Sonnensystem: Riesigen Vulkan auf dem Mars aufgespürt?
Gibt es auf dem Mars einen riesigen Vulkan von neun Kilometern Höhe und einer Basisbreite von 450 Kilometern, der bislang übersehen wurde? Davon sind die Forscher Pascal Lee und Sourabh Shubham vom SETI Institute in Kalifornien und von der University of Maryland überzeugt. Der mutmaßliche Vulkan befindet sich im Bereich der gigantischen Valles Marineris, die sich über mehr als 6000 Kilometer südlich des Marsäquators erstrecken. Der genaue Ort liegt im östlichen Teil von Noctis Labyrinthus, dem »Labyrinth der Nacht«. Diese Strukturen wurden schon im Jahr 1971 vom ersten Marsorbiter Mariner 9 erfasst, als er die erste vollständige Kartierung des Roten Planeten ausführte. Das riesige Tal wurde in der Folge nach der Raumsonde benannt. Derzeit wird die Struktur als »Noctis-Vulkan« bezeichnet, da sie noch nicht offiziell anerkannt ist und ihrer Bestätigung durch weitere Untersuchungen harrt.
Wie aber konnte ein solcher Vulkanriese mehr als 50 Jahre lang übersehen werden? Und das, obwohl der Mars besser kartiert ist als die Erde? Das liegt daran, dass das Noctis Labyrinthus eine extrem zerklüftete Region aus riesigen Tälern ist, die sich netzartig überschneiden. Sie entstanden infolge tektonischer Bewegungen, welche die Marskruste durch Kräfte aus dem Marsinneren anhoben und dehnten, bis sie schließlich einriss. Durch die Dehnung sanken Teile der Kruste um mehrere Kilometer nach unten ab und bildeten die langen, breiten Täler. Daher wird die Gestalt des mächtigen Schildvulkans für das Auge regelrecht aufgelöst und ist kaum zu erkennen.
Erst wenn man sich dreidimensionalen Ansichten und topografischen Daten zuwendet, lässt sich der mögliche Vulkan erahnen. Seine höchste Erhebung beträgt 9022 Meter über dem definierten Nullniveau des Mars, befindet sich aber innerhalb der so genannten Tharsis-Beule, einer riesigen Region mit mehr als 3000 Kilometer Durchmesser, die sich ebenfalls mehrere Kilometer über das Nullniveau erhebt.
Die Zentralregion des Noctis-Vulkans besteht aus mehreren erhöhten Tafelbergen, so genannten Mesas, die einen Bogen bilden und dabei eine regionale Erhebung aufbauen. Von dieser dehnen sich die sanft abfallenden Hänge bis zu einer Entfernung von 225 Kilometern aus. Zudem befindet sich dort eine Kraterstruktur, deren Topografie einer Caldera, einem vulkanischen Einsturzkrater, entspricht. Des Weiteren stießen die beiden Autoren im fraglichen Gebiet auf den Bildern mehrerer Raumsonden, darunter auch von der ESA-Sonde Mars Express, auf erstarrte Lavaströme, pyroklastische Ablagerungen (diese bestehen aus vulkanischen Partikeln und Lockermassen wie Asche, Schlacken und Bimsstein) sowie hydratisierte Minerale, die sich durch den Einfluss von Wasser chemisch verändert haben.
Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass der Noctis-Vulkan über eine lange Zeitspanne hinweg aktiv war; seine letzten Ausbrüche ereigneten sich wohl in der geologischen Neuzeit des Roten Planeten. Darauf weisen dunkle, erstarrte Lavaströme hin, die noch nicht völlig vom allgegenwärtigen rötlichen Marsstaub überlagert wurden. Nun müssen weitere Untersuchungen zeigen, ob sich der vermutete Noctis-Vulkan endgültig bestätigen lässt. Auf jeden Fall ist Noctis Labyrinthus aus geologischer, oder besser areologischer, Sicht ein hoch interessantes Gebiet.
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