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News: Ringelpiez mit Anfassen für Elektronen und Atomkerne

Während sich die Elektronik heute in erster Linie der Ladung von Elektronen bedient, könnten zukünftige Schaltkreise auch verstärkt vom Spin, dem quantenmechanischen Eigendrehimpuls der Ladungsträger, profitieren. Ein weiterer Schritt in Richtung Spin-Elektronik ist jedenfalls gemacht, denn Physikern ist es gelungen, die Wechselwirkung von Spins zwischen freien Elektronen und Atomkernen allein elektrisch zu messen und zu steuern.
Spintransfer
Halbleiter bilden das Rückgrat der Elektronik und Informationstechnologie, denn ihre Ladungsträger und damit die elektrische jLeitfähigkeit lässt sich äußerst flexibel manipulieren. So gelingt es, aus ihnen elektronische und logische Schaltkreise zu schaffen. Doch wie kompliziert diese Bauelemente auch immer sein mögen, im Prinzip nutzen sie lediglich die Ladung des Elektrons; sein Spin bleibt dabei in der Regel außen vor.

Längerfristig wird die Bedeutung des Elektronen-Spin oder sogar der von einzelnen Atomkernen aber sicherlich wachsen, denn er eignet sich prinzipiell besonders gut, um digitale Informationen zu speichern: Schließlich nimmt er immer genau eine von zwei verschiedenen Richtungen ein – nämlich "Spin rauf" oder "Spin runter". Dabei kann man sich den Spin vereinfacht als eine Drehung um die eigene Achse vorstellen – entweder im oder gegen den Uhrzeigersinn. So könnte der Spin also ein Bit mit dem Wert "0" oder "1" repräsentieren. Festplatten sind ein alltägliches Beispiel dafür, wie der Spin zur Speicherung von digitalen Informationen dient: Hier werden die magnetischen Momente, die mit dem Spin gekoppelt sind, mithilfe von magnetischen Feldern von der eine in die andere Richtung dauerhaft umgeklappt.

Besonders vorteilhaft wäre es jedoch, wenn sich die Spinrichtung von Elementarteilchen genauso einfach wie die Ladungsträger in Halbleitern auf elektrischem Weg, durch Anlegen von Spannungen, beeinflussen ließen. Um dies zu erreichen, müssen Wissenschaftler allerdings mehr über die mikroskopischen Wechselwirkungen zwischen den Spins von Elektronen und denen von Atomkernen wissen. An solchen grundlegenden Fragen arbeiten Jurgen Smet und seine Kollegen vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung gemeinsam mit Wissenschaftlern von der Technischen Universität München. Ihnen ist es jetzt gelungen, die Stärke der Spin-Wechselwirkung im Magnetfeld zwischen Elektronen und Atomkernen eines Halbleiterkristalls allein durch elektrische Widerstandsmessungen zu bestimmen.

Indem sie an die Steuerelektroden eines so genannten Feld-Effekt-Transistors eine Spannung anlegten, induzierten sie unterschiedlich viele Elektronen in einem flachen Kanal des Bauelements. Hier konnten sich die Elektronen nur in zwei Dimensionen bewegen. Es war bereits bekannt, dass der Widerstand, der den Elektronen auf ihrer Reise durch das Bauelement entgegensteht, im Magnetfeld verschwindend kleine Werte annehmen kann. In diesem Fall besteht dann zwischen dem äußeren Magnetfeld und der Anzahl der Elektronen ein einfacher Zusammenhang – beschrieben durch den Quanten-Hall-Effekt.

Die Forscher stellten jetzt jedoch fest, dass der Quanten-Hall-Effekt bei einer ganz bestimmten Zahl von Elektronen zusammenbricht und dass diese Anzahl der Elektronen beziehungsweise die dazu benötigte Steuerspannung entscheidend von der Ausrichtung der Kernspins im Halbleiterkristall abhängt. Erklären lässt sich das, wie folgt: Kern- und Elektronen-Spins können sich gegenseitig über die so genannte Hyperfein-Wechselwirkung beeinflussen. Diese Wechselwirkung erlaubt eine "Flip-Flop-Streuung", bei der sich gleichzeitig sowohl die Spinrichtung eines Elektrons als auch die eines genau entgegengesetzt gerichteten Atomkerns umkehrt.

Der Gesamtdrehimpuls beider Teilchen bleibt also erhalten, da sich beide Spins ändern, doch auch die Energie muss erhalten bleiben. Normalerweise benötigt man aber tausendmal mehr Energie zum Umklappen eines Elektronen-Spins als für einen Kern-Spin. Diese Differenz verhindert unter normalen Umständen die Flip-Flop-Streuung, sodass der Spinaustausch zwischen Elektronen und Atomkernen eines Kristallgitters ausgeschlossen ist oder nur extrem langsam verläuft.

Im Experiment von Smet und seinen Kollegen konnten die Elektronen ihren Spin jedoch ohne nennenswerte Energiezufuhr umdrehen, wenn sie denn in einer ganz bestimmten Zahl vorhanden waren. Das Phänomen beruht auf einem äußerst komplizierten kollektiven Zusammenwirken der Elektronen unter dem Einfluss der abstoßenden Coulomb-Kräfte zwischen gleichen Ladungen, sowie auf der Neigung benachbarter Elektronen, die gleiche Spinrichtung anzunehmen. Die so entstehenden niederenergetischen, kollektiven Anregungen der Elektronen ermöglichen schließlich den Austausch ihres Spins mit dem der Atomkerne.

Die dadurch entdeckte Rückwirkung der Kernspinpolarisation auf die elektrische Leitfähigkeit des Transistors nutzten die Forscher schließlich als eine Art "Sonde", mit der sie durch zeitabhängige elektrische Widerstandsmessungen genaue Informationen über die Spinzustände und die Stärke der Wechselwirkungen erhielten. Denn änderte sich die Steuerspannung, bei welcher der Quanten-Hall-Effekt verschwindet, sehr schnell, dann war die Wechselwirkung stark, im anderen Fall war sie schwach.

Der Spin-Austausch ließ sich also mit der Sonde beobachten und sogar steuern. So war es beispielsweise möglich, die aufgebaute Kernspinpolarisation gewissermaßen zu speichern, da sich die Flip-Flop-Streuung über die Steuerspannung abschalten lässt. Mit dieser Möglichkeit, erstmals Kernspins elektrisch manipulieren zu können, haben die Stuttgarter Wissenschaftler einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Spin-Elektronik erreicht.

Letztlich könnte das irgendwann zu schnelleren, leistungsfähigeren Bauelementen führen, die gleichzeitig mehrere Funktionen in sich vereinigen: Datenspeicher, Logikschaltkreise und Kommunikationsbausteine sind dabei nur einige Möglichkeiten. In noch fernerer Zukunft könnten die manipulierten Spins einmal in einem Quantencomputer ihre Arbeit verrichten. Hierbei würde man nicht nur die beiden Spinzustände als "0" oder "1" eines üblichen Bits nutzen, sondern auch ihre Überlagerung. So wäre ein entsprechender Rechner dazu in der Lage, Probleme gleichzeitig anzugehen und zu lösen. Suchalgorithmen, die Bestimmung von Primzahlen und Datenbank-Operationen würden besonders von dieser Technik profitieren. Doch bis es soweit ist, könnten durchaus noch einige Jahrzehnte vergehen, meint Smet.

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