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Riskante Kipppunkte: Artensterben, Weltraummüll, Hitze und Gletscherschmelze

In einem neuen Bericht warnen Wissenschaftler vor Kipppunkten, an denen lebensnotwendige Systeme wie die Grundwasserversorgung kollabieren könnten. In einigen Ländern sei das schon geschehen.
Eine Meeresschidkröte liegt tot am Strand
Wenn eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart ausstirbt, hat dies Folgen für andere Arten. Die Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik ist eine Gefahr für viele darin lebende Tiere wie etwa diese Meeresschildkröte.

Vom Artensterben über Wassermangel bis zu den Gefahren von Weltraumschrott – Schlüsselrisiken können zu nicht umkehrbaren Schäden führen, wenn die Menschheit das Ruder nicht herumreißt. Das ist die Botschaft des Reports »Interconnected Disaster Risks« der Universität der Vereinten Nationen in Bonn. Die Autorengruppe zeigt sechs wesentliche Risiken auf.

Die Umweltwissenschaftlerin und Hauptautorin des Berichts Zita Sebesvari sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: »Indem wir maßlos unsere Wasserressourcen ausbeuten, die Natur und die Artenvielfalt zerstören und sowohl die Erde als auch den Weltraum verschmutzen, bewegen wir uns gefährlich nahe an den Rand mehrerer Risiko-Kipppunkte.«

Ein solcher Punkt ist laut Report erreicht, wenn ein System nicht mehr in der Lage ist, Risiken abzufedern und gewisse Funktionen zu erfüllen. »Unser Handeln gefährdet diese wichtigen Pufferkapazitäten, auf die wir dringend angewiesen sind«, sagte Sebesvari. Die Umweltkatastrophen der vergangenen Jahre wie Dürreperioden, Überschwemmungen und Wirbelstürme zeigten dies deutlich.

Eskalierendes Artensterben

Wenn eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart ausstirbt, hat dies Folgen für andere Arten. Ein Beispiel sind die Gopherschildkröten (Gopherus). Sie graben Löcher, die von mehr als 350 anderen Arten als Versteck, Brutplatz oder Ausweichort bei extremen Temperaturen genutzt werden. Die Folge: Sterben die Schildkröten aus, gefährdet dies auch andere Arten. Der Bericht warnt zudem: Wenn ein Ökosystem mehrere besonders stark vernetzte Arten verliert, kollabiert es schließlich.

Erschöpfung des Grundwassers

Aus mehr als der Hälfte der großen Grundwasserspeicher der Welt wird mehr Wasser entnommen, als sich auf natürliche Weise wieder auffüllen kann. Dadurch können Wasserquellen versiegen. In Saudi-Arabien wurde dieser Kipppunkt der Grundwasserschöpfung laut Bericht schon erreicht. »Auch in Deutschland greift die Landwirtschaft immer öfter auf Grundwasservorräte zurück. Wir sollten uns jetzt frühzeitig überlegen, wie weit wir mit der Nutzung gehen wollen«, appellierte Sebesvari.

Schmelzen der Gletscher

Gletscher ziehen sich zurück, wenn ihr Eis schneller schmilzt, als neues durch Schnee geformt wird. Auf Grund der Klimaerwärmung schmelzen dem Bericht zufolge Gletscher weltweit doppelt so schnell wie in den vergangenen 20 Jahren. Wenn erst einmal der Höhepunkt der Schmelze überschritten ist, weil sich der Gletscher stark verkleinert hat, nimmt die Menge des Schmelzwassers ab – und das hat erhebliche Folgen für die Wasserversorgung, die in vielen Gebieten davon abhängt. Lange Phasen der Trockenheit können die Folge sein.

Weltraumschrott

»Der Weltraum hat ein Müllproblem«, heißt es im Bericht. »Das kommt daher, dass Satelliten, die nicht mehr funktionieren, als Weltraummüll in der Erdumlaufbahn belassen werden.« Da sich der Weltraummüll mit einer Geschwindigkeit von mehr als 25 000 Kilometern in der Stunde bewegt, kann auch schon ein kleines Schrottteil bei einer Kollision massiven Schaden verursachen und dadurch für noch mehr Weltraumschrott sorgen. Die Internationale Raumstation und funktionstüchtige Satelliten müssten deshalb regelmäßig Ausweichmanöver durchführen. So besteht das Risiko einer Kettenreaktion, wenn zwei große Objekte kollidieren sollten. Dies könne den Betrieb von Satelliten und die damit verbundene Wetterbeobachtung beeinträchtigen. »Hier müssten wir dringend über eine Regulierung nachdenken«, sagte Sebesvari. Sonst drohten wir unsere Weltraum-Infrastruktur zu zerstören.

»Unser Handeln ist zu sehr auf das Jetzt getrimmt. Die Optionen künftiger Generationen werden zu wenig berücksichtigt«Zita Sebesvari, Umweltwissenschaftlerin

Unerträgliche Hitze

In einigen Regionen werden heute schon Temperaturen erreicht, bei denen Menschen kaum noch ohne Hilfsmittel für längere Zeit draußen bleiben können. Dies wird laut Bericht durch den Klimawandel in immer mehr Gebieten vorkommen. Kühlung durch Klimaanlagen und Ventilatoren können sich nur reiche Menschen leisten. Zudem verzögern sie den Autoren zufolge nur den Zeitpunkt, an dem der Kipppunkt »unerträgliche Hitze« für Menschen erreicht ist. Sie könnten sogar zur weiteren Erderwärmung beitragen, wenn sie mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sagte Sebesvari.

Verlust von Versicherbarkeit

Immer schwerwiegendere Katastrophen treiben die Kosten für Versicherungen hoch, bis sie irgendwann nicht mehr bezahlbar sind. Sobald dieser Punkt erreicht ist, haben die Menschen kein wirtschaftliches Sicherheitsnetz mehr.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass sich die heute umgesetzten Lösungen eher auf eine Verzögerung der Kipppunkte konzentrieren als wirklich die Ursachen zu bekämpfen. »Unser Handeln ist zu sehr auf das Jetzt getrimmt«, kritisierte Sebesvari. »Die Optionen künftiger Generationen werden zu wenig berücksichtigt.«

Die Autorinnen und Autoren nennen viele mögliche Verbesserungsschritte. Generell sei es nötig, die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Natur besser zu achten und sie als globales System von zusammenhängenden Teilen zu sehen, »von denen wir Menschen nur eines sind«. (dpa/kmh)

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