörnern aus Quarz und Feldspäten, die nur beim Durchgang einer starken Stoßwelle wie bei einem Impakt oder der Explosion einer Atombombe entstehen. Es sind feinste Lamellen aus Glas – hier ist der Kristall bei der Aufheizung beim Durchgang der Stoßwelle, der nur Sekundenbruchteile dauerte, in kleinen Bereichen aufgeschmolzen und sehr rasch erstarrt. Der Nachweis solcher Strukturen ist immer ein starker Beweis für einen Einschlag.
Die Forscher nehmen an, dass der Krater durch den Einschlag eines rund 1500 Meter großen Projektils aus Nickeleisen entstand, das sich von der Erdatmosphäre kaum gebremst, einige hundert Meter in den Boden bohrte. Dabei wird die kinetische Energie des Objekts, das sich mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 20 Kilometern pro Sekunde (72 000 Kilometern pro Stunde) bewegte, schlagartig in Wärme umgewandelt. In der Folge verdampft das Projektil – egal ob es nun Eisen oder Gestein ist – innerhalb von Sekundenbruchteilen, da Temperaturen von mehr als 20 000 Grad Celsius überschritten werden. Somit explodiert es mit enormer Wucht und sprengt einen Krater in das Gestein im Untergrund. Außerdem breiten sich starke Stoßwellen mit mehreren Kilometern pro Sekunde in den Gesteinen aus.
Der anfängliche Krater maß zunächst 20 Kilometer im Durchmesser und rund sieben Kilometer in der Tiefe, war aber instabil. Innerhalb einer Minute kollabierten die steilen Kraterwände, und der durch die Stoßwelle komprimierte Fels im Untergrund federte ähnlich wie eine Flüssigkeit zurück. Daraus ging schließlich der endgültige Krater mit einem Durchmesser von 31 Kilometern und einer Tiefe von 800 Metern hervor, der dann nach und nach mit Gestein aufgefüllt wurde und daher jetzt nur noch 320 Meter tief ist.
Völlig unklar ist jedoch das Alter des Kraters, er muss auf Grund seiner guten Erhaltung aus geologischer Sicht sehr jung sein. Die Forscher gehen von drei Millionen Jahren bis hinunter zu nur 12 000 Jahren für das Entstehungsalter aus, diese Frage muss nun dringend anhand weiterer geologischer Untersuchungen und radiometrischer Datierungen geklärt werden. Vielleicht können am nördlichen Kraterwall, der nicht völlig von Eis bedeckt ist, Impaktschmelzen aufgespürt werden. Diese werden nach der Typlokalität im Nördlinger Ries weltweit als Suevite bezeichnet. Sehr oft enthält es Fladen aus Glas, die sich bei der Explosion des Projektils aus den getroffenen Gesteinen bildeten. Hiermit sollte es dann möglich sein, das Impaktalter genauer einzugrenzen. Auf jeden Fall wird der Krater unter dem Hiawatha-Gletscher ein hochinteressantes Arbeitsgebiet für die Impaktforscher sein, auch wenn der Zugang zu ihm sehr schwierig ist.
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