Saturnmission: Ringe, Monde, Sensationen
Anfang Juli 2004 fädelte sich die Raumsonde Cassini mitsamt ihrer zwölf Instrumente und dem Huckepack-Begleiter Huygens in den Kreisverkehr um den fernen Ringplaneten Saturn ein. Unzählige Fragen irdischer Wissenschaftler sollten mit 76 Saturnumrundungen, 52 Mond-Rendezvous und vier Jahren Datenerhebung nach und nach beantwortet werden. Und schon nach sieben Monaten waten die Forscher in einer Flut von Erkenntnissen.
Angefangen hatte für Cassini alles mit dem Mond Phoebe – er wurde passiert, als Cassini eigentlich noch gar nicht ins Saturnsystem eingeschwenkt war. Selbst die Auswertungen dieser ersten Fotosession – durchgeführt von Carolyn Porco vom Space Science Institute und 35 Kollegen, unter anderem von der Freien Universität in Berlin und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt [1] –, sind noch längst nicht völlig abgeschlossen.
Dauernd diese Mondaufgänge
Bis dato bestätigen sie Phoebe als eisigen Felsbrocken mit einer unerwartet komplexen Oberfläche, die sich unter der formenden Hand geologischer Prozesse gebildet haben muss. Noch mehr Rätsel gab allerdings der drittgrößte Saturnmond Iapetus auf: Ein schmales, aber stark ausgeprägtes Gebirgs- und Schluchtenband verläuft wie ein Gürtel um seinen Äquator. Zudem ist Iapetus noch eindeutiger zweifarbig, als schon nach den alten Bildern der Voyager-Sonde vermutet worden war: Die riesige "Cassini-Region" auf seiner vorausfliegenden Mondhälfte ist viel dunkler als die Rückseite.
Nicht nur große Monde wie Iapetus und Phoebe haben es aber in sich, wie die Forscher in weiteren Auswertungen der Daten von Cassinis ersten neun Monaten in Saturnnähe destillierten – insbesondere auch in und zwischen den Ringen des Saturns treibt sich einiges Spannendes herum. Zum Beispiel ein paar bislang unentdeckter Monde – oder, je nach Interpretationslaune der Forschergemeinde, größerer Klumpen –, die im Ringmaterial mitschwimmen.
Außerhalb der großen Ringe, zwischen den Umlaufbahnen von Mimas und Enceladus, entdeckte Cassini jedenfalls tatsächlich zwei weitere "richtige" Monde, provisorisch getauft nach Pallene (in der griechischen Mythologie eine rauflustige Gespielin von Dionysos) und Methone (einer Tochter des Hesperidengärten bewachenden Drachen Ladon) [2]. Beide sind zwischen drei und vier Kilometer groß, ebenso der bislang ebenso unbekannte "Polydeuces", der noch ein wenig weiter draußen als bislang größter entdeckter Trojanermond kreist – er folgt Dione, exakt 60 Winkelgrade entfernt am physikalisch stabilisierten Lagrange-Punkt ihrer Umlaufbahn. Pallene gibt sich dagegen eher kapriziös: Ihre Umlaufbahn ist weit genug entfernt von größeren Schwerkrafteinflüssen wie dem vom Mond Mimas, dennoch aber merkwürdig irregulär. Vielleicht hat einmal ein ins System einstürzender Körper größere Objekte zerbröselt und Bruchstücke aus der ursprünglichen Bahn geworfen.
Die Gemeinschaft der Ringe
Der erste Auftritt von Cassini am Saturn war ziemlich spektakulär: Während seines waghalsigen Eintrittsmanöver bremste er sich genau durch die Cassinische Teilung der Saturnringe und kam ihnen so nah, wie niemals wieder auf dem Rest der Reise. Eine ideale Gelegenheit, 85 Bilder aus teilweise nur 16 000 Kilometern von den Ringen zu schießen. Das ermöglichte den Forschern um Porco unter anderem, die Partikelgröße der unterschiedlichen Ringe genauer zu bestimmen.
Die von den Monden im Ringkielwasser nachgeschleppten Turbulenzen halfen auch dabei, die Masse der kleineren Saturnbegleiter genauer zu berechnen – was dann wiederum dazu beitrug, ihre Zusammensetzung besser zu verstehen. Die Minimonde Atlas und Pan etwa scheinen demnach insgesamt sehr porös zu sein, und wahrscheinlich haben sich alle inneren Monde autonom aus herumfliegenden Brocken zusammengebacken.
Im Übrigen feuern die vielfältig einander überlagernden Schwerkraftschleudern von Monden und Saturn aber einiges auch aus dem Orbit heraus. Schon die eintreffende Cassini-Sonde wurde von dem Bombardement von Partikeln sandgestrahlt, die aus dem Saturnsystem herauskatapultiert werden – reiche Beute für den Staubdetektor der Sonde und Forscher um Sascha Kempf vom Max-Planck Institut für Kernphysik, welche die von Cassini gefunkten Analysen der Proben auswerten durften [3].
Manche der Partikel stammen wohl aus dem ausgedehnten A-Ring des Saturns – mit ihnen bietet sich also die auf absehbare Zeit wohl einzige Chance, die Ring-Zusammensetzung anhand handfester Proben aufzuklären. Spektralanalysen hatten gezeigt, dass die Ringe überwiegend aus Wassereis bestehen – fast drei Viertel der herausgefeuererten Partikel allerdings waren Silikatverbindungen. Sie dürften wohl für die Verfärbungen der Ringe verantwortlich sein, glauben die Forscher. Bei Kollisionen würden sie, wegen ihrer weit geringeren Masse, wohl auch häufiger aus dem Orbit katapultiert als die größeren Eisbrocken.
Der Ringmikrokosmos stand auch im Mittelpunkt des Interesses von Jack Hunter Waite von der Universität Michigan und zwölf weiteren Kollegen [4]. Sie enthüllten, dass der A-Ring des Saturns von einer dünnen Ionosphäre oder "Gashülle" umgeben ist, die auch nicht geringe Mengen von molekularem Sauerstoff enthält. Er entsteht allerdings als Abfallprodukt beim einstrahlungsbedingten Zerfall des eisigen Ringmaterials – ebenso wie die Sauerstoffionen und die ebenfalls nachgewiesenen Protonen. O2 ist gar nicht so selten im äußeren Sonnensystem, erklären die Wissenschaftler – auch über Eisflächen von Jupitermonden beobachtet man Sauerstoff. Leben jedenfalls, baut Waite voreiligen Beißreflexen von Exobiologen mit farbiger Fantasie vor, sei eben durchaus nicht die einzige Quelle von Sauerstoff.
Atmosphärische ...
Im September konnten die Wissenschaftler endlich einmal gleichzeitig ihr RPWS-Instrument (Radio and Plasma Wave Science) und die optischen Systeme für fast drei Wochen nutzen, um diese SEDs näher zu erforschen. Überraschend ist dabei nicht nur die Stärke der Entladungen: sie übersteigt Blitze der Erdatmosphäre fast um das Millionenfache. Irgendwie hängen die atmosphärischen Stürme, die Entladungen und heftige Radiowellenemissionen unmittelbar zusammen, wie die Forscher ermittelten – nur sind sie stets in einem merkwürdig verschobenen Rhythmus nacheinander detektierbar. Vielleicht hat dies etwas mit der Ionen blockierenden Schutzschicht auf der Tagseite von Saturn zu tun, kombiniert mit Laufzeitunterschieden der sichtbaren Ereignisse und der Radiowellen. Gut jedenfalls, dass Cassini noch vier Jahre Zeit hat, um weitere Puzzleteile zu sammeln. Bis zu einem vollständig erklärbaren Bild machen sich die mysteriösen Blitze optisch aber auch so schon ganz gut.
Wie sehr es auf Saturn stürmt, ist im Übrigen schon seit den Voyager-Missionen der 1980er Jahre bekannt: Die Äquatorregion wurde mit Rekordgeschwindigkeiten von 470 Metern pro Sekunde zum windigsten Ort des Sonnensystems ausgerufen. Danach hatten Beobachtungen des Hubble-Teleskops aber eine massive Flaute angezeigt. Höchstens 275 Meter pro Sekunde würden erreicht werden, so die damalige Auswertung. Cassini sollte die Streitfrage nun klären und landete mit seiner Messung – höchstens 400 Meter pro Sekunde – prompt in der goldenen Mitte. Spannender als Höchstwerte sind allerdings die Unterschiede der Windgeschwindigkeiten: Die Methanmoleküle in höheren Schichten bewegten sich etwa in der Geschwindigkeit, die auch Hubble gemessen hatte. Je tiefer, desto stürmischer also am Saturnäquator.
Und welche gigantische Energiequelle treibt die heftigen Böen? Porco und Co glauben erste Indizien für eine Energieübertragung durch Konvektionsströme gefunden zu haben: Sie beobachteten in vertikalen Atmosphärenbewegungen dunkle Regionen, die aus tiefer liegenden Schichten aufstiegen und weiter oben in Sturmsystemen aufgingen und Energie abgaben. Nur ein erster Blick, meinen die Forscher, und hoffen auf mehr Daten von Cassini.
... und Magnetarische Novitäten
Vom Wind zum Sonnenwind – genauer gesagt, dem Aufprall des magnetisierten Sonnenplasma-Teilchenstroms auf das komplexe Magnetfeld des Ringplaneten. Die Saturn-Magnetosphäre hielt seit Cassinis lokalem Arbeitsantritt für Wissenschaftler wie David Yound vom Southwest Research Institute und einige Kollegen genug Überraschungen für mehrere Veröffentlichungen parat – und einige werden bestimmt noch folgen.
Beschleunigt von der Rotation des Planeten bildet sich dann auch ein pfannkuchenförmiger Plasmagürtel aus dem Teilchenmix, berichten Forscher um Stamatios Krimigis von der Johns-Hopkins-Universität sowie 31 Kollegen, unter anderem vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Mit "Mimi", dem Magnetospheric Imaging Instrument" wollen sie nun in den noch kommenden siebzig oder mehr Umläufen alle Rätsel des komplexen Magnetosphären-Geschehens lösen. Und die Zeit würden sie auch mindestens brauchen, so Young. Freuen wir uns mit ihm auf vielleicht noch rund achtmal mehr Informationsmaterial aus den Tiefen des Sonnensystems, bis Cassini einmal endgültig verstummen wird.
Dauernd diese Mondaufgänge
Bis dato bestätigen sie Phoebe als eisigen Felsbrocken mit einer unerwartet komplexen Oberfläche, die sich unter der formenden Hand geologischer Prozesse gebildet haben muss. Noch mehr Rätsel gab allerdings der drittgrößte Saturnmond Iapetus auf: Ein schmales, aber stark ausgeprägtes Gebirgs- und Schluchtenband verläuft wie ein Gürtel um seinen Äquator. Zudem ist Iapetus noch eindeutiger zweifarbig, als schon nach den alten Bildern der Voyager-Sonde vermutet worden war: Die riesige "Cassini-Region" auf seiner vorausfliegenden Mondhälfte ist viel dunkler als die Rückseite.
Beide Phänomene bleiben noch unerklärlich, meinen die Forscher – vielleicht hat das Gürtelband, zumindest aber seine auffällige Äquatorlage, etwas mit dem Abbremsen der früher einmal ausgeprägteren Mondrotation zu tun. Der Iapetus-Gürtel ist jedenfalls nicht die allerjüngste Oberflächenstruktur, da er bereits an einigen Stellen durch spätere Meteoritentreffer lokal eingeebnet wurde. Auch die dunklen Flächen der einen Mondhälfte – ebenfalls schon recht alt, da mehrfach später von Einschlägen gezeichnet – sollten wohl durch Kollisionen mit dunkel färbenden Objekten von außerhalb entstanden sein. Mondeigene Asche scheidet dagegen wohl aus, vermuten die Forscher: Vulkanische Aktivitäten hätte der kalten Mond jedenfalls seit langem nicht mehr gezeigt.
Nicht nur große Monde wie Iapetus und Phoebe haben es aber in sich, wie die Forscher in weiteren Auswertungen der Daten von Cassinis ersten neun Monaten in Saturnnähe destillierten – insbesondere auch in und zwischen den Ringen des Saturns treibt sich einiges Spannendes herum. Zum Beispiel ein paar bislang unentdeckter Monde – oder, je nach Interpretationslaune der Forschergemeinde, größerer Klumpen –, die im Ringmaterial mitschwimmen.
Außerhalb der großen Ringe, zwischen den Umlaufbahnen von Mimas und Enceladus, entdeckte Cassini jedenfalls tatsächlich zwei weitere "richtige" Monde, provisorisch getauft nach Pallene (in der griechischen Mythologie eine rauflustige Gespielin von Dionysos) und Methone (einer Tochter des Hesperidengärten bewachenden Drachen Ladon) [2]. Beide sind zwischen drei und vier Kilometer groß, ebenso der bislang ebenso unbekannte "Polydeuces", der noch ein wenig weiter draußen als bislang größter entdeckter Trojanermond kreist – er folgt Dione, exakt 60 Winkelgrade entfernt am physikalisch stabilisierten Lagrange-Punkt ihrer Umlaufbahn. Pallene gibt sich dagegen eher kapriziös: Ihre Umlaufbahn ist weit genug entfernt von größeren Schwerkrafteinflüssen wie dem vom Mond Mimas, dennoch aber merkwürdig irregulär. Vielleicht hat einmal ein ins System einstürzender Körper größere Objekte zerbröselt und Bruchstücke aus der ursprünglichen Bahn geworfen.
Die Gemeinschaft der Ringe
Der erste Auftritt von Cassini am Saturn war ziemlich spektakulär: Während seines waghalsigen Eintrittsmanöver bremste er sich genau durch die Cassinische Teilung der Saturnringe und kam ihnen so nah, wie niemals wieder auf dem Rest der Reise. Eine ideale Gelegenheit, 85 Bilder aus teilweise nur 16 000 Kilometern von den Ringen zu schießen. Das ermöglichte den Forschern um Porco unter anderem, die Partikelgröße der unterschiedlichen Ringe genauer zu bestimmen.
Der breite A-Ring enthält demnach rund zehnmal so große Brocken wie die Cassinische Teilung oder der innere C-Ring. Die Ringe überraschten aus der Nähe zudem mit einer Reihe bislang nie gesehener physikalischer Phänomene – etwa so genannter "Straws", parallel verlaufender, schmaler Lichtband-Erscheinungen von wenigen Kilometern Länge, oder "Ropys", die etwas länger sind. Sie entstehen wohl unter dem Einfluss der regelmäßig wechselnden Gravitationseinflüsse passierender Monde und erinnern ein wenig an wirbelströmende Prozesse, die etwa auch bei Spiralgalaxien zur Bildung der Seitenäste führen können – in einer ganz anderen Größenordnung, versteht sich.
Die von den Monden im Ringkielwasser nachgeschleppten Turbulenzen halfen auch dabei, die Masse der kleineren Saturnbegleiter genauer zu berechnen – was dann wiederum dazu beitrug, ihre Zusammensetzung besser zu verstehen. Die Minimonde Atlas und Pan etwa scheinen demnach insgesamt sehr porös zu sein, und wahrscheinlich haben sich alle inneren Monde autonom aus herumfliegenden Brocken zusammengebacken.
Im Übrigen feuern die vielfältig einander überlagernden Schwerkraftschleudern von Monden und Saturn aber einiges auch aus dem Orbit heraus. Schon die eintreffende Cassini-Sonde wurde von dem Bombardement von Partikeln sandgestrahlt, die aus dem Saturnsystem herauskatapultiert werden – reiche Beute für den Staubdetektor der Sonde und Forscher um Sascha Kempf vom Max-Planck Institut für Kernphysik, welche die von Cassini gefunkten Analysen der Proben auswerten durften [3].
Manche der Partikel stammen wohl aus dem ausgedehnten A-Ring des Saturns – mit ihnen bietet sich also die auf absehbare Zeit wohl einzige Chance, die Ring-Zusammensetzung anhand handfester Proben aufzuklären. Spektralanalysen hatten gezeigt, dass die Ringe überwiegend aus Wassereis bestehen – fast drei Viertel der herausgefeuererten Partikel allerdings waren Silikatverbindungen. Sie dürften wohl für die Verfärbungen der Ringe verantwortlich sein, glauben die Forscher. Bei Kollisionen würden sie, wegen ihrer weit geringeren Masse, wohl auch häufiger aus dem Orbit katapultiert als die größeren Eisbrocken.
Der Ringmikrokosmos stand auch im Mittelpunkt des Interesses von Jack Hunter Waite von der Universität Michigan und zwölf weiteren Kollegen [4]. Sie enthüllten, dass der A-Ring des Saturns von einer dünnen Ionosphäre oder "Gashülle" umgeben ist, die auch nicht geringe Mengen von molekularem Sauerstoff enthält. Er entsteht allerdings als Abfallprodukt beim einstrahlungsbedingten Zerfall des eisigen Ringmaterials – ebenso wie die Sauerstoffionen und die ebenfalls nachgewiesenen Protonen. O2 ist gar nicht so selten im äußeren Sonnensystem, erklären die Wissenschaftler – auch über Eisflächen von Jupitermonden beobachtet man Sauerstoff. Leben jedenfalls, baut Waite voreiligen Beißreflexen von Exobiologen mit farbiger Fantasie vor, sei eben durchaus nicht die einzige Quelle von Sauerstoff.
Atmosphärische ...
Apropos Farbe: Aus 126 Aufnahmen, die Cassini im Oktober schoss, konstruierten die Wissenschaftler die bislang detaillierteste echtfarbige Mosaik-Gesamtansicht des mondumschwirrten Ringplaneten. Ein noch bunteres visuelles Fest bescheren Infrarot-Fotos, mit denen unterschiedliche Methankonzentrationen in der Atmosphäre herausgefiltert wurden. Aus weiteren Aufnahmen schnitten sie zudem ein Video zusammen – zwei Stunden live von der Saturn-Südhalbkugel in Zeitraffer. Gerade hier zeigen sich eindrucksvolle Turbulenzen, Lichterscheinungen und saturntypische, elektrostatische Entladungsprozesse in den Wolkenbändern des Planeten. Letztere, die "SEDs" (Saturn electrostatic discharges), beschäftigte Carolyn Porco mitsamt der üblichen Forscherkohorte seit vergangenem Herbst [5].
Im September konnten die Wissenschaftler endlich einmal gleichzeitig ihr RPWS-Instrument (Radio and Plasma Wave Science) und die optischen Systeme für fast drei Wochen nutzen, um diese SEDs näher zu erforschen. Überraschend ist dabei nicht nur die Stärke der Entladungen: sie übersteigt Blitze der Erdatmosphäre fast um das Millionenfache. Irgendwie hängen die atmosphärischen Stürme, die Entladungen und heftige Radiowellenemissionen unmittelbar zusammen, wie die Forscher ermittelten – nur sind sie stets in einem merkwürdig verschobenen Rhythmus nacheinander detektierbar. Vielleicht hat dies etwas mit der Ionen blockierenden Schutzschicht auf der Tagseite von Saturn zu tun, kombiniert mit Laufzeitunterschieden der sichtbaren Ereignisse und der Radiowellen. Gut jedenfalls, dass Cassini noch vier Jahre Zeit hat, um weitere Puzzleteile zu sammeln. Bis zu einem vollständig erklärbaren Bild machen sich die mysteriösen Blitze optisch aber auch so schon ganz gut.
Wie sehr es auf Saturn stürmt, ist im Übrigen schon seit den Voyager-Missionen der 1980er Jahre bekannt: Die Äquatorregion wurde mit Rekordgeschwindigkeiten von 470 Metern pro Sekunde zum windigsten Ort des Sonnensystems ausgerufen. Danach hatten Beobachtungen des Hubble-Teleskops aber eine massive Flaute angezeigt. Höchstens 275 Meter pro Sekunde würden erreicht werden, so die damalige Auswertung. Cassini sollte die Streitfrage nun klären und landete mit seiner Messung – höchstens 400 Meter pro Sekunde – prompt in der goldenen Mitte. Spannender als Höchstwerte sind allerdings die Unterschiede der Windgeschwindigkeiten: Die Methanmoleküle in höheren Schichten bewegten sich etwa in der Geschwindigkeit, die auch Hubble gemessen hatte. Je tiefer, desto stürmischer also am Saturnäquator.
Und welche gigantische Energiequelle treibt die heftigen Böen? Porco und Co glauben erste Indizien für eine Energieübertragung durch Konvektionsströme gefunden zu haben: Sie beobachteten in vertikalen Atmosphärenbewegungen dunkle Regionen, die aus tiefer liegenden Schichten aufstiegen und weiter oben in Sturmsystemen aufgingen und Energie abgaben. Nur ein erster Blick, meinen die Forscher, und hoffen auf mehr Daten von Cassini.
... und Magnetarische Novitäten
Vom Wind zum Sonnenwind – genauer gesagt, dem Aufprall des magnetisierten Sonnenplasma-Teilchenstroms auf das komplexe Magnetfeld des Ringplaneten. Die Saturn-Magnetosphäre hielt seit Cassinis lokalem Arbeitsantritt für Wissenschaftler wie David Yound vom Southwest Research Institute und einige Kollegen genug Überraschungen für mehrere Veröffentlichungen parat – und einige werden bestimmt noch folgen.
Die Magnetosphäre von Saturn – sie umschließt die Ringe und reicht bis knapp jenseits der Umlaufbahn von Titan – unterscheidet sich von der irdischen gleich in einigen Punkten. Saturn rotiert etwa viel schneller, was eine dreifach höhere Teilchen-Zentrifugalbeschleunigung produziert, zudem finden sich in der Ionosphäre deutlich mehr Ionen, die durch ein Bombardement von Photonen und anderen Ionen aus den eisigen Ringen und mittelgroßen inneren Monden herausgeschlagen werden. Zusammen mit dem Sonnenwind mixt sich das Plasma um Saturn demnach zu einem viel komplexeren Cocktail als jenes in der irdischen Magnetosphäre [6]. Die ist, so Young, dagegen ziemlich langweilig.
Beschleunigt von der Rotation des Planeten bildet sich dann auch ein pfannkuchenförmiger Plasmagürtel aus dem Teilchenmix, berichten Forscher um Stamatios Krimigis von der Johns-Hopkins-Universität sowie 31 Kollegen, unter anderem vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Mit "Mimi", dem Magnetospheric Imaging Instrument" wollen sie nun in den noch kommenden siebzig oder mehr Umläufen alle Rätsel des komplexen Magnetosphären-Geschehens lösen. Und die Zeit würden sie auch mindestens brauchen, so Young. Freuen wir uns mit ihm auf vielleicht noch rund achtmal mehr Informationsmaterial aus den Tiefen des Sonnensystems, bis Cassini einmal endgültig verstummen wird.
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