News: Römer auf großer Fahrt?
Als 61 Jahre später der Anthropologe Roman Hristov die Figur erneut untersuchen wollte, hatte er jedoch Schwierigkeiten, sie wieder aufzufinden: Obwohl bereits viel über den kleinen Terrakottakopf geschrieben worden war, wusste niemand, wo er sich befand. Zusammen mit dem mexikanischen Anthropologen Santiago Genovs entdeckte Hristov sie schließlich 1994 eingelagert in einem Museum in Mexiko-Stadt.
Um festzustellen, wann der Kopf hergestellt worden war, entnahm Hristov eine Probe aus dem Nacken und schickte sie ans Max-Planck-Institut für Kernphysik nach Heidelberg. Dort untersuchten Physiker die Probe mit Hilfe der Thermolumineszenz-Methode, mit der Wissenschaftler das Alter von Gläsern, gebrannten Tonen und ähnliche Stoffen bestimmen können. Dabei erhitzen sie die Proben und heilen damit Strahlenschäden aus, die seit der Keramikbrennung durch natürliche Strahlung entstanden sind. Während der Heilung senden die betroffenen Atome Photonen aus, die von den Wissenschaftlern gemessen werden und über deren Menge sich schließlich das Alter der Substanz errechnen läßt.
So errechneten die Heidelberger Wissenschaftler ein Alter von 1800 Jahren. Kunsthistoriker, die Hristov ebenfalls konsultierte, bestätigten, dass der Kopf römisch sei, und datierten ihn auf zweihundert Jahre nach Christi Geburt. Außerdem untersuchte Hristov die Begleitumstände der Ausgrabungsarbeiten, bei denen der Kopf in den dreißiger Jahren entdeckt worden war. Er fand heraus, dass der Terrakottakopf nicht später als im Jahre 1510 in das Grab gelegt worden war, in dem er später gefunden wurde – ein Jahrzehnt, bevor die Spanier nach Mittelamerika kamen.
Der entscheidende Punkt ist, dass der Fund von Profis gemacht worden ist, sagt David Kelley von der University of Calgary in Kanada. "Zudem war der Kopf unter drei Stockwerken eingeschlossen. Archäologisch gesehen gibt es keine größere Gewissheit."
Hristov glaubt nun, der Fund sei der erste überzeugende Beweis für transozeanische Kontakte zwischen Alter und Neuer Welt in vorspanischer Zeit. Trotzdem ist es nicht sicher, dass er eine der hitzigsten Debatten der modernen Anthropologie beenden wird. "Ich sehen keinen Grund, warum es keinen Kontakt in der Antike gegeben haben soll", sagt Betty Meggers vom National Museum of Natural History in Washington, die darauf hinweist, dass japanische und ecuadorianische Keramiken identische Merkmale aufweisen.
David Grove von der University of Illinois in Urbana-Champaign bestätigt zwar den römischen Ursprung des Kopfes, zweifelt hingegen an seiner Bedeutung. Dieser könnte beispielsweise von einem römischen Schiffswrack von der mexikanischen Küste stammen, meint Grove. Das erfordere aber nicht notwendigerweise eine wechselseitige Beziehung zwischen damaligen Amerikanern und Römern. Außerdem gebe es keinen Hinweis irgendwelcher Einflüsse aus dem alten Europa auf präkolumbianische Kulturen.
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