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Glaziologie: Riesiger Schmelzwasservorrat auf Grönland versteckt

Grönlands Eis wird dunkler

Eigentlich wollten Richard Forster von der University of Utah in Salt Lake City und seine Kollegen im Jahr 2011 nur messen, wie dick die Schneeschichten sind, die im Winter auf den grönländischen Eisschild fallen, bevor sie zu Eis werden. Doch schon bald stießen sie auf eine wassergesättigte Schicht – obwohl es noch zeitiges Frühjahr war und die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt lagen. Das Schmelzwasser stammte also mindestens aus dem letzten Sommer und hatte unter der isolierenden Schneeschicht den kalten Winter überstanden. Und diese Überraschung wiederholte sich mehrmals: Immer wieder mussten sie ihre Bohrungen wegen eines Wassereinbruchs abbrechen, mal nach 10, mal nach 25 Metern. Zahlreiche Radaraufnahmen später können die Glaziologen nun sagen: Unter dem Schnee verbirgt sich ein rund 70 000 Quadratkilometer großer Wasserspeicher im südlichen Grönland, dessen Obergrenze in 5 bis 50 Metern Tiefe unter der schneebedeckten Oberfläche liegt.

Schmelzwasser | Unerwartetes Tropfen: Als die Glaziologen ihr Bohrgestänge aus dem Firn des Gletschers zogen, tropften große Mengen Wasser aus dem Probenmaterialnbsp;- lange vor der sommerlichen Schmelzperiode und bei Lufttemperaturen um minus 15 Grad Celsius.

Damit bestätigen sie Untersuchungen von Joel Harper von der University of Montana in Missoula, der zuvor berechnet hatte, dass im Firn Grönlands enorme Wassermassen zumindest temporär gespeichert sind, die den Abfluss des Schmelzwassers ins Meer bremsen. Als Firn bezeichnet man den Übergang zwischen Schnee und eigentlichem Gletscher, der durch mehrmaliges Tauen und erneutes Gefrieren nicht mehr die feine Kristallstruktur von Schnee aufweist, aber noch nicht so stark kompaktiert ist wie Eis. Bislang war allerdings unbekannt, ob sich in diesem Firn selbst im Winter noch flüssiges Wasser befinden kann. Der starke Schneefall im Süden Grönlands sorgt aber dafür, dass die Schicht nach Ende der sommerlichen Schmelzperiode rasch abgeschirmt wird. Winterlicher Frost kann nicht mehr durchdringen und die Kälte des Gletschers selbst reicht nicht aus, den gesamten Wasservorrat zu gefrieren.

Die Schmelze weitet sich aus | Im letzten Juli erlebte Grönland eine außergewöhnliche Wärmeperiode, in deren Folge sich die Gletscherschmelze zeitweilig auf die gesamte Insel ausweitete. Waren am Anfang nur 40 Prozent des Eisschilds betroffen (links), galt dies vier Tage später praktisch für 100 Prozent der Gletscher (rechts) – ein Extremereignis, das selbst gestandene Klimaforscher überraschte.

Dementsprechend vermuten Forster und Co, dass sich derartige Aquifere vor allem in den niedrigeren Breitenlagen der arktischen Insel ausbilden: Nur dort herrschen die wesentlichen klimatischen Grundbedingungen – hoher Niederschlag, ausgeprägte Schmelze – vor, während weiter nördlich die Winter zu trocken und die Sommer zu kalt sein könnten. Allerdings hat Harpers zumindest an einer Stelle in Westgrönland ebenfalls bereits flüssiges Wasser im Firn nachgewiesen. Insgesamt verändert sich dadurch jedenfalls die Massenbilanz der Gletscher und der Energiehaushalt des Eisschilds, denn das Tauwasser nimmt Wärmeenergie mit ins Eis und entzieht sie damit der Umwelt – was sich letztlich auch wieder auf die Energiebilanz der Arktis auswirkt.

Die Albedo schwindet |

Ungestört brennt die Sonne auf Grönlands Eis. Doch das Weiß schützt sich selbst: Über die Hälfte der einfallenden Strahlung wird von den Eiskristallen direkt reflektiert. So bleibt nur noch ein Rest, der absorbiert wird und die Schmelze fördert.

Doch seit einigen Jahren offenbaren Satellitenbilder, dass diese Rückstrahlung – die Albedo – abgenommen hat. Eine dunklere Oberfläche bedeutet aber auch mehr Absorption und damit mehr Wärme im Eis.

Die Grafik zeigt die Differenz zwischen den Reflexionswerten des Sommers 2011 und dem Durchschnittswert aus den Jahren 2000 bis 2006. Nahezu überall hat sich die Albedo verringert, in manchen Regionen sogar um bis zu 20 Prozent. Besonders stark betroffen sind die küstennahen Gegenden, doch auch im Inselinneren ist ein Rückgang zu verzeichnen.

Zudem könnte das zwischengelagerte Wasser auch die Unterschiede zwischen den von Klimamodellen prognostizierten Eisverlusten und den tatsächlichen, niedrigeren Werten erklären, die von gravimetrischen und Höhenmessungen durch Satelliten ermittelt werden, meint Harper in einem Begleitkommentar zur Studie seiner Kollegen. Der Wasserspeicher fügt den bisherigen Kenntnissen zur Gletscherdynamik jedenfalls eine weitere Fassette hinzu.

Harper selbst schätzt, dass der Firn zwischen 320 und 1290 Gigatonnen Wasser aufnehmen kann; erst dann erreicht das Porenvolumen seine Sättigungsgrenze. Zum Vergleich: Grönland verliert momentan durchschnittlich etwa 290 Gigatonnen Eis pro Jahr (bei einer Gesamtmenge, die bei rund 2,9 Millionen Gigatonnen liegt).

  • Quellen
Nature GEO 10.1038/NGEO2043, 2013

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