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Römerzeit: Von China nach Österreich in der Antike

Die Römer pflegten ein ausgedehntes Handelsnetz, das bis nach Ostasien reichte. Das belegt ein Messergriff, der im österreichischen Wels ausgegraben und nun bestimmt wurde.
Im Bild zu sehen ist ein antiker Messergriff aus Elfenbein, in dem altindische Schriftzeichen eingeritzt sind.
Vom Messer blieb nur der Griff aus Elfenbein erhalten. Die eingravierten Schriftzeichen deuten auf einen ostasiatischen Ursprung hin.

Schon 1918 fanden Archäologen bei Ausgrabungen in der österreichischen Stadt Wels einen antiken Messergriff, dessen Material und Inschriften einige Rätsel aufgaben. Rasch wurde klar, dass der Griff aus Elfenbein bestand, doch erst 105 Jahre später gelang es Stefan Pfahl von der Universität Düsseldorf zusammen mit Harry Falk von der Freien Universität Berlin, die Zeichen darauf zu entziffern, die eindeutig nicht römischen Ursprungs waren – mit überraschendem Ausgang, wie die Stadt Wels berichtet: Das Fundstück aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammt aus einem Gebiet des heutigen China, wie Falk ermitteln konnte. Frühere Vermutungen hatten dagegen auf Ägypten oder den Nahen Osten beziehungsweise auf Mittelpersien getippt.

Falk identifizierte die Ritz-Inschrift dagegen als Khar, eine Variante der altindischen Schrift Kharosthi. Damit steht nach Auskunft der Fachleute auch ziemlich sicher fest, dass der Messergriff über die ostasiatische Handelsmetropole Niya nach Westen gelangte. Die einst bedeutende Stadt lag am südlichen Zweig der Seidenstraße in der westlichen Taklamakan-Wüste und ging in den ersten Jahrhunderten n. Chr. auf Grund von Wassermangel unter. Heute liegt das Gebiet in der Volksrepublik China in der autonomen Region Xinjang.

Im weiteren Verlauf der Analyse fanden Falk und Co zudem heraus, dass das Messer, dessen Metall nicht mehr auffindbar war, einst einem Mann namens Tadara gehört haben muss. Dieser hatte die Waffe als Ehrengeschenk erhalten, und womöglich ist sogar sein Gesicht in den Griff eingeritzt.

Das allerdings wirft weitere Fragen auf: Wie kam das Messer ins römische Ovilava, das heute Wels heißt? Hat es Tadara selbst auf einer Reise nach Westen getragen? Davon gehen die Archäologen bislang aus, weil es sich um ein wertvolles Geschenk handelt, das man nicht einfach so verkauft. Hätte der Ehrenmann diese Tour tatsächlich absolviert, wäre das eine beeindruckende Leistung gewesen: Von Niya nach Wels beträgt die Entfernung mehr als 6000 Kilometer auf der Seidenstraße. Dennoch ist Handel nicht ausgeschlossen: Tadara könnte es selbst verkauft oder verloren haben, oder es wurde ihm gestohlen und danach weiterverkauft.

Bildnis | Auf dem Messergriff ist das Porträt eines Mannes eingeritzt – er trägt eine Kopfbedeckung, die einer phrygischen oder skythischen Mütze ähnelt, einer in der Antike typisch orientalischen Haube. Womöglich zeigt das Bildnis Tadara, der in der Inschrift auf dem Messergriff genannt ist.

Sicher ist allerdings, dass Wels damit der westlichste Fundort eines aus der Taklamakan-Wüste eingeführten Stücks ist, der bislang bekannt wurde. Bisher galt dies für einen Schwerttragebügel aus Bulgarien, der aus einem thrakischen Häuptlingsgrab bei Čatalka stammt. Weitere Relikte aus Niya wurden in Wels allerdings noch nicht gefunden. Im lokalen Stadtmuseum ist das gute Stück mit seiner bewegten Geschichte zumindest zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zu besichtigen.

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